V.l.n.r.: Die schwedische Außenministerin Margot Wallström und ihreAmtskollegen aus Russland, den USA und Norwegen Sergej Lawrow, RexTillerson und Børge Brende auf dem 10. Ministertreffen des Arktisratesin Fairbanks.
Alexander Shcherbak/TASSIn Syrien und in der Ukraine könnten ihre Positionen nicht unterschiedlicher sein, in Alaska aber herrschte zwischen Russland und dem Westen ungewöhnliche Eintracht. „In der Arktis gibt es kein Potenzial für einen Konflikt“, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow auf dem Ministertreffen des Arktisrates in Fairbanks am vergangenen Donnerstag. Russland unternehme alles, um die Arktis als eine Region für Frieden und Zusammenarbeit zu erhalten.
Ähnlich äußerten sich auch Lawrows Kollegen – die Außenminister Islands, Dänemarks, Schwedens, Finnlands, Norwegens, Kanadas und der USA. Alle diese Länder sind Mitglieder des Arktisrates. „Die Arktis ist ein Gebiet des Friedens“, lautet die traditionelle Losung aller Treffen, die der Polarregion gewidmet werden. Einige Experten aber zweifeln.
Seit dem Kalten Krieg sei die Polarregion hochmilitarisiert, erzählt der Konfliktforscher Alexej Fenenko vom russischen Institut für internationale Sicherheit. „Die Flugrouten ballistischer Nuklearraketen – russischer und amerikanischer – verlaufen über der Arktis.“ In der Region seien auch Russlands nukleare Kräfte konzentriert. In dieser Hinsicht stehe die Arktis gewissermaßen an vorderster Front, so der Forscher.
Auch von offizieller Seite ist zu hören, dass in der Polarregion ein verstecktes Wettrüsten im Gange sei: Russland setze die Vereinigten Staaten in der Arktis „schachmatt“, sagte unlängst der Oberbefehlshaber der US-Küstenwache Paul Zukunft der Fachzeitschrift „Foreign Policy“. Moskau sei Washington in der Region technisch überlegen, insbesondere bei der Zahl der verfügbaren Eisbrecher.
Russland fühlt sich indes durch das verstärkte Auftreten der Nato in der Arktis bedroht. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schojgu kritisierte Ende April die Einrichtung einer Militärbasis im Norden Norwegens, wo die Allianz Kräfte im Rotationsprinzip stationiere. Dies zeige, dass die Nato beim Durchsetzen ihrer Interessen auf Stärke setze, tadelte der Minister.
Foto: Alexander Shcherbak/TASS
Und doch setzten Russland und der Westen weiter auf eine friedliche Entwicklung in der Region – trotz der gegenseitigen Kritik, sagt Andrej Kortunow, Vorsitzender des russischen Ausschusses für Internationales. Dass Russland in der Arktis militärisch überlegen sei, habe sich „historisch ergeben“, so Kortunow gegenüber RBTH. Demnach habe der Westen immer schon stillschweigend hingenommen, dass die Arktis für Russland besonders wichtig sei. Russlands Flotte fehle schließlich, anders als der US-Navy, der Zugang zum Atlantik. Deshalb strebe die Nato keinen Gleichstand der Kräfte in der Polarregion an. „Bleibt dieses Denken erhalten, werden wir weiteres Wettrüsten verhindern können“, betont der Experte.
Allerdings ist die Verteilung arktischer Gewässer bislang nicht vollends geklärt. Zwar ist die Region unter den fünf Anrainerstaaten Russland, USA, Kanada, Dänemark und Norwegen aufgeteilt, doch erheben die Länder sich überschneidende Territorialansprüche. Anträge, die Russland, Kanada und Dänemark bei den Vereinten Nationen einreichen, stapeln sich inzwischen: Jedes der drei Länder nutzt ein eigenes System, um den Festlandsockel, Grundlage für die wissenschaftliche Bestimmung der Grenzverläufe, zu bemessen. Die erhobenen Ansprüche der Nachbarn werden dabei jeweils als unbegründet zurückgewiesen.
Spannungen seien in fünf bis zehn Jahren durchaus denkbar – je nachdem, wie die UN-Kommission sich entscheide, sagt der Konfliktforscher Alexej Fenenko. Sollten die Vereinten Nationen etwa die Gebiete nahe des Nordpols einem Nato-Mitglied zusprechen, dann könnten dort Flugzeuge der Allianz fliegen – und das provoziere Konflikte. „Auf der Nordostpassage kann ein lokaler Konflikt ausbrechen“, sagt der Experte.
Doch Kortunow vom Ausschuss für Internationales nennt drei Faktoren, die das Konfliktpotenzial begrenzen könnten. Erstens würden die meisten Rohstoffe in jenen Gebieten der Arktis lagern, die bereits aufgeteilt und nicht umstritten seien. Zweitens könnten die Länder ihre Territorialansprüche auch durch gegenseitige Kompromisse ausräumen, wie etwa Russland und Norwegen dies im Jahr 2010 getan hatten, als sie die Barentssee untereinander aufteilten. Und drittens prüften die Vereinten Nationen alle Anträge sehr gemächlich: „Mit einer Entscheidung ist vor Mitte der 2020er-Jahre nicht zu rechnen. Bis dahin kann sich vieles ändern, die internationalen Spannungen können schwinden“, so der Experte. Deshalb müsse man potenzielle Konflikte in der Arktis nicht überbewerten. Das Problem bestehe zwar, doch handele es sich dabei nicht um einen Konflikt, der zu einem Krieg werden könne.
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