Ins Sommercamp mit Ajax Amsterdam

Tom Sauer, der Gründer des Sommer-Trainingscamps, ist für seine Tätigkeit als Dolmetscher von Ruud Gullit, dem ehemaligen Trainer des Fußballklubs „Terek“ aus Grosny, bekannt. Foto: RIA Novosti

Tom Sauer, der Gründer des Sommer-Trainingscamps, ist für seine Tätigkeit als Dolmetscher von Ruud Gullit, dem ehemaligen Trainer des Fußballklubs „Terek“ aus Grosny, bekannt. Foto: RIA Novosti

Der Trend, Fußball-Trainingscamps für Kinder in Zusammenarbeit mit bekannten Vereinen zu organisieren, hat nun auch Russland erreicht. So schlug der Amsterdamer Fußballklub Ajax diesen Sommer in Istra, einer Vorstadt von Moskau, seine Zelte auf.

Die Vorstadt Istra liegt eine Stunde Zugfahrt von Moskau entfernt. Dort, unweit des Bahnhofs, befindet sich das Fußballstadion der Gemeinde, wo einst die Herrenmannschaft Istra über das Feld stürmte und nun die Damen der gleichnamigen Frauenfußballmannschaft spielen. Das Stadion selbst befindet sich inmitten einer malerischen Landschaft. Fünfzehn Minuten vor Spielbeginn deutet nichts darauf hin, dass gerade hier ein Freundschaftsspiel zwischen den Jungs des Ajax-Sommercamps und den jungen Fußballern der Vorstadt stattfinden wird. Doch nun fahren zwei Busse ein. Aus ihnen steigen Kinder mit rot-weißen Trikots in Richtung Fußballfeld aus, die in einer Reihe auf den Platz laufen. Noch bereiten sich die Elfjährigen auf das Spiel vor; mit an Bord sind auch die restlichen Fußballenthusiasten. Doch sie wärmen sich nicht mit Laufeinheiten auf, vielmehr feilen die jungen Sportler an ihrer Spieltechnik.

„Ajax won the Champions League two times, right?“, fragt ein Bursche in der Trainingspause seinen holländischen Trainer. Dieser entgegnet, Ajax habe nicht nur zweimal, sondern gleich viermal gewonnen, was der junge Fußballer mit einem zufriedenen „cool“ kommentiert.

Unter den jungen Fußballern ist noch ein hin- und herlaufender rothaariger Mann zu sehen, der im Gehen mit Worten aus dem Russischen, Englischen und Holländischen jongliert. Es ist Tom Sauer, der Gründer des Sommer-Trainingscamps und Sohn des Medienmagnats Derk Sauer. Dieser hatte 1989 seinen Wohnsitz nach Holland verlegt, um genügend finanzielle Mittel aufzubringen, damit er in der ehemaligen UdSSR publizieren konnte. Sein Sohn Tom hingegen ist für seine Tätigkeit als Dolmetscher von Ruud Gullit, dem ehemaligen Trainer des Fußballklubs „Terek“ aus Grosny, bekannt. Tom konsultiert bei strategischen Belangen öfter seinen Vater, doch das Ajax-Trainingslager für Kinder ist alleine sein Projekt.

Kinder aus ganz Russland haben bereits teilgenommen

„Ich versuche zum ersten Mal, selbstständig ein Geschäft zu führen“, erklärt Tom Sauer. „Als noch alles in Planung war, hatte ich keine Ahnung, was aus dem ganzen Vorhaben werden würde. Schließlich hatte ich zuvor niemals ein Fußballtrainingscamp organisiert. Doch ich musste mit irgendetwas beginnen.“

Der Name ist nicht das Einzige, was Ajax zu dem Trainingslager in Istra beisteuert: Sauer hat zudem noch einige Trainer aus De Toekomst, der legendären Jugendakademie des holländischen Klubs, nach Russland eingeladen.

„Die größte Schwierigkeit in Russland bestand darin, passende Fußballfelder zu finden“, sagt Sauer. „Ich habe Stadien gesucht, die sich außerhalb der Stadt befinden und die nicht zu einem bestimmten Fußballklub gehören. Dabei habe ich viele Varianten durchprobiert, doch entschieden habe ich mich schließlich für dieses: Hier gibt es genügend Spielfläche, wir sind im Grünen und die Luft ist sauber. Es gefällt mir. Der einzige Nachteil ist, dass wir zum Lager mit dem Bus fahren müssen. Es wäre ideal gewesen, wenn wir zu Fuß dorthin hätten gehen können.“

Doch sein Kind zum Fußballspielen in das Ajax-Trainingscamp zu schicken, ist für russische Verhältnisse ein teures Vergnügen. Der einwöchige Aufenthalt unter der Obhut der Niederländer kostet nämlich 1 000 Euro und ein ganzer Monat beläuft sich auf stolze 4 000 Euro. Ungeachtet dessen kommen weniger als 80 Prozent der Kinder aus Moskau. Sauer bestätigt diese Angabe und meint, dass hier fast jede Region Russlands vertreten sei. Außerdem gebe es in jedem Jahrgang auch Kinder von Eltern, die im Ausland leben, wie Sauer damals.

Wenig Freizeit, dafür aber ein freundliches Miteinander

Abseits des Fußballfelds beobachtet Papa Sergej das Spiel. Schließlich ist sein neunjähriger Sohn auf dem Feld, der, trotz seines jungen Alters, zum Spiel der „Älteren“ zugelassen wurde. „Es ist schwierig für ihn, da er jünger ist“, erklärt Sergej. „Meine Bekannten haben ihre Kinder den Sommer über immer nach Italien in das Trainingscamp von AC Milan geschickt. Das wollte ich auch, doch das ging leider nicht. Deswegen habe ich meinen Sohn gleich für zwei Wochen hierher geschickt. Und es gefällt ihm. Ich sehe auch selbst, dass die Holländer einen anderen Zugang haben. Sie schreien beispielsweise die Kinder nicht an, wie es unsere Trainer tun. Das Einzige ist, dass sie wenig Freizeit haben, sie trainieren dreimal am Tag. Aber das ist besser für ihn, als auf der Straße herumzuhängen.“

Während des Spiels wirkt Mario, der Trainer des jungen Ajax-Teams, gelassen. In seiner Hand hält er ein Blatt mit den Spielanweisungen der Mannschaft. Nach jedem Spielerwechsel stützt er sich mit einem Knie auf dem Boden ab, um mit dem eingewechselten Spieler auf gleicher Höhe zu sein und ihm eine kurze Einweisung zu geben. Die Spieler, die im Ballbesitz sind, bekommen dabei prinzipiell keine Tipps, denn die Jungs sollen sich nicht fürchten, sondern selbst die Initiative ergreifen. In der Pause versammeln sich die Spieler im Kreis um ihren Coach und planen. Mario achtet währenddessen darauf, dass die Kinder den Sinn dessen verstehen, was auf dem Feld passiert, damit sie dort nicht einfach nur herumlaufen.

Das Freundschaftsspiel entscheiden die rot-weiß gekleideten „Amsterdamer“ ohne größere Schwierigkeiten mit einem 1:0 für sich: ein einseitiges Spiel für den Torwart der Siegermannschaft, der das Trikot des legendären Edwin van der Sar trägt.

Nicht nur für reiche Kinder

Ungeachtet dessen, dass das Projekt kommerzieller Natur ist, betont Tom Sauer auch seine soziale Komponente. Ein Drittel der 250 Kinder, die in fünf Saisons im Trainingslager waren, sollen nämlich entweder aus einkommensschwachen Familien oder Kinderheimen stammen. Dabei haben die Sponsoren keine Mühen gescheut, im Gegenteil: Es wurden noch weitere zehn Plätze im Camp für Kinder aus Heimen auf eigene Kosten von einem der Beresuzkij-Brüder bereitgestellt.

Neben dem Training, das die Kinder auch nach Hause mitnehmen werden, und der Abgabe an den Klub Ajax nimmt der größte Teil der Ausgaben die Unterbringung ein. Doch das Hotel Istra, in dem die Kinder wohnen, hinterlässt einen eher düsteren Eindruck. Hier könnte man glauben, dass das einzig Moderne an dem Gebäude die über dem Eingang des Wohnflügels hängenden Werbefahnen von Ajax sind. Sauer stört das allerdings nicht: „Wir sind hier, um Fußball zu spielen und nicht um im Pool herumzusitzen. Außerdem sind 95 Prozent der Kinder mit den Bedingungen zufrieden. Die restlichen fünf Prozent plagt Heimweh – das sind aber auch die jüngsten unter ihnen.“

In ihrer Freizeit spielen die Kinder Fußball auf der Spielkonsole. Denn die zweite Etage des hiesigen Klubs, der wenige Gehminuten vom Hotel entfernt liegt, wurde speziell dafür eingerichtet: Vor einer Reihe an Fernsehern mit Spielkonsolen liegen weiche Sitzsäcke. Dazu zeigt uns Sauer stolz die eigens für die virtuellen Fußballturniere aufgestellte Tabelle. Gleich neben dem Spielraum befindet sich die Aula, wo Fußball-Quiz veranstaltet werden. Dafür hat man kleine Tafeln an den Wänden angebracht, auf denen die ersten vier Buchstaben eines Wortes zu lesen sind. Jeder, der eine Antwort parat hat, muss zu den jeweiligen Tafeln hinlaufen. Üblicherweise läuft es dann so ab, dass jeder dorthin läuft, wo alle hinlaufen.

„Dieses Jahr haben wir es geschafft, bei Null auszusteigen, das heißt, die Ausgaben sind bereits gedeckt“, zieht Sauer Bilanz und geht auf die Straße. „Das Projekt wird weitergeführt. Vielleicht denken wir uns bereits für die Herbstferien etwas Neues aus. Wir versuchen, passende Camps im Süden des Landes zu finden und die Zahl der Holländer zu erhöhen. Außerdem gibt es Pläne, eine ganzjährige Schule zu gründen. Im August werde ich dieses Vorhaben mit Ajax besprechen. Wir werden sehen, was daraus wird.“

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Moskowskije Nowosti.

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