Fußball-WM: Wer hat Schuld an Russlands Vorrunden-Aus?

Foto: Alexej Fillipow / RIA Novosti

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In Brasilien musste die russische Mannschaft nach einem Unentschieden gegen Außenseiter Algerien vorzeitig die Koffer packen. Neben der unfairen Laser-Attacke gegen Russlands Torhüter Akinfejew und kniffligen Schiedsrichter-Entscheidungen bleibt aber vor allem die enttäuschende Leistung der Sbornaja im Gedächtnis des Fans.

Nach Russlands WM-Aus am vergangenen Donnerstag wusste Fabio Capello, Trainer des russischen Teams, wer verantwortlich war: „Ich möchte nicht über den Schiedsrichter reden, aber die Entscheidungen fielen grundsätzlich gegen Russland! Immer“, wetterte er vor den Kameras. Ganz Unrecht hatte der Italiener nicht. Das Spiel, mit dem Russland nach einem 1:1 gegen Algerien aus dem Turnier ausschied, lässt das Bild des grünen Laser-Points zurück, der einige Sekunden vor Algeriens Ausgleichstreffer im Gesicht des russischen Torhüters Igor Akinfejew flackerte. Der Schiedsrichter unterband den Freistoß nicht, Akinfejew griff daneben, Algerien glich aus und sicherte sich den Platz in der K.O.-Runde.

 

Eine schwache Torwart-Leistung – auch ohne Laser-Attacke

Durch das Unentschieden qualifizierten sich Belgien und Algerien für das Achtelfinale, während die Weltmeisterschaft für Russland und Südkorea zu Ende ist. Das russische Team scheiterte in einer der leichtesten Gruppen des Turniers – ähnlich wie vor zwei Jahren bei der Europameisterschaft.

Laser-Attacken, an denen ein Spieler im schlimmsten Fall sogar erblinden kann, sind scharf zu verurteilen und die ausbleibende Reaktion des

Schiedsrichters ist kritikwürdig. Capellos Verschwörungstheorie greift aber zu kurz. Wie die deutsche Torhüter-Legende Oliver Kahn später erläuterte, sind Laserstrahlen zwar irritierend, können aber nicht Akinfejews halsbrecherische Aktion beim Freistoß rechtfertigen, mit der er Islam Slimani ermöglichte, den Ball in Russlands Tor zu köpfen. Eigentlich wurden Russlands Probleme schon vor der Laser-Attacke offensichtlich: Sie sind hausgemacht und nicht fremdverschuldet.

Akinfejew konnte bereits im ersten Gruppenspiel gegen das sehr schwache Südkorea nicht überzeugen, in dem Russland ebenfalls nicht über ein Unentschieden hinauskam. Die später von Belgien und Algerien geschlagenen Südkoreaner stellten keine wirkliche Gefahr dar, bis der eigentlich zuverlässige Akinfejew aus unerklärlichen Gründen einen Distanzschuss über seine Schulter ins Netz durchließ. Im nächsten Spiel gegen das starke belgische Team, das jetzt gegen die USA antreten wird, schlug Russland sich bis zur 88. Minute gut. Einen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte der junge Belgier Divock Origi, um das einzige Tor dieses Spiels zu machen. Belgien war für das Achtelfinale qualifiziert, Russland ging ins „Endspiel“ um Platz zwei der Gruppe, wo sie zu Siegen verdammt waren.

 

Ist „Don Fabio“ der richtige Mann?

Nach dem Ausscheiden Russlands aus dem Turnier stehen einerseits der anonyme Laser-Saboteur und der patzende Akinfejew in der Kritik, andererseits auch der Trainer. Viele Fans und Journalisten scheinen gespalten zu sein in ihrem Urteil über Capello. Zwar hat dieser sein Ziel, den Einzug ins Viertelfinale, nicht erreicht. Er kann aber dennoch beachtliche Erfolge vorweisen. Und ganz davon abgesehen, hat Capello, der mit über acht Millionen Euro Jahresgehalt der bestbezahlte Übungsleiter bei der Weltmeisterschaft ist, einen Vertrag, der noch bis 2018 gilt. Eine vorzeitige Entlassung käme den russischen Fußballverband also teuer zu stehen und gilt daher als unwahrscheinlich. Dank Capellos komfortablen Vertrags „drohen“ dem 67-jährigen Italiener schlimmstenfalls eine Abfindung in mehrstelliger Millionenhöhe und mehr freie Zeit für seine begehrte Kunstsammlung.

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Dennoch muss sich der Mann, der bei den Russen „Don Fabio“ heißt, Fehler in Brasilien vorwerfen lassen. Obwohl er auf den verletzten Mittelfeldspieler Roman Schirokow verzichten musste, änderte er nichts an seiner Taktik und weigerte sich, einem anderen Spieler die kreativen Freiheiten einzuräumen, die Schirokow hatte. Prinzipiell schien er sich nicht zu trauen, seine kreativen Spieler auf das Feld zu lassen. So saß der technisch beschlagene Mittelfeldspieler Alan Dsagojew die meiste Zeit auf der Auswechselbank, in Einigkeit mit den flexiblen und damit gefährlichen Spielern Juri Schirkow und Andrei Jeschtschenko.

Das Ergebnis war eine gut organisierte und robust verteidigende russische Mannschaft, die dazu verdammt schien, sich 90 Minuten lang belagern zu lassen. Das war wohl die richtige Strategie, um den angriffslustigen Belgiern standhalten zu können. In den Spielen gegen Algerien und Südkorea, in denen das russische Team als Favorit gehandelt wurde, war sie offensichtlich falsch. Wenn dort Momente russischer Kreativität aufblitzten, wie Dmitri Kombarows perfekte Flanke für Alexander Kokorin, der den Ball gegen Algerien ins Netz brachte, dann zeigte das, was hätte möglich sein können, wenn man mehr Offensivgeist zugelassen hätte.

Schwerer wiegt, dass Capello nicht aus seinen Fehlern aus dem ersten Spiel gegen Südkorea lernte und seine Taktik während des Turniers nicht änderte. Später beklagte er sich in selbstgefälliger Manier über die Schiedsrichter in den Spielen gegen Algerien und Belgien. Diese Weltmeisterschaft, so sagte er im Januar, würde Russlands Probelauf als Gastgeberland des Turniers in vier Jahren. Nun fragt Russland: Ist er in diesem Fall der richtige Regisseur für die Show?

 

Frischen Wind braucht das Land

Russlands Kader war einer der ältesten in diesem Turnier. Schlüsselspieler wie der Innenverteidiger Sergej Ignaschewitsch und Stürmer Alexander Kerschakow werden beim nächsten Turnier 38 und 35 Jahre alt und deshalb kaum dabei sein. Einige jüngere Spieler wie Dsagojew und Kokorin zeigten Ansätze großen Potenzials und könnten 2018 den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht haben. Andere dagegen, wie der Mittelfeldspieler Oleg Schadow, konnten nicht überzeugen.

Angesichts des Leistungsdrucks von 2018 wäre sogar eine früher undenkbare Lösung möglich: die Aufnahme ausländischer Spieler. Bereits im April äußerte der russische Sportminister Witali Mutko, vier ausländischen Spielern könne die russische Staatsbürgerschaft verliehen werden, um Russlands Position auf dem Fußballfeld zu stärken. Warum eigentlich nicht? Eine ähnliche Strategie erwies sich bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi als erfolgreich. Dort holten eingebürgerte Athleten sieben Goldmedaillen für Russland.

Ob mit einem neuen Trainer, jungen oder ausländischen Spielern – der russische Fußball braucht dringend frischen Wind nach seinem Scheitern in Brasilien. Laser-Attacken und Schiedsrichterfehler können nämlich jeden treffen. Die ernüchternde Wahrheit ist, dass Russland nicht gut genug war. Hoffentlich ist es das Team in vier Jahren, wenn es im Eröffnungsspiel der Heim-Weltmeisterschaft auf Torejagd geht.

 

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