Philip Craven, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees während des Sotschi-Besuches Foto: Michail Mokruschin/RIA Novosti
Russland HEUTE: Welche Veränderungen im paralympischen Sport hat es seit Ihrer Wahl zum Präsidenten des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) 2001 gegeben?
Philip Craven: Die paralympische Bewegung ist wesentlich größer geworden. Heute sind die Paralympischen Spiele das drittgrößte Sportereignis der Welt, wenn man die Zahl der verkauften Tickets und die Fernsehzuschauer betrachtet. Die Sportler werden auch immer bekannter, in manchen Ländern werden sie wie Helden gefeiert. Aber der größte Fortschritt besteht darin, dass das IPC aus einer Organisation für Menschen mit Behinderung zu einer globalen Sportorganisation geworden ist. Immer mehr Leute sehen, dass die Paralympischen Spiele Sport der höchsten Liga bieten und die besten Sportler der Welt daran teilnehmen.
Planen Sie die Aufnahme von weiteren Disziplinen ins Programm der Paralympischen Winterspiele?
In den nächsten Jahren werden wir die Spiele stetig weiter ausbauen. Dazu gehört, dass wir neue, weltweit populäre Sportarten ins Programm aufnehmen. Deshalb werden in Sotschi im Rahmen des Alpinskiprogramms
zum ersten Mal Wettkämpfe im Para-Snowboarding stattfinden.
Heute umfassen die Paralympischen Sommerspiele 22 Sportarten, in denen 4 300 Sportler antreten. Zum Vergleich: Die Winterspiele haben fünf Sportarten und 750 Sportler. Wir wollen diese Differenz ausgleichen. Schon 2018 in Pyeongchang wird das Para-Snowboarding zu einer eigenständigen Sportart; so soll die Zahl der Sportarten auf sechs steigen.
Weltweit und auch in Russland ist das Interesse an den Olympischen Spielen größer als an den Paralympischen. Was soll und kann getan werden, um das zu ändern?
Zuallererst sollten wir nicht vergessen, dass die ersten Paralympischen Spiele erst 1960 und die ersten Paralympischen Winterspiele sogar erst 16 Jahre später ausgetragen wurden. Die Spiele in Vancouver waren schon sehr erfolgreich, aber wir müssen die Spiele in Sotschi noch erfolgreicher machen. Die Paralympischen Spiele in London waren die bisher besten in der Geschichte, aber im Rahmen der Spiele in Rio 2016 müssen wir noch besser werden. Es ist wichtig, das Interesse der Fans auch während der Olympiade aufrechtzuerhalten. Zu diesem Zweck werden wir regionale Wettkämpfe in paralympischen Sportarten verstärkt fördern und ausbauen.
Wie sieht es mit der Fernsehübertragung der Paralympischen Winterspiele in Sotschi aus?
Es wird erwartet, dass die Spiele in Sotschi umfassender als die vorigen in den TV-Medien übertragen werden. Die Paralympischen Spiele in Vancouver 2010 hatten 1,6 Milliarden Zuschauer. Was Sotschi anbelangt, so haben wir Verträge mit ansässigen Rundfunkagenturen, die die Sendezeit weiter erhöhen wollen. In den USA planen „NBC" und „NBC Sports" bereits über 66 Stunden Sendezeit, was deutlich mehr als früher ist.
Sind Sie zufrieden damit, wie die Vorbereitung der Spiele in Sotschi verläuft?
Hinsichtlich der Sportobjekte und der Infrastruktur kann man die Veranstalter schon jetzt loben, wie viel für die barrierefreie Zugänglichkeit der Stadt getan wurde. Aber diese Arbeit sollte nicht am Austragungsort der
Wettkämpfe stehenbleiben. In der Zukunft würde ich gerne sehen, wie sich die geschaffene Infrastruktur in ganz Russland entwickelt. Das muss zu einem wesentlichen Element des paralympischen Erbes werden.
Zudem muss man den Ticketverkauf für die Paralympischen Spiele fördern und bewerben – die Russen dürfen dieses Ereignis nicht verpassen. Einem sehbehinderten Skifahrer zuzujubeln, der mit 100 Stundenkilometern den Berg hinunter rast, oder die explosive Energie des Sledge-Hockeys zu spüren – das sind einmalige Gelegenheiten.
Russland wird bald das Feuer der Paralympischen Spiele übernehmen. Welche Rolle wird dieses Ereignis bei der Popularisierung der Paralympischen Spiele und des Paralympischen Sports spielen?
Am meisten freut mich, dass der Staffellauf des paralympischen Feuers von Sotschi 2014 nicht nur durch alle Regionen Russlands führt, sondern auch eine internationale Strecke hat: Ein Teil der Route liegt in Stoke Mandeville, in der Heimat der paralympischen Bewegung. Auch das fördert den Bekanntheitsgrad der anstehenden Paralympischen Spiele.
Was soll Ihrer Meinung nach zum wichtigsten Erbe der Paralympischen Spiele in Sotschi 2014 werden?
Das Wichtigste ist die Veränderung der Einstellung in der russischen Gesellschaft gegenüber Menschen mit körperlichen Behinderungen. Wichtig ist, dass Menschen mit Behinderung leichter in das Leben der Gesellschaft, in die Arbeit und in den Sport integriert werden. Die vorigen Spiele haben gezeigt, dass die sportlichen Erfolge der paralympischen Sportler dabei helfen können.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Rossijskaja Gaseta.
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