UEFA Financial Fair Play: Nachhaltige Entwicklung statt Ölmillionen in Russland

Die russische Liga will strukturellen Nachteilen durch neue Konzepte für die finanzielle Entwicklung entgegentreten. Auf dem Bild: UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino und Präsident der UEFA Michel Platini. Foto: AP

Die russische Liga will strukturellen Nachteilen durch neue Konzepte für die finanzielle Entwicklung entgegentreten. Auf dem Bild: UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino und Präsident der UEFA Michel Platini. Foto: AP

Russische Fußballvereine generieren geringe Einnahmen, aber hohe Ausgaben. Nach den Regeln des Financial Fair Play muss sich das ändern. Aufgrund gravierender struktureller Nachteile gegenüber den größten Ligen Europas arbeitet der russische Fußball intensiv an Konzepten für die Zukunft.

Die Sommertransfers im Fußball sind größtenteils abgeschlossen. Die internationale fußballinteressierte Öffentlichkeit konnte eine Menge beeindruckender Wechsel verfolgen, darunter den wahrscheinlich teuersten in der Geschichte des Fußballs. Der Waliser Gareth Bale trägt ab jetzt das Trikot von Real Madrid. Für den Verkauf bekam sein früherer Arbeitgeber, der Londoner Fußballklub Tottenham Hotspur, wohl mehr als 100 Millionen Euro. Da die exakte Transfersumme unbekannt bleibt, könnte auch Cristiano Ronaldo teurer gewesen sein. Die Moskauer Klubs unternahmen ebenfalls einige Schritte, um ihre Teams zu stärken. Dinamo ließ sich die Transfers 67,9 Millionen Euro kosten, Spartak gab 32 Millionen und Lokomotive 31 Millionen Euro aus.

Das alles entbehrt nicht einer gewissen Komik angesichts der von der UEFA in Kraft gesetzten Fair Play-Regelungen. Die Klubs geben nicht weniger Geld aus, die Gehälter der Fußballer steigen weiter und die Zahl der Transfers nimmt zu. Die Fußballklubs der englischen Premier League investierten in die Stärkung ihrer Mannschaften während der Sommer-Transferperiode eine Rekordsumme von 745 Millionen Euro. Der bislang erreichte Höchstwert aus dem Jahr 2008 lag bei knapp 600 Millionen Euro.

 

Russische Spitzenteams rüsten trotz Financial Fair Play auf

Nach den Prinzipien des Financial Fair Play sollen Klubs nicht mehr ausgeben als sie verdienen. Es gibt jedoch eine Reihe von Ausnahmen. Es ist dem Eigentümer eines Vereins beispielsweise gestattet, dessen Verluste in Höhe von bis zu 45 Millionen Euro aus seinem Privatvermögen zu decken. Diese Option steht allerdings nur in den ersten Jahren offen. Danach verringert sich die von einem Besitzer investierbare Summe auf 30 Millionen Euro. Zum Ende des Jahrzehnts sollen diese Klubs kostendeckend wirtschaften.

Zenit, der Klub der Fünf-Millionen-Metropole Sankt Petersburg, erzielte im Jahr 2012 Einnahmen in Höhe von 81 Millionen Euro. Diese Summe lässt sich sehen. Die Ausgaben des Klubs allerdings waren deutlich höher. Allein für die Transfers des Brasilianers Hulk und des Belgiers Axel Witsel zahlte der Verein 95 Millionen Euro.

„Seit 2012 gelten die Regeln des Financial Fair Play für russische Klubs in vollem Umfang", so der Geschäftsführer von Zenit Dmitri Mankin. „Jeder weiß, dass für Zenit das Kriterium einer positiven Bilanz ein Problem ist. Wir sind sehr beunruhigt angesichts dieser Situation, schließlich ist der wirtschaftliche Erfolg der russischen Fußballliga infolge einiger nicht

kontrollierbarer äußerer Faktoren deutlich geringer als bei den führenden Ländern des europäischen Fußballs. Zu den ungünstigen Rahmenbedingungen zählen die niedrigeren Einkommen der Bevölkerung, der Zustand der Sportinfrastruktur, das Ausmaß der Piraterie und einige gesetzliche Einschränkungen." Diese Sorge kommt von Zenit, einem Klub, der in Russland hohe Einnahmen durch Merchandising (in Sankt Petersburg gibt es 13 Klubgeschäfte von Zenit), volle Stadien (die Ticketpreise für das Petrowski-Stadion sind vergleichbar mit denen für das Emirates-Stadion in London) und seine ständigen Präsenz im internationalen Geschäft erzielt und Gazprom als finanzstarken Sponsor hat.

 

Jenseits der Topvereine ist die Situation sehr viel trostloser

Viel bescheidener sieht dagegen die Situation der Vereine der unteren Tabellenhälfte aus, die von staatlicher Finanzierung abhängen und mit dem Verkauf von Fanartikeln an die 30 000 Euro im Jahr verdienen. Über solche Summen können die Spitzenklubs nur lachen. Auch sollte nicht vergessen werden, dass die Einnahmen der russischen Klubs durch Übertragungsrechte lediglich zwischen drei Millionen und fünf Millionen Euro betragen, während in England selbst Klubs, die aus der Premier League abgestiegen sind, 40 Millionen Euro, also das Zehnfache, an diesen Rechten verdienen. In Italien beträgt diese Summe 16 Millionen, in Spanien zwölf Millionen und in Deutschland sieben Millionen Euro.

In Russland wurden gewisse Fortschritte bei der Vermarktung der Übertragungsrechte erzielt. Sie sind aber so unbedeutend, dass sie kaum eine große Hilfe bei den strengen Vorgaben der UEFA sind. Die einzigen

Wege, Sanktionen der UEFA zu vermeiden, beinhalten im russischen Fall eine vorausschauende Transferpolitik oder erfolgreiche Nachwuchsarbeit – Investitionen in den Jugendbereich werden nicht als Ausgaben gezählt.

Der Moskauer Fußballklub ZSKA, russischer Meister, hat sich für die erste Möglichkeit entschieden. Hier wickelt man bereits seit sechs Spielzeiten sehr erfolgreiche Transfers ab und bleibt nach Abschluss praktisch jeder Transferperiode im Plus. Diesen Sommer kaufte der ZSKA drei vielversprechende Spieler: den Bulgaren Georgi Milanov (3,6 Millionen Euro), den Schweizer Steven Zuber (3,6 Millionen Euro) und den Brasilianer Vitinho (zehn Millionen Euro). Auf der anderen Seite konnte der Klub wiederum Vágner Love für zwölf Millionen Euro an den chinesischen Verein Shandong Luneng verkaufen und Pawel Mamajew, Sekou Oliseh und Tomáš Necid mit Leihgebühren von insgesamt 3,5 Millionen Euro auszuleihen.

Auf die eigenen Kräfte setzte das derzeit schillerndste Projekt des europäischen Fußballs Anschi Makhatschkala. Der Klub entschloss sich zu einer radikalen Umkehr in der Vereinspolitik und trennte sich von sämtlichen teuren Stars. Im Ergebnis erzielte Anzhi im Sommer mit knapp 134 Millionen Euro weltweit die höchsten Einnahmen aus dem Verkauf von Spielern.

 

In fünf Jahren mit Topligen auf Augenhöhe?

Die Leitung der Russischen Premjer-Liga arbeitet mit den Vereinen und der UEFA ein Konzept aus, das den russischen Fußball an die Fair Play-Kriterien heranführen soll", erklärte der Vizepräsident der Russischen Fußball-Liga Sergej Tscheban in einem Gespräch mit Russland HEUTE. „Viele Klubs kürzen bereits ihre Ausgaben. Man nähert sich diesem Ziel allmählich an. Wir werden in Europa spielen und die Regeln der UEFA einhalten, daher sind wir an einem optimalen Fair Play-Modell interessiert, das den Besonderheiten unseres Landes so gut wie möglich gerecht wird."

Tscheban bemerkte auch, dass sich die russischen Klubs unter den neuen Bedingungen Ausgaben in der Größenordnung der Käufe von Real Madrid nicht leisten können. „Real Madrid ist in der Lage, Transfergeschäfte in dreistelliger Millionenhöhe abzuschließen. Der Verein gehört zu den weltweit beliebtesten Klubs mit einer fast beispiellosen Zahl an Fans", so

Tscheban. „Der Madrider Klub hat ein sehr erfolgreiches Geschäftsmodell. Seine Transfersumme hat Cristiano Ronaldo innerhalb von drei Jahren durch die generierten Zusatzeinnahmen wieder eingespielt."

Rückblickend betrachtet, lassen die aktuellen Entwicklungen Tscheban aber positiv in die Zukunft blicken: „Die ‚Galaktischen' sind für russische Klubs wirklich Lichtjahre entfernt. Unsere Entwicklung steht noch am Anfang. Nach den schweren 90er-Jahren und einem ebenfalls nicht einfachen Start in das neue Jahrtausend erzielt unser Fußball erstmals nennenswerte Einnahmen und gewinnt an Reputation. Hatten wir früher nur Chancen auf zweitklassige Spieler, so überrascht es heute niemanden mehr, wenn Hulk, wichtigster Stürmer der brasilianischen Nationalmannschaft, zu uns statt nach England wechselt. Der russische Fußball ist auf dem richtigen Weg. Wenn wir unseren Kurs halten, dann können wir in fünf bis sechs Jahren auf gleicher Augenhöhe gegen die führenden Ligen der Welt antreten, auch in finanzieller Hinsicht."

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