Skandal um Eurovision Song Contest: Weist Kiew Russland ab?

Wird die 27-jährige Julia Samojlowa in Kiew auftreten dürfen?

Wird die 27-jährige Julia Samojlowa in Kiew auftreten dürfen?

Maria Antipina/TASS
Wieder einmal sorgt der Eurovision Song Contest für Spannungen zwischen Russland und der Ukraine. Kiew fühlt sich von der frisch gewählten russischen Kandidatin provoziert: Deren Besuch auf der Krim im Jahr 2015 stelle eine Grenzverletzung dar. Der 27-Jährigen droht damit ein Einreiseverbot.

Julia Samojlowa, die von Kindesalter an aufgrund einer Behinderung im Rollstuhl sitzt, wurde vom Fernsehsender Erster Kanal zu Russlands Vertreterin für den Eurovision Song Contest gewählt. Der Sender überträgt den traditionsreichen Gesangswettbewerb und schickt die russische Delegation in diesem Jahr nach Kiew.

Doch Samojlowas Wahl wurde in der Ukraine scharf kritisiert und noch am selben Tag als Provokation bezeichnet. Ukrainische Medien berichteten, die russische Sängerin habe im Jahr 2015 die Halbinsel Krim besucht – ohne Pass- und Zollabfertigung. Für Kiew untersteht die Krim der ukrainischen Gesetzgebung, weil es das Krim-Referendum vom März 2014 nicht anerkennt. Damals haben im Rahmen einer Volksabstimmung 96 Prozent der Wähler für einen Beitritt der Halbinsel zu Russland gestimmt. Kiew sieht den Krim-Besuch der Sängerin als Grenzverletzung, in solchen Fällen reagiert das Land gewöhnlich mit Einreiseverboten.

„Jeder war schon auf der Krim“

„Das Gesetz gilt für alle“, mahnte der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin, der hinzufügte, dass Russland seit vielen Jahren provoziere. Wie eine Sprecherin mitteilte, werde der ukrainische Sicherheitsdienst diese Angelegenheit prüfen und eine ausgewogene Entscheidung über die Einreise der Sängerin treffen.

Dem Parlamentsabgeordneten und Berater des ukrainischen Innenministers Anton Geraschtschenko reicht das nicht. „Die russische Propagandamaschine wird das ausnutzen: Seht, die Ukraine verweigert einer jungen körperlich behinderten Frau die Teilnahme an einem europäischen Musikwettbewerb“, schrieb Geraschtschenko auf seiner Facebook-Seite. Er fordert, die Sängerin einreisen zu lassen, um sie dann wegen Grenzverletzung zur Verantwortung zu ziehen.

Auch der Kreml schaltete sich ein. Er ließ durch Dmitri Peskow, dem Sprecher des russischen Präsidenten, mitteilen, die Krim zu besuchen, sei keine Provokation. „So gut wie jeder (Russe) war schon einmal auf der Krim. Es gibt niemanden, der noch nicht da war“, sagte Peskow und betonte, dass der ESC ein internationaler Wettbewerb sei, dessen Regeln geachtet werden müssten.

„Ich bin positiv eingestellt“

Die Frage, was Russland im Falle eines Einreiseverbots für Samojlowa tun werde, blieb vonseiten der russischen ESC-Delegation gegenüber RBTH unbeantwortet. Auch der Sender Erster Kanal wusste darauf keine Antwort.

Die 27-jährige Julia Samojlowa selbst gibt sich jedoch optimistisch. Die Sängerin glaubt nicht, dass es Probleme mit der Einreise geben wird: „Ich denke überhaupt nicht daran. Meine Aufgabe ist es, mich vorzubereiten und einen guten Auftritt hinzulegen. Ich probe sehr viel und bin absolut positiv eingestellt. Ich glaube, dass alles in Ordnung sein wird“, sagte Samojlowa.

Derweil schaukeln sich beide Seiten hoch. Während ukrainische Aktivisten auf der berüchtigten Webseite Mirotworez (zu Deutsch: „Friedensstifter“) – auf der regelmäßig Personen, die als Bedrohung für die nationale Sicherheit der Ukraine wahrgenommen werden, diskreditiert werden – persönliche Informationen über die russische Sängerin verbreiteten, teilte der umstrittene Duma-Abgeordnete Witali Milonow mit, er sei bereit, mit „unseren Kosaken“ nach Kiew zu fahren, um Samojlowa vor den Provokationen zu schützen.

Ein „feindliches System“ gegenüber Russland

Zurzeit ist die Situation verfahren. Auch Fachleute sind sich uneins, ob der russischen Teilnehmerin die Einreise in die Ukraine erlaubt sein wird oder nicht.

Michail Pogrebinski, Direktor des Zentrums für politische Studien in Kiew, geht eher von einer Teilnahme der Sängerin aus. Wie er RBTH erklärte, werde Kiew die Einreise nicht verbieten, weil es nicht von der „toleranten europäischen Gemeinschaft“ verurteilt werden möchte. Es würde nicht gut aussehen, eine behinderte junge Frau im Rollstuhl vom Wettbewerb auszuschließen. Ihre Sicherheit sieht der Experte aber nicht gefährdet, gleichwohl könne die Situation für die junge Sängerin psychologisch zur Belastung werden. Denn es gäbe eine Reihe von Aktivisten, die wenig tolerant seien, bemerkte Pogrebinski.

Von einer extremen Feindseligkeit spricht hingegen Alexei Sudin, Mitglied des Expertenrats am russischen Institut für sozioökonomische und politische Forschung. Er hält eine Einreisesperre für wahrscheinlich. Mehr noch: Selbst wenn Samojlowa die Krim nicht besucht hätte, wäre ein normaler Umgang mit ihr in der Ukraine nicht zu erwarten, gleichwohl es sich um eine junge behinderte Frau und nur um einen Musikwettbewerb handle. Denn die ukrainischen Behörden, so ist Sudin überzeugt, hätten schon lange ein offizielles System feindlicher Beziehungen zu Russland entwickelt.

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