Russland steigt aus KSE-Vertrag aus. Foto: AP
Am Mittwoch verkündete die Russische Föderation ihren Ausstieg aus dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag). Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich von Russlands Entscheidung enttäuscht.
Russische Experten sehen einen Zusammenhang zwischen der Entscheidung, den KSE-Vertrag zu kündigen, und der Krise in der Ukraine. Alexej Arbatow, Leiter des Zentrums für internationale Sicherheit am Institut für Weltwirtschaft, bezeichnete den Vorgang in einem Gespräch mit RBTH als „demonstrative Geste", die eine Reaktion auf die zunehmende Stationierung von Nato-Einheiten an den russischen Grenzen sei. Insbesondere die geplante Stationierung von US-Truppen im Baltikum soll den letzten Anstoß gegeben haben. Für Arbatow stellen diese Pläne eine Vertragsverletzung dar, „wenn auch nicht dem Wortlaut nach, so doch nach dem Geiste". Ein weiterer Kritikpunkt der Russen am KSE-Vertrag seien fehlende Rüstungsbeschränkungen für die baltischen Staaten gewesen, so der Experte. Diese traten 2004 der Nato bei, der KSE-Vertrag wurde jedoch nie entsprechend geändert.
Der Leiter des Russland-Rats für internationale Angelegenheiten, Andrej Kortunow, hält den Austritt Russlands aus dem Vertrag ebenfalls für ein Signal an den Westen. Auch er sieht darin einen Ausdruck der Kritik Russlands an Militäraktionen der Nato an den Grenzen zur Russischen Föderation.
Im Jahr 1999 wurde der KSE-Vertrag überarbeitet. Von den 30 Unterzeichnerstaaten ratifizierten ihn im Jahr 2004 aber nur Russland, Weißrussland, Kasachstan und die Ukraine. Obwohl den Nato-Staaten dreimal höhere Rüstungsgrenzen zugestanden wurden als dem russischen Militär, knüpften diese die Ratifizierung an weitere Bedingungen: Russland sollte seine Truppen aus Georgien, Abchasien, Südossetien und Transnistrien abziehen. Diese Verknüpfung mit dem KSE-Vertrag beschlossen die Nato-Staaten allerdings einseitig. Russland betonte stets, dass diese Forderungen nicht Bestandteil des KSE-Vertrags gewesen seien, und bestand auf bilateralen Abkommen etwa mit Georgien und Moldawien.
„Die Nato-Länder ließen sich mit der Ratifizierung des angepassten Vertrags Zeit und forderten immer wieder den vollständigen Truppenabzug von Russland. Russland kam dem weitgehend nach, lediglich unbedeutende Kontingente blieben zurück, doch der Nato reichte das nicht. Sie forderte
einen Abzug bis zum letzten Mann. Das war meiner Meinung nach sehr kurzsichtig von der Nato und ein großer Fehler", sagt Alexej Arbatow. Das Militärbündnis habe das Ende der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa besiegelt, meint er.
Noch gibt es nach Russlands Ausstieg aus dem KSE-Vertrag keine konkreten Initiativen zur Wiederherstellung der notwendigen Stabilitäts- und Sicherheitsbalance in Europa, bemerken die Experten. „Aber auch wenn der Ausstieg aus dem KSE-Vertrag nachvollziehbar ist, sollte nach Alternativen gesucht werden", sagt Kortunow. Er glaubt, dass Russland sich mit der Art und Weise der Vertragskündigung keine Freunde gemacht habe. Kortunow sieht die Gefahr, dass russlandfeindliche Tendenzen und das Misstrauen gegenüber Russland in den westlichen Ländern nun weiter zunehmen werden.
Der KSE-Vertrag setzte Obergrenzen für die Anzahl schwerer Waffen fest und wurde 1990 von den Nato-Ländern und den Staaten des Warschauer Vertrags unterzeichnet. Im Jahr 1999 wurde der Vertrag angepasst. Angesichts der Nato-Erweiterung wurden die Rüstungsbeschränkungen für die Allianzmitglieder herabgesetzt. Russland durfte dafür mehr Militärtechnik im Nordwesten des Landes und im Kaukasus einsetzen.
Moskau hat den angepassten Vertrag im Jahr 2004 ratifiziert, ebenso Weißrussland, Kasachstan und die Ukraine. Die übrigen der insgesamt 30 Staaten, die den Vertrag unterzeichnet hatten, haben den Vertrag nicht ratifiziert. Russland hat den Vertrag bereits im Juli 2007 ausgesetzt und nun den endgültigen Ausstieg erklärt.
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