ESC-Ausgang: Stimmen aus Russland und der Ukraine

AP
Während die Ukraine ihren ESC-Erfolg feiert, zweifelt die russische Fangemeinde an der Fairness der Jury-Ergebnisse. RBTH geht der Frage auf den Grund, wie Politiker, Künstler und Experten den Ausgang des Contests bewerten.

Seit der Nacht von Samstag auf Sonntag steht es fest: Die ukrainische Sängerin Jamala mit ihrem Song „1944“ ist die Gewinnerin des diesjährigen ESC.

Entgegen den Prognosen der Wettbüros nahm der russische Favorit Sergey Lazarev mit „You Are The Only One“ in Stockholm nur den dritten Platz ein – trotz der meisten Zuschauerpunkte. Das Gesamtergebnis ergab sich in der Summe aus der Zuschauersympathie und der Jurywertung.

Russische Reaktionen

Europas wichtigster Songcontest mache sich keine Mühe mehr, wenigstens so zu tun, als ob er nicht politisiert sei, hieß es angesichts der Ergebnisse in Russlands Medien und sozialen Netzwerken. „Die Zuschauer haben endlich verstanden, dass nicht alles von ihnen abhängt“, kommentierte Lazarev den Ausgang des Contests gegenüber dem Life-Magazin. Für ihn sei es eine Überraschung gewesen, „dass einige Länder bei der Jurywertung boykottiert wurden“, sagte er.

Foto: Andres Puting / EBUFoto: Andres Puting / EBU

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, spottete, im nächsten Jahr könne man mit einem Song über den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad auftreten. Den passenden Refrain hatte sie auch parat: „Assad bloody. Assad worst. Give me prize, that we can host.“ Wer die Herzen des Publikums mit diesen eingängigen Reimen im nächsten Jahr für sich gewinnen soll, ließ die Ministeriumsvertreterin indes offen.

Der russische Vizepremier Dmitri Rogosin schlug Sergei Schnurow, den für seine deftige Performance und derben Texte bekannten Frontman der Band „Leningrad“, als einen Kandidaten für den nächsten ESC vor. „Ob er gewinnt, sei dahingestellt. Jedenfalls macht er sie alle ordentlich zur Sau“, twitterte Rogosin. „So weit ist es mit uns also gekommen“, entgegnete Schnurow auf Instagram. „Als ob von 140 Millionen Bürgern nur einer sie ordentlich zur Sau machen könnte. Und das schreibt der Vize-Premier einer atomaren Großmacht“, scherzte der Sänger.

Die berühmte Produzentin Jana Rudkowskaja, die dem russischen Sänger Dima Bilan beim Eurovision-Contest 2008 zum Sieg verholfen hatte, rief dazu auf, eine Beschwerde an die Europäische Rundfunkunion zu richten und die Regeln des Contests zu ändern. „Es ist unklar, nach welchem Prinzip die Jury abstimmte, wenn 21 Länder uns null Punkte gegeben haben. Bei den Zuschauern erhielten wir aber die meisten Punkte“, sagte sie im Interview mit der Zeitung Komsomolskaja prawda. Man brauche Stimmzettel mit klar formulierten Kriterien, etwa Stimme, Performance, Darstellung, meint Rudkowskaja.

Reaktionen in der Ukraine

Jamalas Sieg wurde in der Ukraine bejubelt. „Die ganze Ukraine dankt dir herzlich, Jamala!“, schrieb der Präsident Poroschenko bei Facebook. Der ehemalige Premier des Landes Arsenij Jazenjuk erklärte: „Die Ukraine gewinnt und wird weiterhin gewinnen. Die Krim wird ukrainisch sein!“

Einige ukrainische Beobachter meinen, Jamalas Erfolg sei keineswegs mit Politik verbunden. „Der Sieg ist nicht politisiert, er ist ehrlich und verdient. Das ist nationale, kulturelle Diplomatie“, erklärte der Politologe Wladimir Fessenko gegenüber der Nachrichtenagentur UNN.

Jamalas erster Platz sorgte für einen Sturm der Aufrufe zur Wiederherstellung der ukrainischen Hoheit auf der Krim. Die Ansicht, dass die Krim Ukraine sei, äußerten neben dem Ex-Premier der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin, der Madschlis-Chef Refat Tschubarow und weitere Politiker des Landes.

Der Rada-Abgeordnete und Journalist Mustafa Najem schrieb bei Facebook: „Der Gipfel der Gerechtigkeit wäre es, die nächste Eurovision in Jamalas historischer Heimat – auf der ukrainischen Krim – zu veranstalten.

Skandal vorprogrammiert?

Der nächste Eurovision-Songcontest findet in der Ukraine statt. Eine für Russland wichtige Frage ist, wer von den russischen Sängern überhaupt ins Land einreisen darf. Zahlreichen russischen Künstlern ist die Einreise aufgrund deren Zustimmung zur Eingliederung der Krim und der Unterstützung aufständischer Donbass-Republiken verwehrt. In einem Radio-Interview sagte der Rada-Abgeordnete Anton Geraschtschenko, dass nur Sänger an dem Wettbewerb teilnehmen könnten, die die Krim nicht für russisch halten.

Der Kreml indes appellierte daran, Aufregung wegen des nächsten ESC zu vermeiden. „Das ist ein internationaler Contest, es gibt Auswahlregeln, sie sind für alle Länder einheitlich und Kiew wird das berücksichtigen müssen“, sagte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. 

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