Wahlen in Frankreich: Wer wäre besser für Russland?

Die bisherigen Nichtwähler könnten die zweite Runde entscheiden.

Die bisherigen Nichtwähler könnten die zweite Runde entscheiden.

Reuters
Bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich kommt es zur Stichwahl zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen. Trotz der besseren Ergebnisse sei ein Sieg Macrons noch nicht sicher, glauben russische Beobachter.

Der Mitte-Links-Politiker Emmanuel Macron und die Vorsitzende der rechtspopulistischen Front National Marine Le Pen ziehen mit 23,75 Prozent respektive 21,53 Prozent der Stimmen in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich ein.

Macron – die politische Legofigur

Obwohl er sich als einen Neuen in der Politik inszeniere und gegen die politische Teilung von links und rechts ausspreche, sei Emmanuel Macron ein Kandidat des französischen Establishments und somit ein Mainstream-Kandidat, findet Juri Rubinski, Direktor des Zentrums für Frankreich-Studien am Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften. Ein Indiz dafür sei die Tatsache, dass sowohl der linke Benoît Hamon als auch der rechte François Fillon nach ihrer Niederlage in der ersten Runde nun Macron unterstützten, sagte der Wissenschaftler im Gespräch mit RBTH.

Macron sei ein künstlicher Kandidat, zusammengesetzt aus verschiedenen politischen Teilen, wie eine Art Lego, bemerkte Andrej Susdalzew, Dekan der Fakultät für Weltwirtschaft und Weltpolitik an der Higher School of Economics. In Frankreich sei er sowohl für die Sozialisten als auch die Gemäßigten eine akzeptable Lösung. Global gesehen orientiere sich Macron an Washington und Berlin.

Bei Emmanuel Macron könnten die Beziehungen Frankreichs zu Russland noch schwieriger werden, sagen Experten. / ReutersBei Emmanuel Macron könnten die Beziehungen Frankreichs zu Russland noch schwieriger werden, sagen Experten. / Reuters

Der Experte bezweifelt nicht, dass Macron der Außenpolitik von Berlin folgen werde, die in Bezug auf Russland ziemlich hart geführt werde. Es sei deshalb wahrscheinlich, dass die Beziehungen zu Russland unter dem Präsidenten Macron noch kälter würden, als es unter seinem Vorgänger François Hollande bereits der Fall sei.

Doch bewusst verschlechtern werde Macron die Beziehungen wohl nicht, sind die Fachleute überzeugt. Dafür sei er zu sehr Technokrat und Pragmatiker. Zweifellos stehe die Russland-Politik aber bei beiden Präsidentschaftskandidaten nicht an oberster Stelle, betonen die Experten. Bei Macron und Le Pen gehe es vor allem um die Themen Globalisierung versus Patriotismus und Fortschritt versus Konservatismus, wie Juri Rubinski erklärte.

Le Pen – Bewahrerin des Großmacht-Status

Andrej Susdalzew von der Higher School of Economics bewertet die Unterschiede zwischen den Kandidaten anders. Le Pen biete Frankreich die Möglichkeit, sich aus dem Strudel, der Frankreich als Großmacht einsauge, zu befreien. Der Einfluss des Landes auf der internationalen Arena schwinde immer mehr, betonte der Politikwissenschaftler.

Deshalb sollte ein Sieg von Le Pen nicht ausgeschlossen werden, auch wenn Macrons Siegchancen in der zweiten Runde höher seien, erklärte Susdalzew unter Verweis auf den überraschenden Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November. Damals sei der Großteil der Beobachter von einem Sieg Hillary Clintons ausgegangen, erinnerte der Experte.

Im Falle eines Sieges werde Le Pen eine freundschaftliche Russland-Politik fahren, darin sind sich die Experten einig. Zu erinnern seien an ihren jüngsten Moskau-Besuch und das Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Doch zur Marionette des Kremls werde sich Le Pen nicht machen lassen. Sie werde völlig unabhängig regieren, betonen die Analysten.

Ein Protest-Sieg für Le Pen?

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen darf noch hoffen, sagen russische Analysten. / ReutersDie Rechtspopulistin Marine Le Pen darf noch hoffen, sagen russische Analysten. / Reuters

Einen Sieg von Le Pen halten die Experten aus mehreren Gründen für möglich. So erwähnte Juri Rubinski den Linkspolitiker und Vorsitzenden der Partei La France insoumise, Jean-Luc Mélenchon, der in der ersten Runde fast 20 Prozent der Stimmen erhielt, in der zweiten Runde aber wohl keinen Kandidaten öffentlich unterstützen werde. Das sei jedoch für Le Pen sehr wichtig, wie Rubinski betonte, denn seine Wähler könnten nun die Rechtspopulistin als Oppositionelle unterstützen.

Le Pen werde sicher einen Teil der Stimmen anderer Kandidaten aus der ersten Runde erhalten, fügte der Experte hinzu – sowohl von den Rechten als auch den Linken. Bei Letzteren vor allem aus den unteren Gesellschaftsschichten: „Der Großteil der sozial schwachen und verärgerten Wähler stimmen aus Protest für den Front National“, sagte der Analyst.

Auch Susdalzew schreibt Le Pen Potenzial zu. Immerhin sei von rund 20 Prozent Nichtwählern auszugehen, wie der Wissenschaftler bemerkt, darunter auch Anhänger des Front National. Es sei möglich, dass diese Personen an der zweiten Wahlrunde teilnehmen werden.

Diese Wähler seien schwierig einzuschätzen, denn sie machten aus ihren politischen Präferenzen ein Geheimnis. Grund dafür sei der schlechte Ruf von Le Pen. Doch ihre Stimmen könnten sich in der zweiten Runde – dem politischen Höhepunkt – bemerkbar machen. Wie Igor Bunin, Direktor des Zentrums für politische Technologien, sagt: Die Chancen von Le Pen liegen in den rechten Stimmen, die nicht an Macron gehen.

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