Der Islam ist nach der Zahl der Gläubigen nach dem Christentum die zweitgrößte Religion in Russland. Sie wird von etwa 10 % der Bevölkerung des Landes praktiziert. Es gibt zwei Regionen, in denen der Islam weit verbreitet ist: der Nordkaukasus und die Wolga-Ural-Region, zu der Tatarstan und Baschkortostan gehören, wo die Muslime des europäischen Russlands und Sibiriens genetisch miteinander verbunden sind.
Einige Bräuche gelten unabhängig von dem Ort, an dem die Muslime leben. So besteht zum Beispiel der Bestattungsritus aus wiederholten Gedenkfeiern: am 3., 7., 40. und 51. Tag nach dem Tod. Es wird angenommen, dass der Körper während dieser Zeit biologische Veränderungen durchmacht und der Verstorbene leidet. Für die Seele des Verstorbenen wird eine Totenwache organisiert, damit er nicht vergessen wird. Während der Totenwache wird der Koran gelesen und gebetet. Bei der Gedenkmahlzeit wird – wie es im Islam üblich ist – kein Schweinefleisch gegessen und kein Alkohol getrunken.
Einige Traditionen sind Jahrhunderte alt und ändern sich daher mit der Zeit und dem Lebensstil, aber sie bleiben für viele Familien ein Leitfaden. So gibt es zum Beispiel den Brauch, dass drei Tage lang nach der Beerdigung im Haus des Verstorbenen „kein Feuer angezündet“ und nichts gekocht wird. Den Angehörigen des Verstorbenen werden von Verwandten und Nachbarn Lebensmittel gebracht. Dies geschieht, damit die Angehörigen für den Verstorbenen beten und nicht an das Essen denken. Muslime glauben, dass die Seele des Verstorbenen noch nicht von uns gegangen sei und irgendwo in der Nähe wohne.
Wenn möglich, schlachtet die Familie des Verstorbenen traditionell am Tag der Beerdigung eine Kuh oder einen Bullen und verteilt eine symbolische Sadaqa (Almosen) an Verwandte und Nachbarn. Das kann rohes Fleisch, Reis, Mehl, Hirse, Zucker oder Geld sein. Es ist eine Almosengabe zu Ehren Allahs.
Der Leichenschmaus im Nordkaukasus ist regional unterschiedlich, aber es gibt einige Gerichte, die überall zubereitet werden.
Zum einen gibt es Lepjóschki (runde Fladen) und Pýschki (Krapfen). Die Tscherkessen frittieren sie in kochendem Öl, während die Tschetschenen und Inguschen sie in einer trockenen Pfanne braten. Es wird angenommen, dass der Geruch von frittiertem Teig die Seele des Verstorbenen erreicht. Diese Lepjóschki werden das ganze Jahr über an Verwandte und Nachbarn verteilt, um den Verstorbenen zu gedenken.
Chytschín mit Käse und Grünzeug.
Legion MediaEine aufwendigere Variante der Lepjóschki sind flache Piroggen, die mit Quark, Kartoffeln, Kartoffeln und Käse oder Fleisch gefüllt sind. Bei den Balkaren und Karatschaiern heißen sie Chytschín, bei den Tschetschenen und Inguschen werden sie Tschepalgásch genannt.
Die ossetischen Piroggen sind die wohl bekanntesten. Die Anzahl der Piroggen hat eine besondere Bedeutung: Während bei einer Hochzeit oder einem fröhlichen Festessen drei ossetische Piroggen auf den Teller gelegt werden, sind es bei einem Leichenschmaus nur zwei, da der Verstorbene kein Licht mehr sehen wird und eine Pirogge, die die Sonne symbolisiert, nicht benötigt wird. Nur die Symbole für Gott und die Erde bleiben übrig.
Für das Gedenkmal werden verschiedene Fleischgerichte zubereitet: Schorpá (Lammsuppe), Mantý oder Pelméni zubereitet. Zudem werden Reisgerichte mit gekochten Fleischstücken, Sultaninen, Ayran, Butter oder saurer Sahne gereicht.
Es gibt auch regionale Gerichte: Schtschips (eine Soße mit Knoblauch), Käse sowie Leberwurst mit Knoblauch, Zwiebeln und rotem Pfeffer. Oder auch Hingál (hausgemachte Nudeln, serviert mit gekochten Eiern, Knoblauch und saurer Sahne oder saurer Milch).
Schtschips ist eine authentische, reichhaltige Suppe mit Soße, die auch als Hauptgericht dienen kann.
Legion MediaHalwá aus Weizen-, Mais- oder Hirsemehl, das in Butterschmalz gekocht und mit Zucker oder Honig versetzt wird, spielt eine wichtige Rolle. Sie wird von den Angehörigen des Verstorbenen zubereitet. Es wird geglaubt, dass „der Verstorbene diejenige sieht, die den Halwa-Teig rührt“, und dass seine Seele dank das Halwa, das er mit seinen Verwandten teilt, ein süßes Leben bei Allah haben wird.
Dieses exotische Halwa kombiniert das Aroma von Maismehl mit der Textur von Nüssen.
Legion MediaWährend des Trauerfestes wird auch ein fest gekochter Hirsebrei serviert, der Pásta genannt wird. Nach dem Abkühlen wird er in Stücke geschnitten und als Brotersatz verwendet.
Als Getränke werden Wasser, Ayran, schwarzer oder kalmückischer Tee mit Milch, Salz und Gewürzen sowie hausgemachte Limonade serviert.
Tatarischer Grünkohl.
Legion MediaMuslime aus anderen Regionen versammeln sich am dritten Tag zum ersten Gedenkmahl. In Tatarstan besteht die wichtigste Gedenkmahlzeit aus kleinen Kegeln aus feinsten Zuckerfäden. Sie werden Talkysch oder Kalewe genannt und entsprechen in ihrer heiligen Bedeutung Halwa oder Kutja bei den Orthodoxen. Sie sollen der Seele helfen, das süße Leben im Jenseits zu finden. Die Süßspeise wird aus Mehl, Butter, Honig oder Zucker hergestellt.
Es wird davon ausgegangen, dass das Gedenkmahl den Gastgeber nicht zu sehr belasten sollte. Für die Totenwache werden traditionelle Gerichte zubereitet: Fleischbrühe mit Nudeln als erster Gang, Fleisch mit Kartoffeln oder Buchweizenbrei als zweiter Gang. Es können Plow, Pelméni mit Brühe oder Dolmá zubereitet werden. Dazu können auch Lepjóschki gebacken werden.
Das ganze Jahr über gedenken die Muslime freitags ihrer Verstorbenen. In Tatarstan bereiten die Gastgeberinnen für die Totenwache einen rituellen Kuchen – Pýschki mit Fleisch- oder Kartoffelfüllung – bei großer Hitze zu. Der Geruch solle den Verstorbenen erreichen. Das Gedenkmahl endet mit Tee und Süßigkeiten.
Zur-belisch, ein traditioneller tatarischer Kuchen.
Legion MediaDas Gedenkmahl der Muslime in anderen Regionen unterscheidet sich nicht wesentlich von einem traditionellen Festmahl. In Baschkortostan werden beispielsweise Nudelsuppe mit Fleisch, eine runde Pirogge mit Fleischfüllung, Fladenbrot, Gebäck und Tee mit Süßigkeiten zubereitet.
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!