Russische Experten: Österreich hat den Kreml enttäuscht

Alexander Van der Bellen.

Alexander Van der Bellen.

EPA / Vostock-photo
Der Politiker der rechtspopulistischen FPÖ Norbert Hofer ist nicht der neue Bundespräsident Österreichs geworden. Eine Enttäuschung für den Kreml: Dieser hatte gehofft, dass Wien mit Hofer seine Position bezüglich des Status der Krim ändern würde.

Es war eine knappe Entscheidung: Mit nur 50,3 Prozent wurde der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen Österreichs neuer Bundespräsident.Trotz der Anti-Flüchtlings-Stimmung im Land hätte ein potenzieller Sieg des 45-jährigen rechtspopulistischen Norbert Hofer den Wählern Angst gemacht, meinen russische Experten. Sie hätten daher den 72-jährigen Wirtschaftsprofessor Van der Bellen bevorzugt, der nie müde wurde zu ermahnen, dass einst „der Wahnsinn des Nationalismus“ zu den Gräueln des Zweiten Weltkriegs geführt hatte.

Der „Chirac-Effekt“ ist verpufft

Der Politologe Oleg Bondarenko glaubte an einen sicheren Sieg Hofers, konnte dieser im ersten Wahlgang doch einen ernsthaften Vorsprung zu seinem Gegner verbuchen. Die Tatsache, dass der Rechtspopulist im zweiten Wahlgang nur knapp verlor, zeuge davon, dass der „Chirac-Effekt“ nicht mehr wirke, sagte der Experte der Online-Zeitung Gaseta.ru.

Bondarenko erinnert an die Präsidentschaftswahlen 2002 in Frankreich, als der damalige Amtsinhaber Jacques Chirac und der rechtsextreme Jean-Marie Le Pen in die zweite Wahlrunde einzogen. Damals prangerte Chirac die Fremdenfeindlichkeit seines politischen Gegners an, mobilisierte so Stimmen verschiedenster politischer Kräfte und gewann schließlich mit über 80 Prozent der abgegebenen Stimmen. In Österreich, so meint Bondarenko, zeige sich, dass die rechtsextreme Rhetorik die Europäer zwar immer noch abschrecke, doch inzwischen in viel geringerem Ausmaß.

Norbert Hofer. Foto: EPA / Vostock-photoNorbert Hofer. Foto: EPA / Vostock-photo

Die Situation offenbare, wie enttäuscht die Wähler von den traditionellen österreichischen Parteien seien, der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) und der Volkspartei (ÖVP), die im Land viele Jahre an der Macht waren. Die Grünen wurden dabei eher zufällig zu Gegnern der rechtspopulistischen FPÖ, wie Bondarenko anmerkt: „Man dachte, ihre Zeit sei längst vorbei, da werden sie auf einmal zu den wirklichen Liberalen. Wenn die Anti-Flüchtlings-Stimmung wächst, werden die Grünen noch zu den lautesten Globalisierungsgegnern“, überlegt der Experte.

Trotz der Niederlage des rechtspopulistischen Hofer ist der Sieg von Van der Bellen ein Sieg der Protestwähler, sagt Wladislaw Below, Leiter des Zentrums für Deutschlandstudien am Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften. „Die Grünen haben die Proteststimmungen präziser ausgedrückt“, meint er.

Trügerische Hoffnungen

Hofers Niederlage ist indes eine Enttäuschung für die politische Elite in Russland. Denn in den Euroskeptikern und Rechtspopulisten sehen sie vorübergehende Partner, während die Sanktionspolitik der Europäischen Union gegenüber Russland anhält. Wie eine kremlnahe Quelle Gaseta.ru mitteilte, habe Moskau erwartet, dass ein österreichischer Präsident Hofer die Position bezüglich der Zugehörigkeit der Krim ändern würde.

Eine falsche Hoffnung, wie der Leiter des Zentrums für Deutschlandstudien Below entgegnet: Die Mehrheit der europäischen Politiker, die in der Vergangenheit Verständnis für Russlands Position geäußert hätten, würde eine Eingliederung der Halbinsel in die Russische Föderation im Grunde ablehnen. „In dieser Sache findet Russland kaum mehr Freunde“, meint der Experte.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Gazeta.ru

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