Jugendarbeit statt Millionentransfers: Anschi Machatschkala wechselt Kurs

Die hochbezahlten Fußballer sollen Anschi bald verlassen. Auf dem Bild (von links nach rechts): Jucilei da Silva, Ewerthon, Lassana Diarra, Mehdi Carcela-Gonzalez und Samuel Eto'o.  Foto: RIA Novosti

Die hochbezahlten Fußballer sollen Anschi bald verlassen. Auf dem Bild (von links nach rechts): Jucilei da Silva, Ewerthon, Lassana Diarra, Mehdi Carcela-Gonzalez und Samuel Eto'o. Foto: RIA Novosti

Anschi aus Machatschkala verlässt den Fußballolymp und bereitet sich auf das Financial Fairplay der UEFA vor. Die Finanzprobleme des Vereins- und Uralkali-Chefs Sulejman Kerimow haben zu gravierenden Veränderungen in der Politik des wohl spektakulärsten Fußballprojektes im europäischen Fußball geführt.

In der laufenden Saison war Anschi aus Machatschkala einer der Favoriten. Und zwar nicht nur in der russischen Premierliga, sondern auch in der UEFA Europa League. Der Klub behielt seinen Chef-Trainer, den international äußerst erfolgreichen Holländer Guus Hiddinks und kaufte einige namhafte Spieler ein. Die Mannschaft wurde durch drei Fußballer der russischen Nationalmannschaft verstärkt: Alexander Kokorin (für 19 Millionen Euro), Igor Denisow (für 15 Millionen Euro) und Alexej Ionow (für fünf Millionen Euro). Für 15 Millionen Euro wurde zudem der Verteidiger und kongolesische Nationalspieler Christopher Samba verpflichtet.

Es schien, dass allein die Namen der Anschi-Spieler Schrecken unter den Spielern der Gegner verbreiten müssten. Aber wieder einmal hat sich die alte Fußballweisheit bewahrheitet: Geld schießt keine Tore. An den ersten beiden Spieltagen konnte Anschi keinen Sieg erringen, und nach der Heimniederlage gegen die Moskauer von Dynamo warf Guus Hiddink das Handtuch.

 

Personalkarussell, fallende Aktien und ein Strategiewechsel

Nach dem Fortgang des Holländers sollte es dessen Landsmann René Meulensteen, bisher bei Manchester United Assistent des genialen Alex Ferguson, richten. Der Verlust eines solch erfahrenen und respektierten Trainers wie Hiddink hat die Anschi-Anhänger bereits sehr enttäuscht, aber sie ahnten damals noch nicht, was ihrer geliebten Mannschaft noch bevorstehen würde.

Auch unter Meulensteens Führung konnte Anschi sein Punktekonto nicht steigern. Zudem fielen am 31. Juli die Aktien des weltweit größten Mineraldünger-Produzenten Uralkali, der zum Imperium von Sulejman Kerimow gehört, um fast 30 Prozent und ließen dessen Wert damit um mehr als vier Milliarden Euro schrumpfen. Der Kursverfall der Uralkali-Aktie ließ den Börsenwert des Unternehmens auf die Größe fallen, zu dem ihn die heutigen Aktionäre unter der Führung des dagestanischen Geschäftsmannes einst übernommen hatten.

Gerade einmal eine Woche später musste Anschi gegen Krylja Sowjetow aus Samara eine Heimniederlage einstecken, und am 6. August trat nun der Vorstandsvorsitzende des dagestanischen Vereins, Konstantin Remtschukow, mit einer Reihe sensationeller Erklärungen an die Öffentlichkeit. Zum einen soll der Verein grundlegend umstrukturiert werden. Man will bei Anschi in Zukunft auf die Spieler aus der vereinseigenen Fußballakademie setzen und die hochbezahlten Fußballer sollen die Mannschaft verlassen.

Zum anderen wird das Budget des Klubs nun nur noch 50 bis 70 Millionen Euro pro Jahr betragen. Im letzten Jahr stand hier noch ein Etat von knapp 120 Millionen Euro zur Verfügung. Und schließlich wird der Russe Gadschi Gadschijew zum neuen Chef-Trainer des Vereins ernannt, für den es inzwischen der vierte Einsatz bei Anschi sein wird. Er betreute die Mannschaft aus Machatschkala bereits zwischen 1999 und 2001, zwischenzeitlich im Jahre 2003 sowie von 2010 bis 2011.

 

Spekulationen um den Klub reißen nicht ab

Am Tag darauf ergingen die Massenmedien sich weltweit in Spekulationen, wer denn den einen oder anderen Fußballstar von Anschi übernehmen werde. In Russland wurde von einem Wechsel Juri Schirkows und Igor

Denisows zu Dynamo Moskau berichtet, in Frankreich über den Transfer Lassana Diarras zum AS Monaco und in Italien über die Rückkehr von Samuel Eto'o zu Inter Mailand. Remtschukow war bemüht, Fans wie auch Fachleute zu beruhigen, und teilte mit, dass ein totaler Ausverkauf der Spieler nicht zur Debatte stehe. Allerdings war in derselben Mitteilung von einer Krankheit Sulejman Kerimows die Rede, die diesem ein weiteres Engagement für den Fußball verbiete.

Diese Neuigkeit schlug ein wie eine Bombe. Der Kurs der Aktien von Kerimow, der in verschiedenen Branchen tätig ist, begann zu purzeln. Gerade einmal eine halbe Stunde später erklärte Kerimows Presssprecher, dass der russische Unternehmer absolut gesund sei und beabsichtige, seine unternehmerische Tätigkeit fortzuführen. Eine solch ernsthafte Diskrepanz in den Äußerungen der Vereinsführung sollte zu denken geben.

 

Financial Fairplay der UEFA scheint Wirkung zu zeigen

Der bekannte Fußballagent Sandor Varga, der unter anderem die Interessen von Arsenals Chef-Trainer Arsène Wenger vertritt, teilte Russland HEUTE seine Einschätzung der Situation mit. "Kerimow habe demnach in den Klub über 300 Millionen Euro investiert und umgehende Ergebnisse erwartet. Statt der erhofften Resultate hatte er am Ende eine Mannschaft, in der die ausländischen Legionäre und die russischen Fußballer miteinander nicht kommunizierten und die Top-Manager ständig weiteres Geld für eine Verstärkung der Mannschaft verlangten", erklärte Varga. „Offensichtlich hat Kerimow sich intensiv mit Leuten vom Fach unterhalten und beschlossen, die Einkaufspolitik bei Anschi grundlegend zu überarbeiten."

In zwei Jahren sollen alle europäischen Vereine nach den neuen Regeln des Financial Fairplays der UEFA arbeiten. Die Vereine dürfen dann maximal nur noch so viel ausgeben, wie sie selbst auch erwirtschaften. Die Privateigentümer der Vereine dürfen in Zukunft ihr Geld nur noch in die Entwicklung des Kinder- und Jugendfußballs ihrer Mannschaft investieren, nicht aber mehr in neue Spieler. „Anschi muss sich auf diese neue Regelung vorbereiten, da die russischen Vereine sehr wenig Geld

einnehmen und alle – außer dem ZSKA – in der Verlustzone arbeiten. Kerimow hat offensichtlich die Ratschläge der Experten befolgt und will seinem Klub nun beibringen, seinen Verhältnissen entsprechend zu leben", so der Experte.

Sulejman Kerimow ist seit Januar 2011 Eigentümer von Anschi. In dieser kurzen Zeit hat die gesamte Fußballwelt sich bereits an den Namen gewöhnt. Zuerst holte der Ehrenbürger Dagestans den berühmten brasilianischen Spieler Roberto Carlos und den holländischen Trainer Guus Hiddinks in seinen Klub, später machte er den Kameruner Samuel Eto'o mit einem Jahreseinkommen von 20 Millionen Euro zum bestbezahlten Fußballer der Welt und schließlich begann er, alle starken Spieler Russlands aufzukaufen. Unerwartet für alle stellte er aber dann einen einheimischen Trainer ein und kürzte den Etat deutlich. Nach Meinung von Fußballexperten wird Anschi nun nicht mehr um den Titel, sondern lediglich um einen vorderen Platz in der russischen Premierliga kämpfen.

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