Duma-Abgeordnete fordern Reparationen von Deutschland

Politologen bezeichnen diesen Vorstoß als "marginale Initiative." Foto: Ewgenij Haldej / RIA Novosti

Politologen bezeichnen diesen Vorstoß als "marginale Initiative." Foto: Ewgenij Haldej / RIA Novosti

Russische Abgeordnete fordern eine Neuberechnung der Kriegsschäden aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Bundesrepublik solle bis zu vier Billionen Euro Reparationszahlungen leisten. Russische Politologen vermuten mehr antideutsche Rhetorik denn ernst gemeinte finanzielle Forderungen hinter der Initiative.

Die untere Kammer des russischen Parlaments fordert die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die der Sowjetunion durch den Zweiten Weltkrieg verursachte Schäden neu berechnen soll. Zahlen müsste die Bundesrepublik Deutschland. Russische Medien hatten zuvor gemeldet, Russland wolle Reparationszahlungen in Höhe von drei bis vier Billionen Euro fordern. Zu den Initiatoren gehört Michail Djagterew von der Partei LDPR, der erklärt: „Die Abgeordneten verlangen zunächst nur eine Schätzung der

Zerstörungen. Eine solche gibt es bisher nicht. Ob dann Reparationen gefordert werden oder nicht, werden das Staatsoberhaupt und das Außenministerium entscheiden.“ Auf die Frage, was 70 Jahre nach Kriegsende der Anlass für solche Forderungen sei, antwortete Djagterew lediglich: „Nichts und niemand ist vergessen.“ Zudem habe die neue Generation russischer Politiker „völlig andere Werte“, sagte der Politiker, ohne diese näher zu erläutern.

Gleb Pawlowskij, Leiter der ehemaligen Stiftung für Effektive Politik, nimmt den Vorstoß der Abgeordneten nicht ernst. Der Politologe bezeichnet ihn als „marginale Initiative“ und die Abgeordneten als „unprofessionell“. Er erinnert daran, dass Deutschland auf Grundlage der bei der Jalta-Konferenz getroffenen Vereinbarungen bereits Reparationszahlungen geleistet habe. „Das weiß jedes Kind“, sagt Pawlowskij. Geld sei damals zwar nicht geflossen, aber in Naturalien bezahlt worden, und das nicht nur von der sowjetischen, sondern auch von den westlichen Besatzungszonen.

 

Kritik an deutscher Russland-Politik

Pawlowskij ist sicher, dass auch sonst niemand diese Initiative ernst nehmen werde. Doch der  russophobe Teil der Welt habe dadurch neues Futter bekommen, befürchtet er. „Russland wird nun als verantwortungslos dargestellt werden, obwohl tatsächlich nur einzelne Personen verantwortungslos sind“, bedauert er. Andere Gesprächspartner von RBTH ließen ihrer Empörung über den Vorstoß freien Lauf, sie nannten ihn gar „bescheuert“ und vermuteten, dass etwas ganz anderes dahinter steckt: Russland wolle auf diese Weise seine Unzufriedenheit mit der Politik bestimmter Länder ausdrücken. 

Das erinnert an einen ähnlichen Fall, der noch gar nicht so lange zurückliegt. Griechenland forderte jüngst von der Bundesrepublik die Rückzahlung eines Zwangskredits, der Deutschland während der Zeit der deutschen Besatzung in Griechenland gewährt wurde. Die Rückzahlungsforderung wurde nur in einem vertraulichen Bericht der griechischen Regierung genannt, dieser

jedoch gelangte durch die Medien an die Öffentlichkeit. Jewgenij Mintschenko, Direktor des Internationalen Instituts für politische Expertise, meint, dass beide Fälle als „Protest gegen die Aktionen Deutschlands“ zu werten seien. „Die Griechen sind unzufrieden mit der deutschen Hegemonie. Sie glauben, dass die Finanzhilfen der Europäischen Union in Wirklichkeit das Ziel haben, das Land in die Schuldenfalle zu locken und es der Selbstständigkeit zu berauben“, erklärt er. Russland hingegen reagiere seiner Meinung nach auf eine „drastische Veränderung der Position Deutschlands gegenüber Russland“.

Der kremlnahe Politologe und Direktor des Instituts für Politische Forschung Sergej Markow sieht in dem Vorstoß ebenfalls „eine Antwort auf die äußerst aggressive Politik Deutschlands“: „Angela Merkel hat die jahrzehntealte Politik der Freundschaft mit Russland, die Deutschland bis dahin pflegte, herausgefordert“, meint er. Als „antirussische“ Geste von Bundeskanzlerin Angela Merkel wird vor allem die „Möglichkeit eines Krieges zwischen Deutschland und Russland“, die Merkel mutmaßlich in Betracht ziehe, angesehen. So zumindest interpretiert Markow Merkels Zusage eines militärischen Beistands der Baltischen Staaten im Falle einer russischen Aggression. Kritik an Merkels antirussischer Rhetorik gebe es inzwischen auch in der Bundesrepublik: „Sie wird sogar im Bundestag beschuldigt, die Neonazis in der Ukraine zu unterstützen“, behauptet Markow.

 

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