Ein irakischer Soldat geht durch ein infolge eines Lunftangriffes zerbombtes Haus in Mosul.
ReutersAbu Bakr al-Baghdadi, Anführer der dschihadistisch-salafistischen Terrororganisation Islamischer Staat (IS), hat nach Informationendes irakischen Fernsehsenders „Al Sumaria“ in den letzten Tagen eine „Abschiedsansprache“ veröffentlicht. Darin soll er die Niederlage des IS im irakischen Mosul, in dem die irakische Armee mit Unterstützung der USA gegen den IS kämpft, eingestanden und seine Anhänger dazu aufgerufen haben, die Stadt zu verlassen oder aber als Märtyrer zu sterben.
Die „Ansprache“ al-Baghdadis wird jedoch zurückhaltend aufgenommen. Es sei nicht typisch für den IS, Niederlagen einzugestehen,merken Experten an. Wahrscheinlich habe die Regierung des Irak gezielt Desinformationen streuen wollen, um die Moral der IS-Kämpfer zu erschüttern. Dennoch steht es mittlerweile schlecht um das terroristische „Kalifat“.
Gemeinsam mit ihren westlichen Verbündeten drängt die irakische Armee den IS aus deren „Hauptstadt“ Mosul. Im Januar hatte die Regierung die Kontrolle über den Osten der Stadt errungen. Inzwischen haben sich die Kämpfe in den westlichen Teil Mosuls verlagert, wo die Regierungstruppen langsam aber sicher Stadtbezirk um Stadtbezirk einnehmen.
Gleichzeit muss der IS auch in Syrien Rückschläge einstecken. Am 23. Februar hatten türkische Truppen die Terrororganisation aus der Stadt al-Bab im Norden des Landes vertrieben, gestern konnte die syrische Armee mithilfe russische Truppen die Stadt Palmyrazurückerobern. Diese war im Dezember 2016 wieder an den IS gefallen.
Nach dem Luftangriff gegen ISIS am ersten März in Mosul. / Reuters
Ungeachtet der Rückschläge in Syrien und im Irak ist es jedoch noch zu früh, von einem Sieg über die Terroristen zu sprechen, sind sich Vertreter der Militärs und Experten einig. So bemerkte der Kommandeur der internationalen Operation gegen den IS im Irak und in Syrien, Generalleutnant Stephen J. Townsend, dass sich alleine in Mosul noch mindestens 2 000 Kämpfer der Organisation aufhielten und die Koalition mit erbitterten Kämpfen rechnen müsse.
„Ich glaube nicht an die Meldungen irakischer Medien, dass IS-Kämpfer ihre Stellungen massenhaft verlassen und flüchten würden“, sagt auch Grigorij Kosatsch, Professor am Lehrstuhl für zeitgenössische Probleme des Ostens der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität. Laut dem Experten beherrschen die Kämpfer den Häuserkampf: Sie legten unterirdische Tunnel an und stießen vollkommen unerwartet vor, selbst in jenen Stadtbezirken, die die Regierungstruppen bereits in ihre Kontrolle gebracht haben. „In Mosul kommt es noch immer zu verbitterten Kämpfen, und dies wird auch in Raqqa, der syrischen „Hauptstadt“ des IS, der Fall sein, sobald dessen Rückeroberung beginnt“, glaubt Kosatsch.
Das im Osten Syriens gelegene Raqqa ist nach dem Fall Mosuls die einzig verbleibende Hochburg des IS. Um diesen zu zerschlagen, müsste Raqqa eingenommen werden. Niemand der zahlreichen Widersacher des IS steht dafür allerdings zurzeit bereit. Die Stadt ließe sich am besten aus den nördlichen Teilen Syriens einnehmen, wo Türken und pro-kurdische Gruppierungen der Syrian Democratic Forces (SDF) gegen den IS kämpfen. Gegenwärtig sind diese beiden Lager allerdings mehr damit beschäftigt, sich gegenseitig zu bekämpfen.
Die türkische Armee marschierte im August 2016 in Syrien ein. Obwohl man offiziell das Ziel ausgibt, dem IS Einhalt gebieten zu wollen, vermuten Experten, dass das eigentliche Ziel der Türkei darin bestehe, eine kurdische Autonomie im Norden Syriens zu verhindern. Sobald der IS aus dem Norden Syriens vertrieben war, verkündete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, dass das nächste Ziel seiner Armee nicht Raqqa, sondern Manbidsch sein werde – die Stadt befindet sich unter der Kontrolle der SDF. Die Kurden sehen in den Türken Handlanger des IS und stellen sich dem Kampf.Dabei werden die syrischen Kurden, die in der SDF eine Schlüsselrolle spielen, von den USA unterstützt: Am Dienstag wurdebekannt, dass in der Nähe von Manbidsch eine US-amerikanische Spezialeinheit stationiert wurde. Die Situation ist angespannt und bringt die Türkei nicht nur an die Grenze zu einem militärischen Konflikt mit den Kurden, sondern auch mit den USA.
Die Mitglieder der irakischen Streitkräften mit einer ISIS-Flagge, nachdem sie die Terroristen in Mosul bekämpft haben. / Reuters
Anton Mardasow, Leiter der Abteilung für die Erforschung von Konflikten in Nahost am Institut für Innovationsentwicklung, merkt an, dass Russland sich in einer sehr heiklen Lage befinde und „zwischen drei Konfliktherden“ stünde. Das Land unterstützt gleichzeitig den syrischen Präsidenten Bashar Assad, unterhält gute Beziehungen mit der Türkei und versucht, einen Krieg zwischen der Türkei und den Kurden in Nordsyrien zu verhindern.
Mardasow erinnert an die gestrige Erklärung des SDF: Dieser verkündete, die Kurden hätten sich mit Russland darüber geeinigt, dass Truppen der Regierungsarmee einen „Puffer“ zwischen Manbidsch und der türkischen Armee bildeten. Nach Meinung Mardasows versuchten Russland und die USA, Türken und Kurden voneinander zu trennen, um sich über den Status Manbidschs zu einigen und im weiteren Verlauf den Fokus der türkischen Armee auf die Erstürmung Raqqas zu lenken.Gegenwärtig sei die Lage unklar: „Syrien wird natürlich ein Thema des Treffens zwischen Putin und Erdoğan am 9. März in Moskau sein. Bevor jedoch das Ergebnis dieser Verhandlungen feststeht, lassen sich nur schwer Schlussfolgerungen ziehen“. Unklar sei vorerst auch die Position der neuen US-Regierung, sagt Mardasow. „Bisher hat sich Donald Trump noch nicht zu dem ihm vom Pentagon vorgelegten Bericht über die Strategie zur Bekämpfung des IS geäußert. In jedem Falle ist mit der Zerschlagung des „Kalifats“ erst dann zu rechnen, wenn dessen zahlreichen Feinde ihre eigenen Konflikte zu lösen vermögen und ihre Anstrengungen auf den Krieg gegen den Terrorismus konzentrieren.“
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