Was war geschehen?
Die Russen müssen sich selbst isolieren. Dazu forderte sie Präsident Wladimir Putin in einer Ansprache am 25. März auf. Eine Woche sollen die Russen mindestens zu Hause bleiben. Zu Hause ist jetzt der sicherste Ort!“, sagte Putin. Die Woche vom 30. März bis zum 5. April wird für viele Menschen ereignislos sein. Man dachte, es würde nun auch in den Straßen und im Nahverkehr deutlich weniger Menschen geben, weil jeder brav zu Hause bleiben und zum Beispiel mal wieder ein gutes Buch lesen würde. Weit gefehlt!
Die Nachricht vom Zwangsurlaub nutzten viele Russen, um sich schnell einen Platz an der Sonne für die Quarantäne zu sichern. Die Hotelbuchungen an der Schwarzmeerküste verdreifachten sich am Tag von Putins Ansprache, insbesondere in Sotschi.
Dabei spielte auch die aktuelle Preispolitik der russischen Fluggesellschaften eine Rolle. Nur wenige Tage zuvor hatte Aeroflot die Ticketpreise für Inlandsflüge um 40 bis 60 Prozent gesenkt, um Passagiere zu locken, die nun nicht mehr ins Ausland reisen können. Andere Anbieter zogen nach. Bis Freitag, den 27. März, waren in Sotschi 52.000 Touristen verzeichnet, darunter nur 200 Ausländer.
Kehrtwende in der Luft
Aber lange sollte der Aufenthalt im Touristenparadies nicht dauern. Der Gouverneur der Region Krasnodar, zu der auch Sotschi gehört, Wenjamin Kondratjew, war alarmiert über den Ansturm der Touristen. Er forderte die Menschen auf, nicht mehr zu kommen und ließ alle Unterhaltungsangebote der Stadt, einschließlich Konzerte, Spielhallen, Nachtclubs und Kinos schließen. Auch die Restaurants, Cafés, Bars, Einkaufs- und Freizeitzentren und sogar öffentliche Parkanlagen sollten geschlossen werden. So blieb den Touristen als einzige Beschäftigung noch ein Spaziergang rund um ihre Herberge.
Die radikalste Maßnahme von allen war jedoch das Verbot, weiter Buchungen zu akzeptieren. „Touristen, die sich bereits in Hotels und Sanatorien sind, werden nicht vertrieben. Aber ab dem 28. März sind keine Neuankömmlinge mehr erlaubt “, erklärte der Gouverneur.
Die Konsequenzen waren hart. Zum Beispiel musste ein Flugzeug mit 147 Touristen aus Perm auf dem Weg nach Sotschi am 27. März in der Luft umkehren, da der Anbieter die Pauschalreise und den dazugehörigen Charterflug wegen der Ankündigung des Gouverneurs stornierte. Doch einige Unbelehrbare machten sich dennoch auf den Weg an die Schwarzmeerküste. „Nun, was sollte ich machen? Das Hotel und die Hin- und Rückfahrkarten waren bezahlt. Und dann wird uns gesagt, wir sollen nicht auftauchen“, schrieb Witali Demeschew in den sozialen Medien. Er gehört zu den vielen Russen, die sich dem Verbot widersetzten.
Rauswurf mitten in der Nacht
Viele Hotels beschlossen entgegen der Regierungsverordnung, den Gästen nicht vorzuschreiben, sich selbst zu isolieren. Sie gingen direkt einen Schritt weiter und forderten die Gäste zum Verlassen des Hotels auf, teils mitten in der Nacht, ganz gleich, wie lange das Zimmer noch gebucht war. „Ungefähr 3.000 Menschen haben an diesem Abend das Hotel verlassen. Der Rest, weitere bis zu 4.000 Personen, muss bis 12 Uhr mittags abreisen“, schrieb Sergej Sergejewitsch auf Instagram.
Ein Tourist berichtet, dass es plötzlich kein Essen mehr im Hotel gegeben habe. „Heute Morgen gingen meine Mutter und mein Kind zum Frühstück, das wir mitbezahlt hatten. Dort saß ein Wachmann. Es gab kein Frühstück. Sie fragten, ob uns Essen gebracht werden würde, doch es hieß, es gebe nicht genug Boxen zum Ausliefern. Es gab auch keine Essensausgabe, keinen Zimmerservice, keine Erstattung. Nichts. Nur eine Nachricht des Reiseveranstalters um 4 Uhr morgens, dass wir am 28. März abreisen müssten.“
Der Rücktransfer nach Hause wurden nur für diejenigen arrangiert, die eine Pauschalreise gebucht hatten, also eine Kombination von Flug und Unterkunft. Alle anderen mussten sich ihr Rückflugticket selbst kaufen. Die Touristin Jana Pardo erzählte Interfax, dass sie ein Ticket von Moskau nach Sotschi für 6.000 Rubel (etwa 70 Euro) gekauft habe. Für den Rückflug musste sie dagegen 32.000 Rubel (etwa 370 Euro) hinblättern.
Die Stadtverwaltung gab bekannt, dass die meisten Touristen sich bereit erklärt hatten, die Stadt Sotschi freiwillig zu verlassen. Diejenigen, die nicht gehen konnten oder wollten, durften am Ende ohne zusätzliche Kosten noch ein paar Tage in ihren Hotels bleiben, jedoch ohne Verpflegung.