Wie der Kreml für saubere Duma-Wahlen sorgen will

Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Ella Pamfilowa.

Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Ella Pamfilowa.

Yury Martyanov/Kommersant
Zweifel am Ergebnis der letzten Duma-Wahlen trieb Tausende Menschen auf die Straße. Noch einmal will der Kreml solche Szenen nicht erleben. Deshalb hat die Regierung Schritte unternommen, die für ehrliche und transparente Wahlen sorgen sollen.

In Russland hat der Wahlkampf für die Parlamentswahlen am 18. September begonnen. Die Regierung scheint um kaum etwas anderes besorgt zu sein als darum, dass die Wahlen in diesem Jahr ehrlich und transparent verlaufen. „Sie verstehen sehr gut, wie wichtig es ist, dass dieser Wahlkampf ohne Verstöße abläuft“, mahnte Russlands Präsident Wladimir Putin. Und die neugewählte Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Ella Pamfilowa versprach, der Prozess werde „nicht so sein wie zuvor“, und erklärte zurückzutreten, sollte es wieder zu Massenprotesten kommen wie im Jahr 2011. Damals war von massiven Wahlfälschungen die Rede.

Die enorme Sorge um legitime Wahlen ist verständlich: Der ohnehin durch die Wirtschaftskrise gebeutelte Wähler soll bloß nicht noch mehr erzürnt werden. Eine Wiederholung der Proteste von vor fünf Jahren kann die Regierung gegenwärtig absolut nicht gebrauchen. Aber egal, ob es die Regierung wirklich ehrlich meint oder lediglich versucht, den Anschein zu wahren – den Aufwand, den sie betreibt, ist enorm.

Wahlleiterin mit Mission

Der symbolträchtigste Schritt des Kremls ist wohl die Neubesetzung der Chefposition der Zentralen Wahlkommission. Es war offensichtlich, dass mit dem früheren Vorsitzenden Wladimir Tschurow und seiner nicht zweifelsfreien Reputation an ein ehrliches Wahlergebnis nicht zu glauben gewesen wäre.

An seine Stelle in der Zentralen Wahlkommission wurde die Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation, Ella Pamfilowa, gesetzt, die sogleich als „zielgebundene“ Vorsitzende bezeichnet wurde. Ihre erste Amtshandlung Ende März 2016 war die Annullierung der Kommunalwahlen im Moskauer Vorort Barwicha – diese hatten wegen weitreichender Wahlfälschungen für Schlagzeilen gesorgt. So wie in Barwicha werde es nirgendwo wieder laufen, versicherte Pamfilowa.

Inzwischen glauben Beobachter allerdings, dass Ella Pamfilowa der Regierung einige Kopfschmerzen bereiten könnte. „Sie möchte eine wesentlich unabhängigere Figur als Tschurow sein und passt die Hierarchien in ihrer Behörde an ihre Bedürfnisse an“, meint Pawel Salin, Direktor des Zentrums für politische Forschungen der Finanzuniversität bei der Regierung der Russischen Föderation, zu RBTH.

Niedrigere Prozenthürde für Parteien

Eine weitere Maßnahme zur Verbesserung der politischen Atmosphäre war die Absenkung der Wahlhürde für die Parteien in der Staatsduma von sieben auf fünf Prozent. Allerdings ist diese nicht neu im Vorfeld der Wahlen eingeführt worden, sondern bereits 2011, um die Demonstranten von der Straße zu holen.

Nun könnte die herabgesetzte Hürde eigentlich dafür sorgen, neuen Parteien den Weg in die Staatsduma zu ebnen. Doch das Interesse der Wähler sinkt kontinuierlich – derzeit noch mehr als zu Beginn des Jahres. Und von denen, die wählen gehen wollen, ist jeder Zweite für die Regierungspartei Einiges Russland.

Berücksichtigt man diesen Fakt, sind die Chancen für außerparlamentarische Parteien, in der neuen Legislaturperiode in das Parlament einzuziehen, nicht sehr groß. Im besten Falle wird es nur eine Partei schaffen, was für die Regierung jedoch eher von Vorteil wäre, wie der Leiter der unabhängigen Politischen Expertengruppe Konstantin Kalatschow vermutet: „Ob das nun die demokratische Partei Jabloko oder eine andere sein wird – das Entscheidende ist, dass ein neuer Akteur in die Duma gelangt, was das Wahlergebnis legitimieren würde“, sagt er.

Teilnahme von Direktkandidaten

Eine Veränderung gab es auch beim Wahlsystem selbst – anstelle des proportionalen kommt in Russland nun ein gemischtes System zum Einsatz. Die Hälfte der Kandidaten gelangt über die Parteiliste ins Parlament, die andere über ein Direktmandat. Dadurch stehen bei diesem Wahlkampf nicht die Parteien im Vordergrund, die Aufmerksamkeit richtet sich vielmehr auf den Wettstreit zwischen konkreten Personen.

Die Direktkandidaten sind unabhängiger vom Staat als die Listenkandidaten, und mit ihnen muss man rechnen. Das sei Wettbewerb, und wo es Wettbewerb gebe, sei die Kontrolle des Wahlablaufs viel stärker, betont Konstantin Kalatschow.

Debatten und Vorwahlen

Zudem hat die Staatsduma eine neue Norm eingeführt: obligatorische Wahlkampfdebatten für alle Kandidaten nach dem Motto „Sprich oder geh“. Allerdings ist das Interesse dafür in Russland sehr gering: Die Einschaltquoten bei den politischen Debatten auf den staatlichen Fernsehsendern sind nur etwa halb so hoch wie die durchschnittlichen Quoten von Fernsehshows und Serien. „Diese Formate haben noch keinen Einzug in unsere Kultur gefunden“, bemerkt Salin. Dennoch zeigten diese Vorgaben, so der Experte, dass die Regierung eine enge Beziehung mit der Öffentlichkeit demonstrieren wolle.

Das Gleiche gilt für die nationalen Vorwahlen, die die Regierungspartei erstmals in diesem Jahr durchführte – damit war sie die einzige Partei. Die anderen konnten sich nicht dazu aufraffen, diese Art von Wahl-Generalprobe durchzuführen, womit sie Einiges Russland einen klaren Vorteil verschafften. Das Kalkül hinter den Vorwahlen ist simpel: Sie sollen die Klüngelei hinter verschlossenen Türen bei der Aufstellung der Parteilisten vermeiden und so ebenfalls für mehr Transparenz und Vertrauen sorgen.

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