Kritischer Staatsbesuch: Putin reist nach Armenien

Moskau zeigt seine Verbundenheit zu Armenien, gleichzeitig auch zur Türkei. Foto: Alexej Druschinin/RIA Novosti

Moskau zeigt seine Verbundenheit zu Armenien, gleichzeitig auch zur Türkei. Foto: Alexej Druschinin/RIA Novosti

Putin reist am Freitag nach Armenien, auch um an den Feierlichkeiten zum Jahrestag des Genozids an den Armeniern teilzunehmen. Bei Russlands neuem Partner Türkei, die den Genozid bis heute als historische Tatsache bestreitet, könnte das für Missstimmung sorgen. Der Duma-Vorsitzende Sergej Naryschkin soll die Türken besänftigen.

Der russische Präsident Wladimir Putin wird am Freitag nach Armenien reisen. In Jerewan wird er an den Feierlichkeiten zum hundertsten Jahrestag des Genozids an den Armeniern im Osmanischen Reich teilnehmen. In den Jahren 1915 und 1916 starben laut historischen Quellen mindestens Hunderttausende Armenier bei Massakern und Todesmärschen. Die Türkei weigert sich bis heute, den Genozid als historische Tatsache anzuerkennen, was das Verhältnis zwischen beiden Staaten belastet.

Für Sergej Markedonow, Dozent am Lehrstuhl für ausländische Regionalwissenschaften und Außenpolitik der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität (RGGU), hat Putins Reise Symbolcharakter: „Der Besuch des russischen Präsidenten zeigt seine Unterstützung und ist eine Solidaritätsbekundung im Angesicht der Erinnerung an die Ereignisse, die für Armenien sehr bedeutend sind." Markedonow merkt an, dass Armenien ein treuer Verbündeter Russlands sei. Zudem sei Armenien Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion und der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit.

Aber nach den gegen Russland verhängten Sanktionen durch eine Reihe von westlichen Staaten hat sich auch die Türkei zu einem wichtigen Partner Russlands entwickelt. Vor allem im Energiebereich gibt es Kooperationen. In der Türkei könnte Putins Besuch in Armenien ausgerechnet zu diesem Anlass daher auf Kritik stoßen.

Der leitende wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften, Wiktor Nadein-Rajewskij, weist darauf hin, dass die Türkei, aber auch einige andere Staaten, einen Genozid an den Armeniern nicht als historische Tatsache anerkannten und die Ereignisse leugneten: „Die Türkei ist immer auf der Suche nach anderen Verantwortlichen. Mal seien die Armenier selbst schuld gewesen, dann wird die Verantwortung den Kurden zugewiesen", so Nadein-Rajewskij.

 

Duma-Vorsitzender Naryschkin reist nach Tschanakkale

Um diplomatischen Missstimmungen vorzubeugen, soll Sergej Naryschkin, Vorsitzender der Staatsduma, in die Türkei reisen, während sich Putin in Armenien aufhält. Naryschkin wird am Samstag bei den Gedenkveranstaltungen zum 100. Jahrestag der „Schlacht von Gallipoli" erwartet. In Gallipoli erlitt die Entente aus Frankreich, Russland und Großbritannien im Ersten Weltkrieg eine empfindliche Niederlage durch die Truppen des Osmanischen Reichs bei dem Versuch, die Dardanellen zu erobern.

„In Tschanakkale wird mit Sergej Naryschkin ein wichtiger russischer Politiker vertreten sein und nicht etwa die zweite Garde", betont Markedonow. So könne Moskau seine Verbundenheit sowohl zur Türkei als

auch zu Armenien demonstrieren und beide als Partner gewinnen, fügt er hinzu. Das sei wichtig, denn, so der Politikwissenschaftler: „Auf der einen Seite geht es um die militärpolitische Kooperation mit einer eurasischen Ausrichtung, auf der anderen um eine Wirtschaftskooperation, die darauf abzielt, dass in Eurasien nicht alles nach der Pfeife Washingtons tanzt."

Markedonow betont, es habe von politischer Seite in der Türkei noch keine offene Kritik an Putins Besuch in Armenien gegeben. Die offizielle Seite und Präsident Recep Tayyip Erdoğan schweigen. Die türkische Presse hingegen mache ihrem Unmut Luft. Aber auch in Armenien sei man beleidigt über Naryschkins Reise nach Tschanakkale, so Markedonow. Beide Seiten würden den Genozid an den Armeniern und die Frage der Anerkennung politisch instrumentalisieren, resümiert der Experte.

 

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