Gemeinsames Gedenken: Lawrow und Steinmeier in Wolgograd

Die Außenminister von Deutschland und Russland Frank-Waler Steinmeier und Sergej Lawrow am Militärfriedhof Rossoschka bei Wolgograd.  Foto: AP

Die Außenminister von Deutschland und Russland Frank-Waler Steinmeier und Sergej Lawrow am Militärfriedhof Rossoschka bei Wolgograd. Foto: AP

Zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges reiste der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier gestern nach Wolgograd. Deutsche Medien hatten die Reise zuvor kritisiert, doch Steinmeier warnte vor einer „Instrumentalisierung der Vergangenheit“ und betonte russisch-deutsche Gemeinsamkeiten.

In Wolgograd traf der russische Außenminister Sergej Lawrow auf den Außenminister der Bundesrepublik Deutschland Frank-Walter Steinmeier. Russland und Deutschland wollten gemeinsam an der Lösung von Problemen in Europa arbeiten und alles tun, um zukünftig Tragödien wie den Zweiten Weltkrieg zu verhindern, erklärten die Minister. Das Treffen fand im Vorfeld eines für Sonntag geplanten Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Moskau statt.

Die Außenminister trafen sich zunächst am Militärfriedhof Rossoschka, wo tausende sowjetische und deutsche Soldaten begraben liegen. „An diesem Ort, der buchstäblich von Blut getränkt ist, spürt man wie nie die Größe unseres Volkes, das Europa und die Welt vor dem Faschismus gerettet hat", schrieb Sergej Lawrow später in das Goldene Buch der Gedenkstätte auf dem Mamajew-Hügel. Er betonte, der gemeinsame Besuch mit seinem deutschen Amtskollegen sei „die beste Garantie für eine Entschlossenheit unserer Länder, ein Wiederkehren des Nazismus nicht zuzulassen, die russisch-deutsche historische Aussöhnung zu stärken und sie als Grundlage der Stabilität und des Friedens auf dem Kontinent zu nutzen".

Das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg war das zentrale Thema des Treffens in der „Heldenstadt" Wolgograd. Steinmeier erklärte: „Wir wollen, dass in diesen Tagen die Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieg im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, das, was uns verbindet und nicht das, was uns trennt." Auf die Frage einer deutschen Journalistin, ob sein Besuch nicht ein Nachgeben gegenüber Moskau in der Ukraine-Krise sei, antwortete er: „Für uns kann keine Rede davon sein, dass wir die Geschichte für nationale oder nationalistische Interessen instrumentalisieren. Dieser Besuch ist ein Anlass, die Erinnerung an die gefallenen Soldaten zu ehren und eine Erinnerung an die Pflicht, künftige Kriege zu verhindern."

 

Russland setzt „große Hoffnungen" in Merkel-Besuch

Doch auch die aktuellen politischen Ereignisse diskutierten die Außenminister, jedoch hinter verschlossenen Türen. In erster Linie ging es dabei um Strategien zur Beendigung der Ukraine-Krise. Insbesondere begrüßte Lawrow die jüngst getroffene Vereinbarung über einen direkten Dialog zwischen Kiew und den selbsternannten Volksrepubliken. „Wir kommen mühsam, Millimeter für Millimeter, voran", sagte er auf der Abschluss-Pressekonferenz. Außerdem bestätigte Sergej Lawrow die Bereitschaft Moskaus, den „direkten Draht" zwischen Russland und der Nato wiederaufzunehmen: „Wir bekommen Signale der Nato, dass es sinnvoll wäre, die Zusammenarbeit zwischen den Militärbehörden wiederaufzunehmen. Wenn es einen entsprechenden Vorschlag geben wird, werden wir konstruktiv reagieren."

Auf Steinmeiers Besuch in Wolgograd soll am kommenden Sonntag ein Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in Moskau folgen. Dort wird sie mit Präsident Putin zusammentreffen. „Die Lage in Europa ist alles andere als stabil, deshalb verbinden wir große Hoffnungen mit dem Besuch der Bundeskanzlerin in Moskau", sagte Lawrow gestern.

Einen Besuch Merkels am Tag des Sieges selbst habe man nach Angaben der Zeitung „Kommersant“ im Auswärtigen Amt und dem Kanzleramt aus verschiedenen Gründen für zu heikel befunden. So habe man die Kanzlerin angesichts der Ukraine-Krise nicht an der Militärparade der russischen Streitkräfte teilnehmen lassen wollen. Schließlich befinden sich die Beziehungen zwischen Russland und der EU in einer ernsthaften Krise. Zudem hätte den deutschen Gästen während den Feierlichkeiten ein Aufeinandertreffen mit dem nordkoreanischen Staatsoberhaupt Kim Jong-un gedroht. Dieser sagte seine Teilnahme letztlich ebenfalls ab. Aber man habe in Moskau schnell akzeptiert, dass Angela Merkel am darauffolgenden Tag nach Moskau kommen würde, so die diplomatische Quelle des „Kommersant“.

Das Treffen der Außenminister in Wolgograd endete mit einem Besuch des Festivals Musik gegen den Krieg, bei dem das akademische Symphonieorchester Wolgograd und Symphoniker aus Osnabrück gemeinsam spielten. Die Verantwortlichen der deutschen Seite berichteten, dass die Orchester seit etwa zwei Jahren miteinander verbunden seien. Die Zusammenarbeit sei aus einer Initiative eines der Musiker, des Geigers

Christian Heineke, entstanden. Heineke erinnerte später an hunderte sowjetische Kriegsgefangene, die im Zweiten Weltkrieg in der Nähe von Osnabrück umgekommen waren. „Dort, wo die Kommunikation auf politischer Ebene hinkt, ist es nötig, den Dialog zwischen unseren Völkern auf der menschlichen Ebene aufrechtzuerhalten", erklärte der Musikdirektor des Osnabrücker Theaters Andreas Hotz, der das gemischte Orchester abwechselnd mit seinem russischen Kollegen Alexandr Poljanitschenko dirigierte.

Den 9. Mai werden die Musiker des Osnabrücker Orchesters genauso wie die Vertreter Deutschlands übrigens nicht in Russland feiern – sie haben einen Auftritt in Kiew eingeplant. Dort werden sie allerdings ohne ihre Kollegen aus Wolgograd spielen. 

 

Die ungekürzte Fassung dieses Beitrags erschien zuerst bei Kommersant

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