Moskau zum Gruseln

Foto: Wikipedia.org

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Der Geist einer alten Frau, der den Tod verkündet, Stalins Innenminister im Gebäude der tunesischen Botschaft, die berüchtigte Saltytschicha, wiederkehrende Reiter aus dem Heer des Khans – das sind nur einige der Geister, die in Moskau ihr Unwesen treiben.

Das verfallene Krankenhaus von Chowrino

Das verfallene Krankenhaus von Chowrino steht in der Rangliste der gruseligsten Orte der Welt und liegt nur ein paar Plätze hinter Tschernobyl. Mit dem großangelegten Bau des Krankenhauses begann man 1981 – 1 500 Betten, eine Poliklinik, Labore und Hubschrauberlandeplätze. Aber wie sich herausstellte, war der Platz unglücklich gewählt: Der Untergrund gab nach und das fast fertig errichtete Krankenhaus, so groß wie eine Stadt, begann allmählich, ins Grundwasser abzusinken. Daraufhin stellte man den Bau ein.

Die Stadtverwaltung kann sich bis heute nicht entscheiden, wie es damit weitergehen soll. Dafür wurde die Bauruine bald von Satanisten in Beschlag genommen. Eine Sekte wurde für das Verschwinden von Menschen und Tieren in Chowrino verantwortlich gemacht. Es heißt, die Sektenmitglieder hätten Hunde und Bettler für ihre Blutrituale gebraucht. In Moskau kursierte dann die Geschichte, dass die Polizei eine Großfahndung nach den Sektenmitgliedern ausgerufen und sie in einen Tunnel gejagt habe, wo sie die Satanisten erschossen hätten. Diese seien darüber unsäglich froh gewesen, weil sie so schnurstracks ins Reich des Teufels befördert wurden. Es heißt, man kann noch heute an dunklen Winterabenden hören, wie sie im Tunnel im Chor singen.

Jedes Jahr brechen sich dort Dutzende Jugendliche, die es auf der Suche nach Abenteuern dorthin zieht, alle möglichen Knochen. Der Ort ist eine Pilgerstätte für Gothics, Punks, Emos und andere. Das Krankenhaus ist voller Gruben, Einsturzstellen, gähnender Liftschächte und hervorstehender Armaturen. Polizisten ziehen regelmäßig Abenteurer aus Ventilationsschächten im Keller heraus oder von den Dachböden herunter, wo sie sich vor den Wachleuten verstecken.

Die bedeutendste Spukgestalt des Krankenhauses ist der Geist von Alexej Krajuschkin, der sich wegen einer unerwiderten Liebe vom Dach gestürzt hatte. Auf einem der Stockwerke gibt es eine Gedenkstelle ganz spezieller Art: Die Wand ist vollständig mit Graffiti bemalt, deren Inhalte in Gedicht- und Prosaform übereinstimmend mitteilen: „Wir denken an dich und trauern."

Ostankino


Foto: Lori/Legion Media

Der Name des Stadtteils kommt vom Wort „ostanki" („Gebeine"): Das Gebäude des Fernsehzentrums steht auf dem ursprünglichen Platz eines alten Friedhofs. Der Legende zufolge war hier vor 500 Jahren zum ersten Mal die berühmte alte Frau von Ostankino erschienen. Sie war zum damaligen Besitzer des Dorfes Ostankinskoje gekommen, dem Bojaren Satin, und hatte ihm verboten, das Feld zu pflügen, weil die Toten sonst keine Ruhe fänden. Er vertrieb die Alte und pflügte das Feld, worauf der Bojar in Ungnade fiel und hingerichtet wurde.

Die alte Frau von Ostankino erschien außerdem...

... dem Zaren Paul bei einer Fahrt nach Ostankino. Sie prophezeite, dass Paul das Frühjahr nicht mehr erleben würde, und sie hatte nicht gelogen – er erlebte es in der Tat nicht mehr;

... Alexander II. bei einem Abstecher nach Ostankino. Ihm prophezeite sie, dass ihn ein Gottloser töten würde. Und der Zar kam tatsächlich durch die Hand eines Narodnik ums Leben;

... im Oktober 1993: Ein paar Tage vor dem Sturm auf das Fernsehzentrum zeigte sich die Alte erneut in Ostankino und verkündete, dass es hier nach Blut rieche. Bald darauf roch es wirklich danach;

... vor der Brandkatastrophe am Fernsehturm Ostankino.

Malaja Nikitskaja, 28, Beria-Haus


Foto: Lori/Legion Media

Der Legende nach brachte Stalins Innenminister hübsche, junge Mädchen, die er nachts auf den Moskauer Straßen aufgelesen hatte, dorthin. Am nächsten Morgen, nachdem er die Schönen geschändet hatte, erschoss er sie. Und ihre Leichname aß er auf oder stapelte sie im Keller. Heute ist in diesem Schreckenshaus die tunesische Botschaft untergebracht und mal sind Unterlagen aus dem Safe im Zimmer verstreut, mal sind nachts auf den Korridoren Schritte zu hören, obwohl niemand zu sehen ist. Angeblich hat die Botschaft bereits um ein anderes Gebäude nachgesucht, bislang aber ohne Erfolg.

Maly-Iwanowski-Gasse, das Frauenkloster von Johannes dem Täufer


Foto: Lori/Legion Media

Dort verbrachte Darja Saltykowa, im Volksmund einfach Saltytschicha, mehr als 30 Jahre in Gefangenschaft, nachdem sie auf grausamste Weise 74 Leibeigene misshandelt hatte (und das sind nur die nachgewiesenen Taten!). Katharina II. sagte damals, dass Saltytschicha kein Recht mehr habe, den Namen einer Frau zu tragen, und nur noch als Missgeburt der Menschheit bezeichnet werden könne.

Selbst in der Gefangenschaft behielt Saltytschicha ihre schlechten Manieren bei und, da sie keine Gelegenheit mehr hatte zu foltern, zu verbrennen und zu töten, beschimpfte und bespuckte sie ihre Mitmenschen durch die Gitter. Eben dort, im Verlies, verstarb sie auch. Man glaubt, dass der Geist der Saltytschicha bis heute in der Nähe des Klosters erscheint. Die Begegnung mit ihr kündigt von einem baldigen Tod.

Das Puschkin-Theater am Twerskoj Bulwar


Foto: Wladimir Fedorenko/RIA Novosti

Das vom Regisseur Tairow gegründete Kammerspiel wurde in den 1950er-Jahren umgebaut. Danach lag der neue Gebäudeteil an der Stelle des Friedhofs der Apostel-Johannes-Kirche. Tairow erlebte das bereits nicht mehr, aber seine Witwe, die Primadonna des Theaters, Alissa Koonen, verfluchte, bevor sie starb, das Theater von ganzem Herzen, wie es heißt. Und dann fing es an: Die Inszenierungen fielen durch, vom Publikum gab es Buhrufe oder es kam gar nicht erst zu den Aufführungen. Und dann geisterte auch noch die verstorbene Koonen durch die Flure. 1991 weihte man die Räume und der Spuk verschwand. Es heißt, dass während der Aufführung zuvor plötzlich ein exotischer Schmetterling von überirdischer Schönheit im Saal aufgetaucht war, über der Bühne herumflatterte und schließlich davonflog. Sofort ging das Gerücht um, die Seele der Koonen hätte sich auf diese Weise vom Theater verabschiedet.

Die Golosow-Schlucht in Kolomenskoje


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Es gibt die Ansicht, dass der Name „Golosow" von „Wolos" beziehungsweise „Veles" kommt – einer heidnischen Gottheit, die über das Totenreich herrscht. Nach einer anderen Version heißt die Golosow-Schlucht so, weil man von dort die Stimmen („golosa") derjenigen hört, die in die Schlucht gingen und nicht zurückkehrten.

Bei Ausgrabungen in der Nähe der Schlucht fand man steinzeitliche Siedlungsspuren. Danach stieg der Bekanntheitsgrad der Schlucht unter Mystikern und Esoterikern noch mehr an. Als unguter Ort galt die Schlucht schon immer. Im 17. Jahrhundert kam einigen Quellen zufolge von dort eine ganze Abteilung tatarischer Reiter und ritt auf die Palasttore von Kolomenskoje zu. Die Reiter wurden gefangengenommen und einem Verhör unterworfen. Die Tataren gaben an, dass sie zum Heer des Khans Devlet I. Giray gehörten. Es gab nur ein Problem: Der Khan war bereits 100 Jahre zuvor gen Moskau gezogen, Mitte des 16. Jahrhunderts.

Im 19. Jahrhundert schrieben die Zeitungen über das mysteriöse Verschwinden zahlreicher Bürger in der Gegend der Schlucht. 1832 berichteten die „Moskowskie wedomosti" von einem Bauern, dem in der Schlucht riesige Menschen, mit Fellen bekleidet, begegnet waren. Sie waren aus dem dichten Nebel hervorgetreten und bald darauf wieder verschwunden.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Moskowskije Nowosti.

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