Russland antwortet mit dem Einreiseverbot auf EU-Sanktionen. Foto: Reuters
Ende letzter Woche hat Russland den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine „Schwarze Liste" überreicht, auf der Namen von Personen stehen, denen die Einreise in die Russische Föderation zukünftig verwehrt bleibt. Das sorgte in der EU für Empörung. Moskau würde gegen internationales Recht verstoßen, so der Vorwurf.
Nach Medienberichten wurde die Liste am vergangenen Donnerstag überreicht. Der finnische Radiosender „YLE" veröffentlichte die Namen der 89 dort aufgeführten Personen, darunter vor allem Politiker aus Polen, Deutschland, Großbritannien, den skandinavischen und baltischen Ländern. Unter ihnen sind der ehemalige Vize-Premierminister Großbritanniens Nick Clegg, der ehemalige Premierminister Belgiens Guy Verhofstadt und der Vorsitzende der französischen Sozialisten Bruno Le Roux. Die Liste gilt als Antwort Russlands auf die Sanktionen gegen russische Staatsbürger. Die Europäische Union hatte eine Veröffentlichung gefordert, nachdem dem Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann die Einreise versagt wurde.
Der niederländische Premierminister Mark Rutte äußerte sich als einer der ersten europäischen Politiker zur „Schwarzen Liste" Russlands. Er warf Moskau vor, diese basiere nicht auf internationalem Recht. Zudem sei sie nicht transparent und ein Widerspruch dagegen auf dem Rechtswege nicht möglich. Der außenpolitische Dienst der EU nannte die Liste Russlands „willkürlich und unmotiviert". Auch in anderen europäischen Staaten zeigte man sich verärgert. Aus London hieß es, für diese Liste gebe es „keinerlei Rechtfertigung".
Russlands Außenminister Sergej Lawrow wies die Beschuldigungen als „absurd und töricht" zurück. Er erklärte, auf der Liste stünden Personen, die „in aktivster Weise einen Staatsstreich unterstützten, im Zuge dessen ethnische Russen in der Ukraine geächtet und diskriminiert wurden".
Nach Ansicht von Andrej Susdalzew, Vize-Dekan der Fakultät für Weltwirtschaft und Weltpolitik an der Moskauer Higher School of Economics, beruht die Empörung der westlichen Staaten auf der Tatsache, dass Russland nun ebenfalls Sanktionen gegen einzelne Personen verhänge. Ein Recht auf eine solche symmetrische Antwort wolle die EU Moskau jedoch nicht zugestehen, so der Wissenschaftler. Seiner Ansicht nach zeuge die unerwartet große Empörung der EU über Russlands „Schwarze Liste" von einer fehlenden Bereitschaft der EU und der USA „mit Russland einen Dialog auf Augenhöhe" zu führen. „Sie sind dazu nicht bereit, sie wollen es nicht und sind nicht damit einverstanden. Sie denken, dass man mit Moskau nur die Sprache von Ultimaten, Skandalen und Forderungen sprechen sollte", meint er. Die Reaktion Russlands habe die EU überrascht, die sich plötzlich selbst von Sanktionen betroffen sah, obwohl sie sich für „die Bewahrerin der wichtigsten Werte der Welt" halte, so Susdalzew.
Andrej Kortunow, Vorsitzender des Russischen Rates für Internationale Angelegenheiten, findet, dass der Einsatz dieser Listen in der Politik zwar eine Reihe von Fragen zu dem Verfahren, den Kriterien und den Bedingungen einer möglichen Streichung von der Liste aufwerfe. Dennoch sei es „ein wenig heuchlerisch", die Russische Föderation in diesem Fall zu beschuldigen, denn Moskau habe nicht mit der Erstellung von Listen angefangen. Viele der Fragen, die die Europäer nun an Russland richten, müssten sie sich zunächst einmal selbst stellen, findet Kortunow.
Auf der Liste stehen keine Staatsbürger aus europäischen Ländern, die für eine gemäßigtere Position gegenüber der russischen Politik bekannt sind. Zu ihnen zählen unter anderem Zypern, Ungarn, Österreich und Griechenland. „Das ist ein Signal aus Moskau an jene Länder, mit denen Russland weiterhin gute Beziehungen unterhält", sagt Kortunow. Igor Bunin, Leiter des russischen Zentrums für Polittechnologien, sieht die russische „Schwarze Liste" als Beweis dafür, dass Moskau sich bei Ländern, die eine größere Offenheit gegenüber Russland zeigten, seinerseits entgegenkommend zeige. „Diese Länder sind von russischen Sanktionen weniger betroffen", sagt Bunin.
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