In der Ukraine sollen ab Sonntag die Waffen schweigen. Foto: AP
Die mehrstündigen Verhandlungen zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin, dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Francois Hollande, bei denen es um eine Regelung der Ukraine-Krise ging, sind beendet. Zeitgleich trafen sich auch Vertreter der Ukraine-Kontaktgruppe aus Russland, der Ukraine sowie Vertretern der OSZE und der selbsternannten Volksrepubliken aus dem Donbass. Auch dieses Treffen endete erfolgreich: Es wurde ein Dokument verabschiedet, in dem es um die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen vom September vergangenen Jahres geht. Die vier Regierungschefs sicherten in einem weiteren Dokument ihre Unterstützung dafür zu.
Putin erklärte gegenüber Journalisten, dass es eine Einigung über „das Wichtigste" gegeben habe, nämlich einen Waffenstillstand, der ab Sonntag um Mitternacht in Kraft treten soll. Zudem sollen schwere Waffen von der Grenze abgezogen werden. Geeinigt haben sich die Verhandlungspartner nach Medienberichten auch auf die Einrichtung einer 50 bis 140 Kilometer breiten Sicherheitszone. Die OSZE soll die Einhaltung des Waffenstillstands sowie den Abzug ausländischer Verbände von ukrainischem Boden kontrollieren.
Weitere Punkte der Vereinbarung sind Gespräche über die baldige Durchführungen von Wahlen im Donezbecken, eine Amnestie für die Kämpfer auf beiden Seiten, die Verabschiedung von Gesetzen über einen Sonderstatus für einzelne Gebiete des Donezbeckens sowie die Durchführung einer Verfassungsreform in der Ukraine.
Letztere sieht die Schaffung eines neuen Gesetzes in der Ukraine vor, dessen Schlüsselelement die Dezentralisierung der Gewalten werden soll. Mit der neuen Gesetzgebung verbunden war auch eine der Schlüsselfragen für die Ukraine – die Festlegung der Grenze zwischen den aufständischen Regionen und Russland. Dem Dokument zufolge soll die Wiederherstellung der Kontrolle über die Grenze durch die Regierung schrittweise erfolgen, unter Beteiligung der Aufständischen.
Russische Experten halten die neue Minsker Vereinbarung für ein positives Signal. Dmitrij Danilow, Leiter der Abteilung für europäische Sicherheit des Europa-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, hält es für wichtig, dass eine Übereinkunft zum Waffenstillstand und einer Demarkationslinie erzielt worden sei. Beides seien für ihn Grundbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung eines Friedensplans in der Ukraine. Auch Wiktor Misin, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für postsowjetische Forschung an der MGIMO-Universität, nannte die neuen Minsker Vereinbarungen einen vielversprechenden Schritt.
Weniger optimistisch betrachten die Experten den politischen Teil der Vereinbarungen. Danilows Meinung nach ließen diese zu viel Spielraum für unterschiedliche Interpretationen der Konfliktparteien, vor allem im Hinblick
auf sensible Fragen, wie den Sonderstatus des Donezbecken oder die Grenzkontrollen. Danilow sieht nun den ukrainischen Präsidenten in der Pflicht. „Jetzt wird sich Poroschenko in Kiew mit seinen Mitstreitern und der Öffentlichkeit einigen müssen", erklärt er und weist darauf hin, dass es auch in der Verantwortung der Aufständischen liege, die Vereinbarung nicht durch eine ganz eigene Interpretation zu gefährden.
Nach Ansicht Misins bleibt die Frage über den Status der selbst ernannten Volksrepubliken auch nach dem Treffen in Minsk „eine riesige, ungelöste Frage". Genauso, wie das Problem der Kontrolle der russisch-ukrainischen Grenze in den betroffenen Regionen der Ukraine. Er mahnt, dass bei einem Scheitern der Vereinbarung ein großflächiger Kollaps im Osten der Ukraine drohe. Dies wollen weder Russland noch der Westen. Misin ist zudem überzeugt, dass ein Erfolg der Minsker Verhandlungen auch im Interesse der USA liege, die keine eigenen Pläne für die Ukraine hätten, auch wenn russische Massenmedien in ihrer Berichterstattung etwas anderes behaupten würden.
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