Der italienische Trainer Luciano Spalletti übergibt nach über vier Jahren die Übungsleitung von Zenit St. Petersburg an Sergej Semak. Foto: Reuters
Zum Ende der Winterpause in der russischen Premier Liga kam es zu einer bemerkenswerten Trainerentlassung. Zenit Sankt Petersburg feuerte seinen italienischen Übungsleiter Luciano Spalletti, der den reichsten russischen Fußballclub seit 2010 coachte und mit ihm zweimal die Meisterschaft holte.
Bereits am Montag sickerte die Meldung über diverse Medienkanäle durch, am Dienstagmorgen bestätigte die Clubführung von Zenit dann die Entlassung Spallettis offiziell. Der zweimalige Trainer des Jahres in Italien, 2006 und 2007, verlässt die Mannschaft, obwohl sein Vertrag bis 2015 laufen sollte. Die Rolle des Chefcoachs wird bis zum Ende der Saison der ehemalige Zenit-Spieler Sergej Semak übernehmen. Er war bis jetzt Co-Trainer unter Spalletti. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden auch die italienischen Kollegen Spallettis aus dem Trainerstab, Marco Domenichini, Daniele Baldini und Alberto Bartali, den Club verlassen. „Die Leitung von Zenit hat mit der aktiven Suche nach einem neuen Trainer begonnen, eine endgültige Entscheidung wird wohl erst in zehn Tagen getroffen", berichtete ein Clubvertreter gegenüber „RIA Novosti".
Internationale Ansprüche konnten nicht umgesetzt werden
Luciano Spalletti kam Ende 2009 zu Zenit. Spalletti, der sich den Ruf einer der besten Trainer im Weltfußball erarbeitet hatte, übernahm das Team von dem Niederländer Dick Advocaat. Im Rückblick kann sein Engagement als sehr erfolgreich angesehen werden. Mit Luciano Spalletti gewannen die Sankt Petersburger zweimal, 2010 und 2012, die russische Meisterschaft und schafften es 2011 zum ersten Mal in ihrer Geschichte, in die Play-offs der UEFA Champions League zu kommen. Zu den besten 16 Teams Europas gehörte Zenit auch in dieser Saison.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. In den knapp fünf Jahren von Spalletti bei Zenit gab es auch herbe Niederlagen. In der Qualifikation zur Champions League 2010/2011 flogen die Russen im Spiel gegen AJ Auxerre raus und mussten in der Europa League antreten. Dort setzte eine verheerende Niederlage im Achtelfinale gegen Twente Enschede ein Ende
aller Ambitionen in der Europa League. Letze Saison scheiterte man in der Champions-League-Gruppe an Malaga und dem AC Mailand. In der Hinrunde der aktuellen Champions League konnte man die Zwischenrunde trotz eines blamablen letzten Auswärtsspiel bei Austria Wien und mit der Minimalanzahl von sechs Punkten erreichen. Gerade dieses letzte Spiel im Wiener Praterstadion erzürnte die Fans und schockierte die Clubführung.
Fragen warfen auch die Transferentscheidungen Spallettis auf. Gemäß seinem Vertrag hatte der Italiener direkten Einfluss auf die Transfertätigkeiten des Clubs. Der Kauf des brasilianischen Nationalstürmers Hulk und des belgischen Internationalen Axel Witsel für 72 Millionen Euro sorgte für Unruhe: Die Verpflichtung hochbezahlter „Söldner" provozierte den inneren Konflikt im Petersburger Club und führte zu Lagerbildung innerhalb des Teams. Der russische Teil des Teams um Igor Denisow, aus der eigenen Jugend kommend, sprach offen die Ungleichbehandlung bei den Gehältern an. Es kam zum Skandal, als er den Club verließ. Des Weiteren trennte sich der Club unlängst von Roman Schirokow, einem seiner besten Mittelfeldspieler. Medienquellen behaupten, dass er an FK Krasnodar wegen Meinungsverschiedenheiten mit Spalletti verliehen wurde.
Erfolgloser Jahresauftakt 2014
Der Beginn der Rückrunde fiel für Spalletti äußerst ungünstig aus. Zuerst verlor Zenit im heimischen Petrowski-Stadion im Hinspiel des Achtelfinals der Champions League gegen Borussia Dortmund. Mit dem 2:4 verspielte sich die Mannschaft reelle Chancen auf ein Weiterkommen. Im ersten Liga-Heimspiel nach der Winterpause kam Zenit nicht über ein torloses Unentschieden gegen den Außenseiter-Club Tom Tomsk hinaus. Die Tabellenführung musste an Lokomotive Moskau abgegeben werden.
Der ehemalige Zenit-Verteidiger Alexej Strepetow behauptet, dass man Spalletti für seine Arbeit im Club danken sollte, merkte aber an, dass das Spiel der Mannschaft in der letzten Zeit an Eleganz verloren habe: „Man muss Spalletti für die gute Arbeit danken. Wir gewannen zweimal die russische Premier Liga und einmal den russischen Pokal. Neue Fußballer haben sich unter ihm entfaltet. Leider sehen wir aber auch, dass Zenit heute blutleer und ohne Begeisterung spielt, eine eigene Handschrift
erkennen wir nicht", so der Experte. „Die Clubleitung forderte von Spalletti zu Saisonbeginn ein Überwintern in der Champions League und Platz eins in der Tabelle zum Rückrundenstart. Diese Ziele hat er erreicht. Dennoch war dem Management der Abstand zum zweiten Platz zu gering, und da er immer mehr schmolz und am Ende sogar punktgleich war, wurde die Unzufriedenheit größer. Ins Achtelfinale der Champions League kam der Club eher mit Glück und dem Unvermögen der anderen Vereine", so Strepetow weiter.
„Spalletti war bekannt dafür, dass er die Saisonvorbereitung im Winter wunderbar durchführt. Aber dann der Offenbarungseid gegen den BVB: Die Wahl der Spieler war diskussionswürdig, die Mannschaftsaufstellung unstrukturiert und die Einstellung auf dem Platz stimmte nicht", resümiert Strepetow den Auftritt in der Champions League.
Nach Materialien von Kommersant, Gazeta.ru, RIA Novosti und ITAR-TASS.
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