Ein Wolgawochenende in Kasan

Foto: Slawa Stepanow / Gelio

Foto: Slawa Stepanow / Gelio

Seit Kasan 2005 sein 1 000-jähriges Bestehen feierte, hat sich das Stadtbild stark verändert. Wir zeigen Ihnen, wie man die „Dritte Hauptstadt Russlands“ an einem Wochenende neu entdecken kann.

2005 feierte Kasan sein 1 000-jähriges Bestehen, beschenkte sich großzügig und wurde zu einer der touristenreichsten Städte Russlands. Das Bürgermeisteramt von Kasan patentierte den Slogan „Dritte Hauptstadt Russlands" (was es symbolische 1 000 Euro kostete) und sicherte sich so den ehrenvollen dritten Platz hinter Moskau und Sankt Petersburg. Das Stadtbild änderte sich dank Jubiläum so stark, dass man ältere Reiseführer wegwerfen kann. Dafür kann man die Stadt für sich neu entdecken.

Freitag, 15 Uhr, Start am Kreml

Die Route sollte man am besten von der Metrostation Kremljowskaja aus beginnen, die sich direkt neben dem Kreml befindet. Die Einheimischen spötteln, dass die Kasaner Metro nur für Leute ohne Eile gedacht sei – die einzige Linie wird von nur zwei Zügen im 15-Minuten-Takt bedient. Dieses Verkehrsmittel verwenden in Kasan praktisch nur Touristen. Eine Fahrt kostet 40 Eurocent, und die Stationen stehen in ihrer Pracht jenen der Moskauer Metro in nichts nach. Im Kasaner Kreml, der seit dem Jahr 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, sollte man sich neben den zahlreichen Türmen und Kirchen unbedingt die Kul-Sharif-Moschee und den „fallenden" Sjujumbike-Turm ansehen.


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17 Uhr, „Palast der Bauersleute" – Neugotik von Kasan

Nach dem Kreml kann man das in der Nähe gelegene Landwirtschaftsministerium, den sogenannten „Palast der Bauersleute", von außen besichtigen (Uliza Fedosejewskaja 36). Dessen Architekt scheint für russische Verhältnisse geradezu euphorisch und ausgelassen zu sein. Eine derartige Häufung an verspielten Kolonnaden, Kuppeln, Greifen, Reliefs, Verglasungen und einem Baum aus Beton in der Mitte ist in ganz Russland einzigartig.

17:30 Uhr, Wladimir-Lenin-Universität

Unweit vom „Palast der Bauersleute" befindet sich das Gebäude der Universität, in der Wladimir Lenin einst studierte. Hier kann man sich neben dem Lenin-Denkmal hinsetzen und Anekdoten lauschen, wie der Anführer des Proletariats die Vorlesungen schwänzte. Übrigens glänzten auch andere später berühmt gewordene Studenten der Kasaner Uni gerne durch Abwesenheit, so zum Beispiel Leo Tolstoj und der Futurist Welimir Chlebnikow.

18:30 Uhr, Abendbrot in der Baumannstraße

Abendessen kann man in der Baumannstraße, dem Kasaner Gegenstück zum Moskauer Arbat oder der Rambla in Barcelona. Unter den vielen Restaurants und Cafés sind das „Dom tatarskoj kulinarii" („Haus der tatarischen Küche", Uliza Baumana 31) oder, als günstigere Variante, das „Dom Tschaja" („Haus des Tees", Uliza Baumana 64) zu empfehlen. In beiden Gaststätten kann man das traditionelle Tartar (rohes Hackfleisch), Gubadija (Rindfleischkuchen) oder Tschebureki, die in ganz Russland und darüber hinaus bekannten Teigtaschen mit Hammel- oder Kalbfleischfüllung, genießen. In beiden Häusern ist das Menü fast identisch, der Unterschied liegt jedoch im Interieur und bei den Preisen. Im „Haus des Tees" gibt man zu zweit für ein Essen inklusive Nachspeise bloß um die 10 Euro aus, während das Gleiche im „Haus der tatarischen Küche" auf 30 bis 50 Euro zu stehen kommt.

21 Uhr, Sowjetische Tänze

Einen guten Abschluss bildet der Besuch des Restaurants und Clubs „Majakowskij. Scholtaja kofta" (Uliza Majakowskogo 24a). Hier treten sowohl Indiebands als auch russlandweit berühmte Künstler auf. Die Gerichte und Getränke sind nach den Werken des sowjetischen Poeten Wladimir Majakowskij benannt. So kann man hier eine „Patience von Tante Sonja", eine „Wolke in Hosen" oder die „Flagge Tatarstans" bestellen. Zu fragen, was einem konkret dabei serviert wird, ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Ein Abend im „Majakowskij" kostet etwa 15 bis 25 Euro.

Samstag, 10 Uhr, Süßes zum Frühstück

Gute Laune für den ganzen Tag garantiert ein Frühstück im Café „Lakomka" (Uliza Karla Marxa 50). Zu Sowjetzeiten standen die Menschen hier nachts an, um am nächsten Morgen eine Torte zu kaufen. Das Geheimnis der leckeren Backwaren liegt im echten russischen Ofen nach traditioneller Bauart. Seinerzeit wäre er fast durch einen modernen Ofen ersetzt worden, doch man überlegte es sich glücklicherweise anders. Dieser Ort ist ein echtes Paradies für Kaffee- und Gebäckliebhaber. Törtchen und Biskuits oder die berühmteste tatarische Süßspeise Tschak-Tschak aus Teig und Honig kosten hier zwischen 3 und 7 Euro.

11 Uhr, Das „untouristische" Kasan

Nach dem süßen Start in den Tag empfiehlt sich ein Spaziergang durch die umliegenden ruhigen Straßen abseits der touristischen Attraktionen (Uliza Karla Marxa – Uliza Bolschaja Krasnaja – Uliza Lwa Tolstogo). Die Suworow-Akademie und die alten Kaufmannshäuser aus Holz oder Backstein sind mindestens genauso eindrucksvoll wie die Touristenmagnete der Stadt.

13 Uhr, Spaziergang am Ufer

Die Tolstoj-Straße führt direkt zum Ufer des Flusses Kasanka, der hier aufgrund eines Wasserkraftwerks zu einem etwa einen Kilometer breiten, nur sehr gemächlich fließenden Gewässer aufgestaut ist. Die Uferpromenade beginnt beim Platz des tausendjährigen Bestehens Kasans, einem der größten Plätze Russlands. Die sich von hier aus eröffnende Aussicht auf den Kreml, die Kul-Sharif-Moschee und den an ein Ufo erinnernden futuristischen Bau des Kasaner Zirkus gilt als die Visitenkarte der Stadt. In der Mitte des Flusses steht auf einer kleinen Insel eine Gedenkkirche. Sie wurde 1811 zu Ehren der Krieger Iwan Grosnys gebaut, die am 2. Oktober 1552 bei der Eroberung der Stadt gefallen waren.

15 Uhr, Die älteste Moschee Tatarstans

Eine Metrostation weiter (von „Kremljowskaja" zu „Ploschtschad Tukaja") befindet sich die altehrwürdige Moschee Al-Madschani (Uliza Kajuma Nassyri 17). Dort freut man sich über Gäste, und eine kleine Gratisexkursion ist Ihnen sicher. Nicht vergessen: Moscheen betritt man ohne Schuhe, am besten tragen Sie deshalb gleiche und löcherfreie Socken. Unweit dieser Moschee ist fast ein ganzer Stadtteil von Studenten aus der Türkei bewohnt, die hier, finanziert durch Gelder des türkischen Staates, den Koran studieren. Türkisch und Tatarisch sind hier viel öfter zu hören als anderswo in der Stadt.

16 Uhr, Souvenirs aus Kasan

Um etwas Kleines zu essen, einen Tee zu trinken und Souvenirs einzukaufen, lohnt es sich, in der Galerie „Ebiwol" (Uliza Parischskoj Kommuny 20) vorbeizuschauen. Hier gibt es sowohl ein Teehaus als auch eine Galerie mit Werken von Kasaner Künstlern als auch die Werkstatt „Altyn Aj", die sich auf muslimische und tatarische Kleidung spezialisiert hat. Die Preise für Mitbringsel variieren von etwa 20 Euro für einen Gürtel oder ein Portemonnaie bis über 100 Euro für ein komplettes tatarisches Gewand. Falls Sie aus Tatarstan etwas Essbares mitbringen möchten, sind die überall in der Stadt anzutreffenden Geschäfte der Kette „Bachetle" zu empfehlen. Hier kann man echte tatarische Produkte der nationalen tatarischen Küche kaufen sowie kleinere Souvenirs für zu Hause. Die Preise sind zwar etwas höher als in anderen Supermärkten, doch auch die Qualität ist entsprechend besser. Bachetle-Geschäfte gibt es übrigens auch in Moskau.

17 Uhr, Abendbrot im Hippodrom

Gut essen kann man im Restaurant „Solotaja podkowa" in der Kasaner Pferderennbahn (Uliza Patrisa Lumumby 47a). Da das Lokal sehr beliebt ist, sollte vorsichtshalber ein Tisch reserviert werden. Ein Essen für zwei kostet um die 30 Euro, der Eintritt ins Hippodrom selbst ist gratis. Hier kann man auch eine Kutschenfahrt durch die Stadt bestellen oder einen weißen Hengst für besondere Anlässe, wie zum Beispiel für einen Heiratsantrag.

20 Uhr, Die Kasaner Stadien

Während Russland sich auf die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 vorbereitet, macht sich Kasan fit für die Universiade 2013. Die „Dritte Hauptstadt" will nun auch zur Hauptstadt des Jugendsports werden. Der Eintritt in die Basketball-Halle, in der die Kasaner Mannschaft Unix spielt, ist gratis. Für das Betreten der Tatneft-Arena, in der die lokale Hockey-Mannschaft Ak Bars spielt, muss man den symbolischen Preis von einem Euro bezahlen. Im alten Eispalast ist Eiskunstlauf angesagt; Eisbahnen gibt es zuhauf in der ganzen Stadt verteilt. Eine Stunde Eislaufen inklusive Schuhmiete kostet in der Regel um die 3 Euro.

Sonntag

Sonntag ist der traditionelle Tag für Ausflüge stadtauswärts. Russland HEUTE empfiehlt einen Besuch der einzigartigen Klosterstadt Swijaschsk, die auf einer Insel gelegen ist.

Die Stadt auf der Insel

Iwan Grosny gründete Swijaschsk, um Kasan zu erobern. Die Stadt wurde zu einem strategisch wichtigen Punkt bei der Eroberung des Kasaner Khanats durch die russische Armee. Heute ist Swijaschsk ein Dorf mit vier Klöstern und mehreren Kirchen. Das Dorf befindet sich auf einer Insel, die durch einen Damm und eine darüber führende Straße mit dem Festland verbunden ist. Erreichbar ist das Dorf deshalb sowohl per Bus als auch per Boot (ab dem Kasaner Flusshafen). Am bequemsten ist es, eine Exkursion zu buchen (zum Beispiel hier); so werden Sie Einiges erfahren, zum Beispiel über das Denkmal der politischen Repressionen und an den Mord am Erzbischof Ambrosij durch die Bolschewisten sowie über das Judas-Denkmal (dem „Kämpfer gegen das Christentum"), das auf Geheiß Lenins errichtet worden sein soll.

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