Aufarbeitung des Euromaidan: Wiktor Janukowitsch sagt aus

Ein Kiewer Gericht befragte den Ex-Präsidenten per Videoschalte.

Ein Kiewer Gericht befragte den Ex-Präsidenten per Videoschalte.

RIA Novosti
Wiktor Janukowitsch, ehemaliger ukrainischer Präsident, wurde im Februar 2014 gestürzt und floh außer Landes. Nun hat er vor einem Kiewer Gericht zu den damaligen Ereignissen ausgesagt. Die Schuld für die Gewalt und den bis heute andauernden Bürgerkrieg schob er dabei ausschließlich seinen Opponenten zu.

Wiktor Janukowitsch verließ die Ukraine im Februar 2014 und suchte in Russland Asyl. Seitdem hält er sich im südrussischen Rostow am Don auf. In der Ukraine ist er seitdem nicht mehr gewesen.

Letzten Montag befragte ein Kiewer Bezirksgericht den Ex-Präsidenten zum Tod von Demonstranten in der ukrainischen Hauptstadt am 20. Februar 2014. Der ehemalige Staatschef machte seine Aussage von Russland aus – per Videoschalte. Im Prozessverlauf hat der ukrainische Generalstaatsanwalt Juri Luzenko erklärt, Janukowitsch sei nicht nur Zeuge, sondern auch ein Verdächtiger: Ihm werde Landesverrat vorgeworfen.

„Es waren inszenierte Verhandlungen“

Die Massenproteste auf dem Kiewer Maidan-Platz begannen im November 2013, nachdem Janukowitsch sich geweigert hatte, ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen. Dem Präsidenten wurde vorgeworfen, er habe die Unterzeichnung auf Russlands Druck ausgesetzt.

Auf die Frage des Staatsanwaltes, warum er die europäische Integration der Ukraine stoppen ließ, sagte der ehemalige Präsident, das Abkommen hätte überarbeitet werden müssen, um den Außenhandel nicht zu gefährden. Für ihn wäre es von Vorteil gewesen, das Abkommen zu unterzeichnen, um sich dadurch eine zweite Amtszeit zu sichern. Dem Land aber wäre es durch die Unterzeichnung nicht bessergegangen, betonte Janukowitsch vor Gericht.

Zu den Verhandlungen mit der Opposition, die von November bis Februar parallel zu den Protesten auf dem Maidan stattfanden, sagte Janukowitsch: „Das war eine Inszenierung. Sie wollten nur Zeit gewinnen.“ Er habe vorgeschlagen, gemeinsam mit der Opposition eine neue Koalitionsregierung zu bilden. Dieses Angebot sei jedoch ausgeschlagen worden.

„Es gab keinen Schießbefehl“

Mit den blutigen Auseinandersetzungen im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt vom 18. bis 21. Februar habe er nichts zu tun gehabt, beteuerte Janukowitsch. „Ich konnte keinen Befehl zum Blutvergießen unterzeichnen“, sagte er wörtlich. „Sollen sich doch die Anführer der Maidan-Bewegung dafür verantworten, wohin sie das Land geführt haben.“

Er sei darüber informiert worden, dass von durch Protestierende besetzten Gebäuden aus geschossen werde. Die Sicherheitskräfte der Regierung hätten hingegen gesetzestreu und ohne Waffengewalt gehandelt. Überhaupt wäre es für ihn als Präsidenten nachteilig gewesen, das Feuer auf die Menschen zu eröffnen, wie Janukowitsch unterstrich. Die Schüsse seien eine Provokation gegen ihn und gegen die Regierung gewesen. „Ich habe alles getan, um diese Tragödie zu verhindern“, sagte er zu den anwesenden Opfern und den Hinterbliebenen der Toten.

„Man wollte mich rechtwidrig festnehmen“

Dass er während der Proteste auf dem Maidan Anweisungen aus Moskau erhalten habe, bestritt Janukowitsch vehement. Mit Wladislaw Surkow, dem Berater des russischen Präsidenten, habe er sich ebenfalls nicht getroffen. Dieser soll die Ukraine Zeitungsberichten zufolge während der Proteste besucht haben.

Nachdem die Protestierenden das Kiewer Regierungsviertel eingenommen hatten, flüchtete Janukowitsch in den Osten des Landes und von dort aus weiter nach Russland. Ein Verbleib in der Ukraine wäre nicht nur für sein Leben, sondern auch für das Leben anderer Menschen gefährlich gewesen, sagte der ehemalige Staatschef. Dabei habe es Versuche gegeben, ihn an der Ausreise aus der Ukraine zu hindern: „Man wollte mich rechtwidrig festnehmen. Und als ich schon in der Luft war, haben sie versucht, Jagdflugzeuge loszuschicken“, sagte er.

Er sei gegen das Referendum über den Anschluss der Krim an Russland gewesen. Den Verlust der Halbinsel hätten jedoch die neuen Machthaber zu verantworten, nicht er, so Janukowitsch.

„Es gibt gute Gründe für den Vorwurf des Landesverrats“

Die neue Kiewer Führung glaubt dem ehemaligen Präsidenten indes nicht. Sie wirft ihm Verrat vor: „Alles was er konnte, war eine Rede halten, die man für ihn geschrieben hat“, sagte der ukrainische Staatsanwalt Alexej Donskoj laut Gazeta.ru. Donskoj fragte Janukowitsch im Verlauf dessen Aussage, ob dieser Wladimir Putin wirklich gebeten habe, die russische Armee in der Ukraine einzusetzen, wie der russische UN-Botschafter Witalij Tschurkin im März 2014 erklärt hatte. Zu dieser Frage schwieg der ehemalige Staatschef.

Der stellvertretende Chefredakteur des Onlineportals polit.ru, Boris Dolgin, sagte in einem Interview mit „KommersantFM“, die Ukraine habe guten Grund, Janukowitsch Landesverrat vorzuwerfen: „Stellen Sie sich vor, ein russischer Staatsbürger würde ausländische Streitkräfte dazu aufrufen, auf russischem Boden zu intervenieren. Die russischen Sicherheitsbehörden würden das höchstwahrscheinlich auch negativ auslegen.“

Dmitrij Drise, Politikexperte von „KommersantFM“, ist der Ansicht, dass Janukowitsch nichts Neues zu sagen gehabt habe. Man nehme Janukowitsch weder in Kiew, noch in Moskau ernst, sagte er. Hin und wieder durch Auftritte auf sich aufmerksam zu machen, sei alles, was dem Ex-Präsidenten noch bleibe: „Nach seinem Auftritt im Gerichtssaal verschwindet Janukowitsch wieder in der politischen Versenkung. Und die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine bleiben in der Sackgasse“, resümierte der Beobachter.

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