Von Bliny bis Piroschki: Moskauer Snacks am Anfang des 20. Jahrhunderts

Yury Artamonov/RIA Novosti
Ein schneller Imbiss war in Moskau immer ein besonderes Vergnügen. Die Fahrt oder der Spaziergang in die Stadt dauerte nie lange und die Rezepte ähnelten jenen, die man bis heute kennt. Wir erzählen, was damals „in“ war.
  1. Bliny (Pfannkuchen)

Wer könnte zu einem gefüllten süßen Pfannkuchen an einem kalten Tag nein sagen? Niemand! Aus diesem Grund wurden die Bliny oftmals die Hauptspeise, die von den Straßenverkäufern direkt von einem Tablett verkauft wurden. Meist geschah dies an besonders belebten Plätzen, zum Beispiel bei Ochotnyj Rjad, in der Soljanka-Strasse, oder in der Nähe eines Badehauses, eines Marktes beziehungsweise eines Bahnhofs. Die Preise waren dabei überall gleich. Zudem war es möglich, die Gerichte nicht nur an Imbissständen, sondern auch in einigen Wirtshäusern zu essen. In seinem Kurzgeschichtenband über Moskau schreibt Wladimir Giljarowskij, dass ein besonders bekannter Ort für den Genuss von Bliny der untere Saal der Nisok Taverne war. Dort wurden die leckeren Pfannkuchen rund um die Uhr direkt vor den Kunden zubereitet.

  1. Kalatsch und Baranka (Röllchen und Bagel)

Der Kalatsch ist einer der ältesten russischen Brottypen. Der Moskauer Kalatsch hatte dabei die Form und das Aussehen eines Eisengewichts: Während der untere Teil rund und weich ist, gleicht der obere Teil einer aus Teig geformten Hantel. So hielt man damals den Kalatsch während dem Essen fest, ohne die „Hantel“ mitzuessen – diese schmiss man entweder weg oder gab sie den Armen. Denn oftmals hatten die Menschen keine Gelegenheit vor dem Essen ihre Hände zu waschen und wollten nicht den Teil des Kalatschs essen, den sie mit ihren ungewaschenen Händen festgehalten hatten.

Der Kalatsch wurde meist in kleinen Einkaufspassagen oder in schmalen Gassen verkauft. Oftmals war er dabei gefroren, damit er frisch bleiben konnte. Kaufte ihn jemand, wurde er mit Hilfe eines heißen Handtuchs aufgetaut und unterschied sich durch die wundersame Teigqualität kaum von einer frisch gebackenen Variante.

Die Barankas tauchten etwas später als der Kalatsch in der russischen Essgeschichte auf. Erstmals erwähnt wurden sie in einem Erlass Peter des Großen im Jahr 1725, der ihren Preis bestimmte. Ihre Massenproduktion in Fabriken jedoch beginnt erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bei der Baranka handelt es sich um einen Teigring der im Wasser gekocht und als eine Art Dessert serviert wird. Sie können auch gebacken, dutzendweise auf einer Schnur aufgehängt werden und werden mit Vorliebe auf Jahrmärkten oder zu Nationalfeiertagen gegessen.

  1. Gretschniwiki

Gretschniwiki hatten einen besonderen Platz unter dem Fastfood, das auf den Moskauer Straßen verkauft wurde. Sogar der russische Schriftsteller Wladimir Giljarowskij schrieb darüber, wie sie im Ochotnyj Rjad verkauft wurden. Besonders gerne wurden sie zur Fastenzeit vor Ostern angeboten, da die Anhänger der russisch-orthodoxen Kirche in der Zeit kein fettreiches oder süßes Essen zu sich nehmen durften. Das Rezept für Gretschniwiki ist dabei sehr einfach und gleicht einem Omelett mit Buchweizenbrei. Der Brei wurde dafür abgekocht, in eine Pfanne getan und zum Abkühlen hingestellt. Die verrührten Eier wurden dann darüber gegeben und von beiden Seiten in Pflanzenöl abgebraten. Das fertige Gericht wurde auf einem Tablett von den Straßenverkäufern an den Mann gebracht und war besonders bei Kutschern beliebt, während sie auf ihre nächsten Kunden warteten.

  1. Piroschki (Piroggen)

Heiße Piroggen wurden besonders gerne zum russischen Brottrunk Kwass als Imbiss serviert und waren vor allem unter Studenten populär, da sie am billigsten waren. Die Bäcker verkauften sie in kleinen Kisten, die sie mit einem besonderen Kissen abdeckten, um die Piroggen warm zu halten. Meist wurden sie in Moskau mit Schinken, Kartoffeln, Eiern oder Innereien gefüllt und für zehn Kopeken pro Stück verkauft, aber auch die süße Variante mit Marmelade konnte man für die Hälfte des Preises erwerben.

  1. Gorochowyj kisel (Erbsenkissel)

Beim diesem Erbsenkissel, das sich noch leichter als ein Gretschniwik zubereiten lässt, handelt es sich um eine weitere Hülsenfrüchtemahlzeit. Dazu rührt man Erbsenmehl in kochendes Wasser ein, lässt es dann für 15 bis 20 Minuten im Ofen  und gießt es zum Abkühlen in eine Form. Wenn es fertig ist, wird es in Stücke geschnitten, wobei die gelbgrüne, in Butter schwimmende Kisselmasse nicht besonders appetitlich aussieht. Den damaligen Stadtbewohnern scheint es jedoch geschmeckt zu haben. Waren einmal keine Hülsenfrüchte zur Hand, wurde diese Speise gerne mit Hafer, dann allerdings ohne Butter, zubereitet.

  1. Schtschi (Krautsuppe)

Die traditionelle russische Suppe Schtschi war mit zehn Silberkopeken pro Topf das teuerste Straßenessen, da sie Kraut, Kartoffeln, Schinken und fetthaltiges Fleisch enthielt und mit einem Klecks Schmand serviert wurde. Vor allem Händler bestellten sie sich gerne, ohne ihren Stand zu verlassen. Der Straßenverkäufer eilte mit der Suppe durch die Märkte und verteilte sie in Töpfen, die er später wieder einsammeln und mit einem Putztuch reinigen würde.

  1. Sbiten

Auch wenn Russland für seine harten und langen Winter bekannt ist, möchte doch bei den Nationalfeiertagen und den Winterfeierlichkeiten niemand frieren. Aus diesem Grund waren heiße Getränke schon immer in der Winterzeit beliebt. Bei Sbiten handelt es sich um ein altes russisches Honiggetränk, dessen Verkäufer Sbitenschiki genannt wurden. In Moskau hielten sie sich meist im Kitaj-Gorod und Ochotnyj Rjad auf, also den Plätzen, die die besten und lebendigsten Märkte hatten. Um das Getränk so lange wie möglich warm zu halten, wurde es vorzugsweise in Gefäße, die einen engen Hals hatten, gefüllt.

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