Streit im IWF: Warum Russland der Ukraine kein Geld geben will

Die Ukraine wird trotz offener Kredite erneut mit Darlehen unterstützt.

Die Ukraine wird trotz offener Kredite erneut mit Darlehen unterstützt.

Reuters
Der Internationale Währungsfonds (IWF) gewährt der Ukraine weitere Milliardenkredite. Russland stimmte gegen die Vergabe, denn Kiew steht bei der Russischen Föderation noch mit fast drei Milliarden Euro in der Kreide. Doch gegen die übermächtigen USA kam die russische Stimme nicht an.

Am vergangenen Mittwoch tagte der Verwaltungsrat des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Ukraine kann sich auf neue Finanzhilfen freuen: Kredite in Höhe von 15,7 Milliarden Euro wurden ihr bewilligt. Rund sechs Milliarden Euro Hilfen hat die Ukraine bislang schon in zwei Tranchen erhalten, auf die Auszahlung der dritten wartet sie noch. Russland sprach sich gegen weitere Darlehen für die Ukraine aus.

Der russische Finanzminister Alexej Siluanow erklärte zuvor, die Kreditvergabe an die Ukraine verstoße gegen die Regeln des IWF, weil Kiew gegenüber Moskau mit einem Darlehen im Zahlungsverzug sei. Das russische Finanzministerium hat im Dezember 2013 ukrainische Staatsanleihen im Wert von rund 2,7 Milliarden Euro erworben. Seit dem Sturz des Präsidenten Janukowitsch verweigern die neuen Kiewer Machthaber die Rückzahlung des Darlehens.

Gegen die Regeln

Nun finanziere der IWF mit der Ukraine einen zahlungssäumigen Staat. Das verstoße gegen die üblichen Regeln und Grundsätze des IWF, kritisiert auch Leonid Grigorjew vom Analyse-Zentrum der russischen Regierung.

Die Ukraine profitierte von den Stimmverhältnissen im IWF. Eine einfache Mehrheit im Verwaltungsrat war ausreichend, um den Kredit abzusegnen. Die Stimme eines Landes wird nach dem Umfang seiner Beiträge zum Fond-Budget gewichtet. Demnach dominieren die USA mit 16,54 Prozent der Stimmen den Verwaltungsrat. Russlands Stimme zählt hingegen nur 2,6 Prozent, wie Sergej Chestanow, Finanzmarkt-Experte der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und öffentlichen Dienst, erklärt. Leonid Grigorjew ergänzt: „Selbst wenn alle Brics-Staaten gegen die dritte Tranche gestimmt hätten, wäre das nicht genug, um die Auszahlung zu verhindern.“ 

Dieses Ungleichgewicht wollte das Gremium schon einmal beheben. Die vorherige IWF-Führung hatte eine Reform angestrebt, um den Stimmenanteil der Schwellenländer zu erhöhen. Die Staats- und Regierungschefs der G-20-Länder einigten sich im Jahr 2010, die Anteile der Industrieländer zu reduzieren. Doch der US-Kongress verhinderte das Reformvorhaben 2013. Russland habe also de facto keine Hebel, um IWF-Entscheidungen zu blockieren, stellt Finanzexperte Chestanow fest.

Gerichtsverfahren

Traditionell knüpft der IWF seine Kredithilfen an die Verpflichtung für Strukturreformen, unter anderem zur Marktliberalisierung. Laut Chestanow forderte der Fonds von der Ukraine in den letzten 20 Jahren die Freigabe der Landeswährung Hrywnja und die Erhöhung der Öl- und Gastarife für die Verbraucher im Inneren: „Mehrere Regierungsgenerationen in der Ukraine subventionierten praktisch die Energiepreise für Bürger und Unternehmen. Das hat maßgeblich zum Wachstum der Staatsschulden beigetragen.“

Leonid Georgjew ist jedoch überzeugt, dass die IWF-Gelder der ukrainischen Regierung und nicht der Wirtschaft des Landes zugutekommen werden: „Die Summe ist nicht sehr groß und wird für die laufenden Ausgaben der Regierung verwendet, vielleicht auch für Gasankäufe, um den Winter zu überstehen“, glaubt der Analyst.

Moskau versucht gegenwärtig, die Ukraine gerichtlich zur Rückzahlung ihrer Schulden zu verpflichten. Die Klage ist beim Londoner High Court bereits eingereicht, die Prozesseröffnung ist für Januar nächsten Jahres angesetzt. Eine baldige Streitbeilegung ist jedoch nicht in Sicht: „Aller Erfahrung nach werden solche Konflikte nur langsam gelöst, innerhalb der nächsten fünf Jahre sind Fortschritte kaum zu erwarten“, schätzt Sergej Chestanow.

Dabei gibt es bereits einen Präzedenzfall: Im Jahr 1997 zahlte Russland die Kredite des Russischen Reichs an England, Frankreich und Belgien zurück, die das Imperium vor der Oktoberrevolution aufgenommen hatte. Die Sowjetunion hatte sich geweigert, die Verpflichtungen aus Zarenzeiten zu bedienen. Das Vorgehen der Ukraine sei damit vergleichbar: „Die heutige Regierung in Kiew weigert sich, die Verpflichtungen ihrer Vorgänger zu übernehmen“, bringt es Chestanow auf den Punkt.

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