Sotschi-Olympia: Eindrücke und Emotionen der Fackelträger

Foto: RIA Novosti

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Der Fackellauf zu den Winterspielen 2014 in Sotschi war der längste in der olympischen Geschichte. Einige der Menschen, die Teil des Laufes waren, haben Russland HEUTE ihre Erlebnisse geschildert.

Am 9. November trat die olympische Fackel der Winterspiele 2014 in Sotschi ihre Reise ins Weltall an. Die Astronauten Oleg Kotow und Sergej Rjasanskij waren auf dieser Reise ihre Begleiter und brachten sie erstmals in den freien Weltraum und somit über die Grenzen der Internationalen Raumstation (ISS) hinaus. Dieses Ereignis stellte den Höhepunkt des olympischen Fackellaufs für Sotschi dar, welcher der bisher längste in der Geschichte der Olympischen Spiele war – reiste die olympische Fackel doch nicht nur zur Raumstation ISS, sondern wagte sich auch hinauf auf den Gipfel des Elbrus und hinunter in die Tiefen des Baikalsees. Um diese Reise überhaupt zu ermöglichen, nahmen etwa 14 000 Fackelläufer an diesem Großereignis teil. Die Eindrücke und Erlebnisse einiger dieser Fackelläufer haben wir hier im Überblick.

 

Ljubow Djadetschko, Lomonosow

Ich bin 1980, im Vorfeld der Olympischen Spiele in Moskau, in der Eskorte der olympischen Fackelläufer mitgelaufen und habe sie so ein Stück begleitet. Damals durchliefen alle, die als Läufer am Fackellauf mitwirken wollten, eine strenge Aufnahmeprozedur, bei der man 800 Meter laufen musste und das auch noch bergauf – im Gegensatz zu heute, wo man keine Sportlichkeit oder ein spezielles Vorbereitungstraining mehr vorweisen muss.

Damals war ich dabei, als das olympische Feuer in Tula eintraf, wobei die Stimmung unter den vielen Zuschauern auch 1980 schon ausgelassen war. Zu dieser Zeit war die Ausrüstung der Fernsehteams natürlich noch nicht auf dem Stand von heute. So erinnere ich mich beispielsweise daran, dass man uns bereits vor dem Eintreffen der olympischen Fackel filmte und Fähnchen austeilte. Man wollte wohl die begeisterten Zuseher schon früher filmen, um sich dann ganz auf die Fackel konzentrieren zu können.

Der Fackellauf gestaltete sich zur damaligen Zeit auch noch so, dass das Feuer ununterbrochen getragen wurde und nur jene Städte passierte, die sich auf dem Weg nach Moskau befanden. Man brachte die Fackel nicht, wie es dieses Mal der Fall war, durch ganz Russland. Der Fackellauf ist demokratischer geworden, weil praktisch jeder in ganz Russland an ihm teilnehmen konnte.

 

Stanislaw Romanow, Petrosawodsk

Ich habe vier Monate darauf gewartet, bis man mich in das Team der Fackelläufer aufnahm. Ich habe eine körperliche Beeinträchtigung, da ich in

Tschetschenien eine Verletzung an der Wirbelsäule erlitt. Dennoch betreibe ich Sport: Ich bin professioneller Bogenschütze und Mitglied der paralympischen Mannschaft. Für mich war es besonders wichtig, an dem olympischen Fackellauf mitzuwirken. Denn bei uns in Petrosawodsk bleiben Invaliden zu Hause und die Menschen wissen gar nicht, dass es sie gibt. Ich wollte mit meiner Teilnahme am Fackellauf allen beweisen, dass wir vieles können, ja sogar Dinge, zu denen nicht einmal gesunde Menschen fähig sind.

Der Fackellauf verlief perfekt: Ich hatte am ganzen Körper Gänsehaut. Als mir ein anderer Fackelläufer das olympische Feuer überreichte, vergaß ich alles um mich herum und ließ mich von ihm leiten. Erst später begriff ich, dass ich die olympische Fackel in den Händen gehalten hatte und so zu einem Teil der Geschichte des längsten Fackellaufs der Welt geworden war. Natürlich hatte ich Angst davor, dass das Feuer erlischt, doch dazu kam es nicht. Es wäre auch wirklich peinlich gewesen, wenn das Feuer erloschen wäre, wie es in Moskau der Fall war – wo statt des olympischen Feuers Feuer aus einem Feuerzeug getragen wurde. Die Fackel selbst durfte ich nicht behalten, doch ich hätte sie für 290 Euro kaufen können. Manche der Fackelträger erwarben sie und verkaufen sie jetzt im Internet für fast 7 000 Euro, wobei sie bestimmt noch an Wert zunehmen werden.

 

Aleksandra Alimowa, Smolensk

Ich wurde auf die Möglichkeit einer Teilnahme am Fackellauf durch Fernsehwerbung aufmerksam. Meine jüngere Tochter hat sich damals sofort für den Fackellauf angemeldet und meine ältere Tochter riet mir dann, auch am Fackellauf teilzunehmen, zumal ich sportlich aktiv bin: Ich gehe jedes Wochenende Laufen, nehme jedes Jahr am Turnier „Lyschnja Rossii" (ein jährlich stattfindendes Langlaufturnier – Anm. d. Red.) teil und verfolge einen gesunden Lebensstil. Deswegen war für mich die Teilnahme am olympischen Fackellauf eine große Ehre – doch nicht unbedingt, um einem persönlichen Geltungsdrang gerecht zu werden. Für mich wäre es auch dann eine Ehre gewesen, wenn ich die Fackel nur auf einem Feldweg ohne Journalisten und Kameras getragen hätte.

 

Walerija Filippowa, Archangelsk

Der Fackellauf war für mich eine unvergessliche Erfahrung, bei der ich viele positive Emotionen erlebte. Doch es gab auch unangenehme Seiten: Die Straßen waren zugefroren und spiegelglatt, die Fackel war sehr schwer und

die Fackelbegleiter drängten mich ständig zu laufen, was mich am meisten verwunderte. Denn fast alle Fackelträger gingen, nur ich musste laufen und das aus voller Kraft. Ungeachtet dessen fühlte ich mich dennoch glücklich: Ich lief auf dunklen Straßen bei starkem Schneefall und Kälte, doch auf meinem Abschnitt waren viele Menschen, die mich dabei unterstützten – Freunde, Verwandte und auch Menschen, die ich gar nicht kannte.

Viele waren verärgert, weil man für den Fackellauf die Straßen im Stadtkern gesperrt hatte. In Archangelsk gab es kilometerlange Staus, weil man die zwei Hauptverkehrsadern der Stadt gesperrt hatte. Es wäre vielleicht klüger gewesen, wenn die Organisatoren dafür andere Straßen vorgesehen hätten. Allerdings ist es angenehmer, wenn man durch die schönen Teile der Stadt laufen darf.

 

Wiktorija Pulkina, Syktywkar

An meinem Streckenabschnitt, den ich mit der Fackel entlang lief, waren nicht viele Menschen versammelt. Wir liefen schon dem Ende des

Fackellaufs zu, wo es nicht mehr so viele Leute wie auf den Hauptstraßen oder den Plätzen gab. Nichtsdestoweniger haben die Menschen sehr positiv auf den Lauf reagiert: Sie kamen auf uns zu, um Fotos mit uns zu machen und uns Glück und Gesundheit zu wünschen.

Inzwischen ist vielen klar, dass dieser Fackellauf ein Volkslauf war. Es ist nicht wichtig, welchen Maßstab dieser hatte, oder ob die Fackel ins Weltall oder auf den Grund eines Sees getragen wurde. Das Wichtigste dabei ist, dass auch einfache Menschen, die nichts mit Sport zu tun haben, wenn auch auf einfache Weise, zu einem Teil des Fackellaufs werden und einmal den Olympischen Spielen ganz nahe sein können.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Lenta.ru

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