Laut Projektentwurf soll die Skisaison in Wedutschi sechs Monate dauern, von November bis April. Foto: RIA Novosti
In Tschetschenien hat der Bau des Ski-Kurortes „Wedutschi" begonnen. Der Bau ist das erste große Bauprojekt in der Bergregion der Republik Tschetschenien. Man geht davon aus, dass der Kurort das Interesse an Tschetschenien als touristisches Reiseziel wecken wird. Unsere Korrespondentin Tatjana Schramtschenko war vor Ort und verschaffte sich einen Eindruck von diesem Projekt.
Sieben verglaste Wolkenkratzer ragen aus dem Nebel: Das ist Grosny-City. Das Geschäftsviertel ist im Zentrum von Grosny gelegen, in direkter
Ehren-Udmurte Depardieu tanzt tschetschenisch
Nachbarschaft zum Regierungsgebäude und zur Moschee, eine der schönsten Russlands. Noch vor fünf bis sechs Jahren wurde in der Republik Tschetschenien gekämpft; die Hauptstadt lag in Trümmern, die Berge waren in der Hand der Kämpfer. Doch heute verläuft das Leben hier wieder in ruhigen Bahnen. Wir fahren in das im Rajon Itum-Kalinskij liegenden Dorf Wedutschi, etwa 80 Kilometer von Grosny entfernt. Hier entsteht das ganzjährige Skizentrum „Wedutschi", ein ehrgeiziges Projekt des tschetschenischen Milliardärs und Unternehmers Ruslan Bajsarow, der sich berufen fühlt, den Massentourismus in die Republik zu holen.
Der Weg von Grosny nach Wedutschi dauert ungefähr zwei Stunden. Allerdings kann von einem Weg im Sinne einer Straße noch keine Rede
sein: Am Stadtrand endet die asphaltierte Straße und es beginnt ein unwegsames Gelände. Hin und wieder stehen Straßenbaugeräte an der Seite. Schenkt man Ruslan Bajsarow Glauben, dann wird die Straße von Grosny nach Wedutschi innerhalb eines Jahres fertig sein
Wir kommen durch die Argun-Schlucht. Es ist trüb und die Berge sind nebelverhangen. Szenen von Reportagen über die grausamen Kämpfe in der Schlucht im Jahr 2000 gehen einem durch den Kopf. Heute wird die Ruhe dieses Ortes höchstens durch die ansässige Tierwelt hin und wieder gestört. „Hier gibt es Bären, Wölfe, Wildschweine und Hasen", erzählt der Fahrer. Von den genannten Tieren treffen wir unterwegs nur auf einen Hasen, und außer ihm noch mit Maschinengewehren bewaffnete Tschetschenen, die die Baustelle und die Zufahrten bewachen.
Zu Gast bei einem Milliardär – Ein Mann mit einer Vision
Eine Stunde später halten wir neben einem großen Steinhaus mit einem geschwungenen Dach. Ruslan Bajsarow, der Hausherr des alpinen
Fläche: 800 ha
Die Skipisten erstrecken sich an den Nordhängen des Daneduk-Gebirgszuges.
Höchster Gipfel: 3 500 Meter
Höhenunterschied: 2 600 Meter
Anzahl der Skipisten: 19
Anzahl der Schwierigkeitsgrade: 4
Gesamtlänge der Pisten: 46,4 Kilometer
Länge der längsten Abfahrt: 12,7 Kilometer
Anzahl der Lifte: Neun
Entfernung vom Flughafen Grosny nach „Wedutschi": 70 Kilometer (1,5 Stunden Fahrtzeit)
Skipass: 7,50 bis 20 Euro, ein Tag im Kurort kostet pro Person etwa 75 Euro
Voraussichtliches Bauende: 2015
„Chalet", nimmt uns persönlich in Empfang. Er trägt eine Jacke mit dem Symbol des zukünftigen Kurortes. Nachdem sich die Journalisten umsehen und mit Sanddorntee aufwärmen durften, beginnt der Milliardär von seinem Projekt zu erzählen und Fragen zu beantworten, was ihm sichtlich Vergnügen bereitet.
Laut Bauvorhaben ist in Wedutschi ein großer Hotelkomplex geplant, 20 Chalets „im Stil der landesüblichen Architektur", 19 Skipisten unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades, neun Liftanlagen und weitere komfortable Einrichtungen für die Touristen, wie etwa ein Spa-Zentrum oder ein beheiztes Außenbecken. Als es um die Länge der Bauzeit geht, nennt Herr Bajsarow eine voraussichtliche Dauer von dreieinhalb bis vier Jahren bei einem Budget von 375 Millionen Euro und einer Durchlaufkapazität des zukünftigen Kurortes von 4 800 Urlaubern.
Mit dem Bau ist die russische Gesellschaft NPO „Mostowik" beauftragt. Hinsichtlich der Beteiligung ausländischer Investoren hält sich Bajsarow bedeckt: „Ich führe gerade Gespräche mit vier Konzernen. Irgendein westlicher wird sicher dabei sein, es ist einfach sowohl vom Standpunkt der Touristenwerbung als auch vom Servicestandpunkt aus notwendig. Aber es gibt bei ihnen keine negativen Reaktionen hinsichtlich Tschetscheniens oder dem Kaukasus. Da sehe ich kein Problem", ergänzt er und nimmt damit Fragen der Journalisten über das negative Image von Tschetschenien nach zwei blutigen Kriegsjahren vorweg. Laut Bajsarow sei für die Sicherheit in der Region ihr Oberhaupt Ramsan Kadyrow zuständig. Kadyrow ist zugleich enger Freund von Bajsarow.
Hauptanziehungspunkt für die ausländischen Touristen würden die Exotik des Ortes und das Landeskolorit sein. Foto: Wladimir Stacheew,Russland HEUTE
Auf die Frage der Korrespondentin von Russland HEUTE, warum Urlauber, die sich zwischen Meribel und Wedutschi entscheiden können, ausgerechnet Letzteres nehmen sollten, antwortet der tschetschenische Milliardär schlicht: „Für die Sportler macht es keinen Unterschied, wo sie Ski fahren. Ich glaube nicht, dass sich für sie die Frage stellt, Tschetschenien ja oder nein." Hauptanziehungspunkt für die ausländischen Touristen würden wohl die Exotik des Ortes und das Landeskolorit sein.
Der Ski-Kurort – Ein Wagnis
Nachdem er die Neugier der Journalisten gestillt hat, lädt Bajsarow alle ein, zwei Kilometer höher hinaufzufahren. Dort ist die erste Skipiste bereits fertig. Wir werden auf vier gepanzerte URAL verteilt (schwere Laster mit vergitterten Fenstern wie sie von der Polizei zum Transport von Inhaftierten benutzt werden, Anm. d. Red.). Die originelle Transportmittelwahl gibt Anlass für zahlreiche Späße auf dem zweistündigen Weg.
Die LKW-Kolonne klettert langsam, aber emsig den schmalen Steinpfad hinauf, der gerade mal so breit wie die Laster ist. Um gut um die Kurven zu kommen, müssen die Fahrer jedes Mal halten, zurücksetzen und den Lenker bis zum Anschlag drehen. Den Druckunterschied spürt man in den Ohren, während die Schönheit der Natur einem den Atem raubt. Am Abend zuvor hatte man schon auf dieselbe Weise ein paar junge Ski-Freerider aus verschiedenen Ländern heraufgebracht, die sich bereit erklärt hatten, die Piste zu testen und bei der offiziellen Präsentation des Projekts aufzutreten.
Den jungen Fans des Extrem-Skiings gefällt der noch nicht fertiggestellte Kurort schon jetzt. Foto: Wladimir Stacheew, Russland HEUTE
Als wir oben ankommen, danken wir Gott insgeheim, dass wir noch am Leben sind. Wir sehen uns um und fragen uns, wo der Schnee ist. Laut Projektentwurf soll die Skisaison in Wedutschi sechs Monate dauern, von November bis April; jetzt ist März und der einzige Ort, wo Schnee zu sehen ist, ist ein kleiner künstlicher Hang für Extrem-Skiing.
„Das ist eine ganz normale Situation, so was kann in den Bergen vorkommen", beruhigt uns Sean Butler, ein 27-jähriger Sportler aus Kanada, einer der geladenen Freerider. „Ich finde hier alles sehr gut. Wenn die Seilbahn erst fertig gebaut ist, wird es einfacher sein. Tschetschenien? Ja und? Bei uns zu Hause kennt das sowieso kaum jemand."
Den jungen Fans des Extrem-Skiings gefällt der noch nicht fertiggestellte Kurort schon jetzt. „Ich bin eigentlich gerade dabei, einen Film über Tschetschenien zu drehen", gesteht Maxim Kruglow, der beste Skater Russlands, der jetzt auch Snowboarder werden will. „Mir gefällt hier alles. Meine Mutter war sehr erschrocken, als sie erfuhr, dass ich nach Tschetschenien fahre. Aber ich habe sie beruhigt und ihr gesagt, dass hier jetzt alles ruhig ist und niemand mehr schießt."
Die Mutter glaubte Maxim. Ob auch die vielen Tausenden Touristen, mit denen Ruslan Bajsarow rechnet, ihm glauben werden?
Auf dem Rückweg hinunter wird das Erlebte diskutiert. Es gibt jetzt mehr Fragen als vor der Reise: Wie war es gelungen, die ganzen Gerätschaften auf den Gipfel zu schaffen? Schaffen sie es innerhalb von einem Jahr die Straße zu bauen? Wer kommt zum Skifahren nach Tschetschenien? Bis jetzt ist wohl nur eines klar: Die nächste Etappe des ehrgeizigen Projekts wird bereits im Sommer vorgestellt.
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