Frankreichs neuer Präsident: Was hat Moskau von Macron zu erwarten?

Der neue Präsident ist Pragmatiker, folgt aber dem Russland-Kurs Merkels.

Der neue Präsident ist Pragmatiker, folgt aber dem Russland-Kurs Merkels.

Reuters
Eigentlich hatte sich Moskau Marine Le Pen als französische Präsidentin gewünscht – die Franzosen haben aber den Mitte-Links-Politiker Emmanuel Macron gewählt. Der wird den Kurs seines Vorgängers François Hollande weiterverfolgen, glauben Experten. Eine Verbesserung der Russland-Politik sehen sie eher nicht.

Der neue Präsident Frankreichs heißt Emmanuel Macron. Mit 66 Prozent der Stimmen konnte er sich bei der Stichwahl am Sonntag mit großem Abstand gegen seine Konkurrentin Marine Le Pen durchsetzen. Die Front-National-Politikerin erhielt 34 Prozent der Stimmen. Für die Beziehungen zu Russland heißt das: So bald wird sich wohl nichts ändern.

Kurs zwischen Dialog und Mäßigung

Die Russland-Politik Macrons werde von der Idee der euro-atlantischen Solidarität geprägt sein, sagen Analysten. Somit würden die Beziehungen zwischen Paris und Moskau von der allgemeinen Dynamik der russisch-westlichen Beziehungen abhängen.  

„Macron wird den von den aktuellen internationalen Ereignissen geprägten politischen Kurs von Hollande weiterführen“, meint Jewgenija Obichkina, Expertin für französische Geschichte und Außenpolitik am Moskauer Institut für internationale Beziehungen, im Gespräch mit RBTH. Einerseits setze dieser Kurs auf einen Dialog mit Russland, wenn es um die Fragen der Sicherheit in Europa gehe. Andererseits ziele dieser Kurs auf eine Mäßigung Russlands im Ukraine-Konflikt ab – das Normandie-Format werde in diesem Sinne nicht nur als ein Weg zur Beilegung des Konfliktes gesehen, sondern auch als ein Mittel, um Druck auf Russland auszuüben.    

Vor diesem Hintergrund würde Moskau wohl nichts unternehmen, das die bilateralen Beziehungen zwischen Russland und Frankreich beeinflussen könnte, glaubt Obichkina. Eine positive Verschiebung sieht die Expertin nur im Falle einer „sehr stark veränderten internationalen Lage“. Dabei denkt sie in erster Linie an den gemeinsamen Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“, bei dem Russland eine größere Bedeutung zuteilwerden könnte. Außerdem, so fügt die Wissenschaftlerin hinzu, hänge vieles von der Lage in der Ukraine ab, derer Schlüsselaspekte sehr oft von verschiedenen Akteuren unterschiedlich interpretiert würden. 

Moskau hat auf das falsche Pferd gesetzt

Eine Verschlechterung der Beziehungen könne jedoch ebenfalls nicht ausgeschlossen werden, warnte Arnaud Dubien, Leiter des französisch-russischen Analysezentrums L’Observatoire, im Gespräch mit RBTH. „Dazu kann etwa der Vorwurf beitragen, dass Russland Macron Schaden zufügen wollte“, sagt Dubien im Hinblick auf die Daten-Leaks über angebliche Schwarzkonten des Präsidentschaftskandidaten in den vergangenen Tagen. „Man kann nicht ausschließen, dass einige – vielleicht nicht der Staat, aber die Medien – es schaffen, dem neuen Präsidenten eine russlandfeindliche Position aufzuzwingen“, meint der Experte.

Der neue Präsident selbst hätte eigentlich keine negative Einstellung zu Russland, betont Dubien. Moskau habe aber den Fehler gemacht, auf Marine Le Pen gesetzt zu haben – Russland wurde gar die Einmischung in die inneren Angelegenheiten Frankreichs vorgeworfen. 

Ungeachtet persönlicher Sympathien für einen der beiden Kandidaten, gratulierte der russische Präsident Wladimir Putin Wahlsieger Macron und fügte hinzu, dass es „wichtig ist, das gegenseitige Misstrauen zu überwinden und die Kräfte zu bündeln, um die internationale Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten“. Putin äußerte seine „Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit“ und unterstrich, dies entspreche „den Interessen der beiden Völker“.

Macron radelt auf französisch-deutschem Tandem

Arnaud Dubien würde aber auch eine Verbesserung der russisch-französischen Beziehungen nach Macrons Wahlsieg nicht ausschließen. Dafür spreche die Tatsache, dass Macron ein Pragmatiker sei und auf die Wirtschaft höre, die an einem Ausbau der Zusammenarbeit mit Russland interessiert sei.

Gleichzeitig sind die Experten sicher: Macron werde keine übereilten Entscheidungen auf der internationalen Bühne treffen und keine Initiative in den russisch-französischen Beziehungen übernehmen, ohne sich vorher von Berlin beraten zu lassen. „Er wird – besonders am Anfang – nichts unternehmen, ohne Rat aus Deutschland geholt zu haben“, ist Dubien überzeugt.

Juri Rubinsky, Leiter des Zentrums für Frankreich-Studien am Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften, stimmt dem zu: In Bezug auf die Position gegenüber Russland könne von einem „einheitlichen französisch-deutschen Tandem“ gesprochen werden. Über die „russische Politik“ des Tandems sei aus dem Staatsbesuch Merkels in Sotschi zu schließen. „Ihr Besuch zeigte, dass der Dialog weiterläuft, wenn auch ohne jeglichen Durchbruch. Aber niemand ist an einer Trennung oder Eskalation interessiert“, erläutert Rubinsky.

Die Beziehungen zu Russland und grundsätzlich die Außenpolitik stehen allerdings derzeit nicht an oberster Stelle von Emmanuel Macrons Agenda. Sein Fokus liegt momentan auf der Innenpolitik: Im Juni stehen die Parlamentswahlen an und er muss um eine Mehrheit kämpfen.

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