Fußball-WM 2014: Keine russischen Pfiffe

Sergej Karasew zählt zu den versprechendsten Schiedsrichtern Russlands. Foto: RIA Novosti

Sergej Karasew zählt zu den versprechendsten Schiedsrichtern Russlands. Foto: RIA Novosti

Der Vorsitzende der Schiedsrichterkommission des Russischen Fußballverbandes Alexej Spirin nennt die Gründe dafür, dass es kein russischer Referee auf die Kandidatenliste für die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien geschafft hat.

„Um ehrlich zu sein, haben wir es nicht anders erwartet. Unsere Schiris haben einfach zu viele Fehlentscheidungen getroffen", gibt Spirin gegenüber der Zeitung „Iswestija" zu. Die beiden Topkandidaten aus russischer Sicht, Alexej Nikolaew und Wladislaw Besborodow, hätten bei europäischen Wettbewerben zuletzt schwache Vorstellungen geboten. Dadurch sei Nikolaew in der UEFA-Hierarchie gleich um zwei Kategorien abgestuft worden. Besborodow habe sich nicht weiterentwickeln können. Somit hätten sich die in beide gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt.

 

Wie wird sich diese Entwicklung auf die Arbeit der russischen Schiedsrichter auswirken?

Das Image der russischen Schiedsrichter hat verloren, das Vertrauen in sie ist zurückgegangen. Als Folge dessen verringert sich die Zahl ihrer Einsätze bei europäischen Wettbewerben. Deshalb müssen wir jetzt verstärkt an die Zukunft denken. So sind wir derzeit damit beschäftigt, unsere Schiedsrichter auf die Europameisterschaft 2016 vorzubereiten. Wir sind zwar nach wie vor nicht in den zwei ersten Qualifikationsgruppen vertreten, aber immerhin haben es Sergej Karasew, auf den wir am meisten setzen und Wladislaw Besborodow in die dritte Gruppe geschafft.

 

Welcher russische Schiedsrichter hat die besten Chancen, bei der EM in Frankreich 2016 zu pfeifen?

Unseren Einschätzungen zufolge hat Sergej Karasew die besten Chancen. Seine Leistungen werden von Tag zu Tag besser, besonders bei europäischen Turnieren. Er verfügt über gute Zeugnisse und Referenzen

Ende März veröffentlichte die FIFA-Schiedsrichterkommission eine sogenannte Shortlist für die Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien. In die Liste schafften es Referees aus insgesamt 52 Ländern. Russische Schiedsrichter wurden nicht nominiert.

Die Kandidaten für Brasilien kommen teilweise aus Ländern, die bei weitem keine traditionellen „Fußball-Nationen“ sind, wie Ungarn, El Salvador und Tahiti. England, Deutschland, Spanien und Italien haben gleich zwei Schiris auf der Shortlist.

Der letzte russische Schiedsrichter, der bei einer Weltmeisterschaft gepfiffen hat, war Walentin Iwanow. Er leitete im Achtelfinale der WM 2006 in Deutschland das Spiel zwischen Portugal und den Niederlanden.

Damals vergab der russische Schiri gleich 16 gelbe Karten, von denen vier schließlich zu roten Karten führten. Diese unglaubliche Quote ging als Anti-Rekord in die Geschichte der internationalen Fußballturniere ein.

von Roberto Rosetti, Pierluigi Collina und anderen Mitgliedern der UEFA-Schiedsrichterkommission. Außerdem ist er erst 33 Jahre alt, was ihm nicht nur gute Chancen für die EM 2016 einräumt, sondern auch für die WM 2018 in Russland. Das ist besonders wichtig, denn schließlich wollen wir bei der Heim-WM nicht ohne russischen Schiedsrichter dastehen. Denn es ist unwahrscheinlich, dass man für uns eine Ausnahme macht, nur weil wir das Gastgeberland sind.

 

Ist es Ihrer Meinung nach gerecht, dass manche Länder gleich mit zwei Schiedsrichtern vertreten sein werden und andere dahingegen mit keinem einzigen?

Es gibt gewisse objektive Auswahlkriterien. Wir müssen gestehen, dass wir Probleme damit haben, es in die Elitegruppe der Schiedsrichter zu schaffen. Natürlich könnten wir unsere Schiedsrichter mithilfe einiger politischer „Spielchen" weiter nach oben schieben. Doch was würde uns das bringen? Durch solche Methoden würden sie auch keine neuen Praxiserfahrungen sammeln. Aber genau das ist für ihre weitere Entwicklung so wichtig. Wir müssen jetzt einfach nüchtern die Situation einschätzen, die richtigen Schlüsse ziehen und nach vorne blicken.

 

Was sollte konkret getan werden, um die Qualifikationen unserer Schiedsrichter anzuheben?

Man wird nicht über Nacht zu einem guten Schiedsrichter. Dazu muss man viele Erfahrungen sammeln, auch durch Fehler. Allerdings ist wichtig, dass man diese möglichst noch zu Beginn seiner Karriere macht, wenn man noch nicht so viel Verantwortung zu tragen hat. Entscheidend ist, dass man aus seinen Fehlern lernt, um diese in Zukunft vermeiden zu können. Zweitens ist es wichtig, seine persönlichen Eigenschaften, wie beispielsweise Charisma, zu entwickeln. Denn sollte ein charismatischer Schiedsrichter jemals einen Fehler machen, dann wird man das Vertrauen in ihn nicht so schnell verlieren.

 

Rosetti meinte, dass die Probleme mit unseren Schiedsrichtern mit deren vergleichsweise jungen Alter erklärt werden könne. Was sagen Sie dazu?

Ich sehe darin weniger ein Problem, als vielmehr eine Stärke. Nehmen wir beispielsweise Italien: Als es dort eine schwerwiegende Schiedsrichterkrise gab, wurde ein spezielles Auswahl- und Qualifizierungssystem für zukünftige Fußball-Referees eingeführt. Bei uns hingegen wird ein solches System mal aufgebaut, dann wieder zerstört, und dann beginnt man wieder von vorne. So kann man aber keine Kontinuität entwickeln.

Unser Hauptproblem liegt darin, dass es große Ungleichheiten zwischen den Regionen gibt. Wir haben durchaus talentierte Jungs. Doch diese müssen gefunden und richtig ausgebildet werden. Es ist heute eben so, dass wir uns wohl oder übel auf unsere jungen Schiris verlassen müssen. So haben wir letztes Jahr acht und dieses Jahr insgesamt sechs junge Schiedsrichter rekrutiert. Der Großteil der Kandidaten ist im Alter zwischen 26 und 32 Jahren. Doch diese Leute befinden sich auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit, sowohl in physischer, als auch, hoffentlich, in mentaler Hinsicht. Unsere Hauptaufgabe besteht nun darin, diese jungen Schiedsrichter weiter voranzubringen. Doch dazu braucht man Zeit.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Iswestija

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