Wird Netanjahu zum Russland-Türkei-Vermittler?

Der russische Präsident Wladimir Putin und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Der russische Präsident Wladimir Putin und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Mikhail Metzel / TASS
Moskau und Ankara mäßigen ihre Rhetorik. Ermöglicht das einen neuen Dialog zwischen den beiden Seiten? Der israelische Ministerpräsident könnte in dieser Frage eine wichtige Rolle spielen.

Vor Kurzem hielt sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu einem Besuch in Moskau auf. Offizieller Grund für die Visite war das 25-jährige Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Allerdings glauben einige Experten an eine inoffizielle Agenda: Russland und die Türkei suchen einen Vermittler zur Wiederherstellung ihrer Beziehungen und Israel eignet sich hervorragend für diese Rolle.

Die Gemüter beruhigen sich

In letzter Zeit war sowohl die Rhetorik Moskaus als auch die Ankaras etwas gemäßigter, eine Annäherung scheint wieder möglich. So trat der russische Präsident Wladimir Putin während seines Besuchs in Griechenland am 27. Mai vollkommen unerwartet mit der Ankündigung auf, die Beziehungen mit der Türkei wieder aufnehmen zu wollen.  

„Wir haben keine Entschuldigung gehört. Wir haben auch nichts von der Bereitschaft gehört, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen“, betonte Putin, der dann aber erklärte: „Wir haben von dem Wunsch gehört, die Beziehungen wieder aufzunehmen. Auch wir möchten die Beziehungen wieder aufnehmen.“

Er ließ sich die Gelegenheit jedoch nicht nehmen, noch einmal zu unterstreichen, wer für den aktuellen Zustand der Beziehungen verantwortlich ist: „Nicht wir haben sie zerstört. Wir haben alles unternommen, um die russisch-türkischen Beziehungen während der vergangenen Jahrzehnte auf ein bis dahin noch nie da gewesenes Niveau der Partnerschaft und Freundschaft anzuheben.“

Auf Putins Angebot reagierte Ankara drei Tage später: Am 30. Mai unterbreitete der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu den Vorschlag, eine Arbeitsgruppe zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen zu bilden. Das lehnte der Kreml jedoch ab, mit der Begründung, eine Arbeitsgruppe löse keine Probleme, dies könne nur die türkische Regierung selbst.

Die Antwort des türkischen Präsidenten Recep Erdoğan folgte prompt. In einer Fragerunde mit Journalisten erklärte er: „Ich kann mir nur schwer vorstellen, welche ersten Schritte Russland von uns erwartet. Als Staat haben wir keine Schuld auf uns geladen. Wir wollen unsere Beziehungen mit Russland weiterentwickeln“.

Seine Aussage sorgte in Moskau für Verwunderung. Dmitrij Peskow, Pressesprecher des Kremls, erinnerte umgehend an die Forderungen Moskaus: eine Entschuldigung, eine Entschädigung und eine Bestrafung der Schuldigen.

„Moskau hat seine Position klar und deutlich herausgestellt“, findet auch Viktor Nadeïn-Rajewski, Türkei-Experte und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften. „Die Türkei muss sich nach diesen Forderungen richten.“

Zwar suche Ankara aktiv nach einem Ausweg, um die Beziehungen zu normalisieren. Doch er bezweifelt, dass die türkische Seite tatsächlich einlenken wird. „Die Türken sind sehr stark daran interessiert, die Beziehungen mit Russland wiederherzustellen. Sie erleiden große wirtschaftliche Verluste, besonders in der Landwirtschaft und im Tourismus. Aber ich denke nicht, dass Erdoğan sich persönlich entschuldigen wird. Das würde seinem Image sehr schaden.“ Ohne Entschuldigung habe es jedoch keinen Sinn, über eine Normalisierung der Beziehungen zu sprechen, fügt Nadeïn-Rajewski hinzu.

Israel ist nicht der ideale Kandidat für die Rolle des Vermittlers

Über Vermittler bei der Beilegung des russisch-türkischen Konflikts wurde schon viel gesprochen. Als potenzielle Kandidaten waren bereits der aserbaidschanische Präsident Ilcham Alijew, der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch. Nun also ist die Rede von Netanjahu.

Doch von dieser Idee halten die befragten Experten wenig. „Die Auswahl Netanjahus als Vermittler folgt überhaupt keiner Logik“, sagt Nadeïn-Rajewski. „Die Türkei und Israel benötigen selbst einen Vermittler. Sie haben ihre Beziehungen immer noch nicht hundertprozentig wiederhergestellt“, erklärt er.

Die bilateralen Beziehungen hatten sich nach dem Ship-to-Gaza-Zwischenfall im Mai 2010 deutlich verschlechtert. Damals wollte ein türkischer Konvoi Hilfsgüter in den belagerten Gazastreifen bringen. Beim Versuch, die Blockade zu durchbrechen, wurde er von israelischen Grenzstreitkräften beschossen. Acht Türken kamen ums Leben.

„Das Gerede von Netanjahu als Vermittler ist lediglich eine Fantasie der Journalisten und mehr nicht“, folgert Nadeïn-Rajewski. Der türkische Analyst und Leiter des Zentrums für strategische Kaukasusforschung Hasan Oktay ist jedoch anderer Meinung: Er kann sich Israel sehr gut als Vermittler bei der Beilegung des russisch-türkischen Konflikts vorstellen.

Wie der Fachmann anmerkt, wurde erst am 7. Juni Yıldırım Tuğrul Türkeş zum türkischen Vize-Ministerpräsident ernannt – ein Politiker, der durch seine guten Kontakte zu Israel bekannt ist. „Israel kann durchaus als Vermittler fungieren. Ein solcher Schritt würde die Sicherheit in der Region gewährleisten, und sowohl Russland als auch die Türkei können durch diese Vermittlerrolle nur gewinnen“, meint Oktay.

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