Cucumaria: Das seltsamste Meerestier der Sowjetküche (FOTOS)

Russische Küche
JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Diese fernöstliche Delikatesse stieß die sowjetische Bevölkerung früher eher ab, weil sie einfach zu ungewohnt aussah. Heute ist sie für viele Russen ein Stück Nostalgie. Wir erklären, was Cucumaria ist, warum die Menschen sie liebten und wie man sie am besten zubereitet.

Als Cucumaria in Dosen zum ersten Mal in der UdSSR auftauchte, wollte niemand etwas damit zu tun haben. "Damals wurden den Arbeitern in regelmäßigen Abständen Lebensmittelsets verkauft. Ein solches Set enthielt in der Regel einige schöne Dinge wie Hühnerfleisch, Buchweizen, Kondensmilch, Schokoladenbonbons oder Fisch. Aber es enthielt immer auch Überschussware - Dinge, die niemand kaufen wollte, darunter auch Cucumaria und Seetang. Wirklich niemand wollte diese Sachen haben. Die Lagerhallen waren komplett mit Kisten und Dosen dieser unglückseligen Cucumaria gefüllt,“ sagt Wadim, der im hohen Norden Russlands lebt.

Tatsächlich kam die Cucumaria anfangs nicht gut bei der Bevölkerung an. Erstens hatte außerhalb der Regionen Primorje und Sachalin niemand eine Ahnung, was das seltsame neue Lebensmittel eigentlich war. Zweitens sah es schlichtweg eklig aus. So standen eine Zeit lang ganze Pyramiden von Dosen mit dem mysteriösen Produkt in den Geschäften und verstaubten. Erst als mehr und mehr Leute rausfanden, was sich hinter dem Namen Cucumaria verbarg, leerten sich die Regale. 

Seegurke

Die Cucumaria ist eine Unterart der Seegurke und hat in der Regel eine braune oder dunkelviolette Färbung. Sie kann bis zu 40 Zentimeter lang und bis zu einem Kilogramm schwer werden.

Die Art bewegt sich in Tiefen von fünf bis fünfzig Metern über dem Meeresboden und ernährt sich hauptsächlich von Plankton. Verwechselt wird sie oft mit Seegurken der Unterart Tripang, mit der sie auch die Fähigkeit zur Regeneration teilt: Eine Cucumaria ist in der Lage, ihren Körper aus einem Drittel ihrer Größe wiederherzustellen: Würde man eine lebende Cucumaria in drei Teile schneiden, würde man drei neue Kreaturen erhalten.

In der fernöstlichen Küche galt die Cucumaria schon lange als Delikatesse. In der restlichen Sowjetunion wurde sie erst wirklich beliebt, als Wissenschaftler die gesundheitlichen Vorteile des Cucumariakonsums entdeckten. 

Tötet Krebszellen

100 Gramm ihres Fleisches enthalten nur 35 Kalorien, sind aber sehr nährstoffreich: Die Cucumaria enthält so viel Karotin und Vitamin A wie Rindfleisch, mehr als dreimal so viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie Fisch und rund zehnmal so viele Mineralien wie Schwein, Rind oder Hühnchen. Zudem ist die Cucumaria arm an Kohlenhydraten und reich an Kollagenen. 

Einer der Inhaltsstoffe, Frondosid A, hat Studien zufolge sogar eine krebsbekämpfende und immunmodulierende Wirkung. Durch den hohen Polysaccharidgehalt hilft die Cucumaria zudem auch bei der Vorsorge von Demenz. 

Wie wird sie verzehrt?

Zunächst wird eine Cucumaria geschält, in der Mitte aufgeschnitten und ausgeweidet. Dann gibt es mehrere Möglichkeiten: Sie kann entweder eingefroren oder sofort gekocht werden. Die Zubereitung der letzteren Variante dauert drei bis vier Stunden.

Im Gegensatz zu den Chinesen und Japanern, wo sie als Sashimi beliebt ist, essen die Russen die Cucumaria in der Regel nicht roh. Stattdessen kocht man sie, trocknet sie oder konserviert sie. Letzteres ist die beliebteste Variante, da sie den Transport und die Lagerung erleichtert. Das Gericht wird meist mit Meerkohl serviert, was auch der sowjetischen Tradition entspricht. Tatsächlich ist die Cucumaria aber sehr viel vielfältiger. Man kann sie z.B. auch braten, sautieren oder als Risotto oder Salat zubereiten. 

"Ich finde, dass sie am besten mit Fleisch und Gemüse schmeckt. Ich würde keine allzu ausgefallenen Gewürze verwenden, da der Eigengeschmack recht neutral ist", sagt Dimitri Kemjaschow, Küchenchef im Restaurant Ostrow Russkij. "Einfaches Salz und Pfeffer sind gut, ebenso wie Tomaten. Auch Sojasauce und verschiedene traditionelle japanische und chinesische Produkte eignen sich aufgrund der geografischen Herkunft des Produktes gut. Mein Favorit ist ein einfacher Salat: die Cucumaria anbraten, Gemüse und Sojasauce dazugeben."

Das traditionellste Cucumaria-Gericht im Fernen Osten ist der sogenannte "Schaber". Dabei werden zunächst Karotten und Zwiebeln gebraten, später kommen Tomaten hinzu. Für einen kräftigeren Geschmack kann man auch Fleischbrühe hinzufügen. Dann werden die gewürfelten Cucumaria und Fleisch (z. B. Rind) in die Pfanne gegeben. Zum Schluss kommen noch einige Paprikaschoten dazu und man lässt das Gericht etwas köcheln. 

Obwohl die Cucumaria in Russland industriell gefangen wird, ist es heutzutage außerhalb des Fernen Ostens trotz des bescheidenen Preises von 200 Rubel (ca. 2,28 Euro) für eine Dose nicht einfach, sie zu finden.