Der Fifa-Präsident Joseph Blatter (links) und der russische Präsident Wladimir Putin. Foto: RIA Novosti
Am 16. Juli hat Fifa-Präsident Joseph Blatter erstmals offiziell erklärt, dass die Anzahl der WM-Stadien in Russland von zwölf auf zehn reduziert werden könnte. Unmittelbar vor dieser Erklärung hatte sich Blatter mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen. Die Möglichkeit der Reduzierung werde bereits von der russischen Regierung geprüft, berichtet die russische Zeitung „Kommersant“ unter Berufung auf „gut informierte“ Quellen.
Der Vorschlag der Fifa soll die Durchführung der Weltmeisterschaft billiger für das Gastgeberland machen. „Die Anzahl der WM-Städte hat keinen Einfluss auf die Anzahl der WM-Spiele“, erklärt Oleg Gadjutschkin, Vertreter des Dekans im Fachbereich Sportmanagement der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsdienst beim Präsidenten der Russischen Föderation. Gadjutschkin glaubt, die übrigen Spiele würden einfach auf die verbleibenden Stadien aufgeteilt. „Die Weltmeisterschaften in Südafrika und Brasilien haben gezeigt, dass ein solches Event zu einem teuren Vergnügen für ein Land werden kann, weil es die nötige Infrastruktur von
Grund auf aufbauen muss“, so der Experte. Zudem stünden drei südafrikanische WM-Stadien leer. Weil es in den jeweiligen Städten keine Profimannschaften gebe, würden diese seit dem Ende der WM nicht weiter genutzt. In Brasilien sei es in den vergangenen Monaten sogar zu den größten Protesten seit den 1980er-Jahren gekommen, weil zur Vorbereitung der Weltmeisterschaft umgerechnet 9,6 Milliarden Euro für Infrastruktur aufgewendet werden musste, mahnt Gadjutschkin und fügt hinzu, die Unruhen hätten sich weiter verschärft, nachdem die brasilianische Mannschaft das Turnier nur mit dem vierten Platz beendet hatte.
„Ein weiterer Grund für die Entscheidung der Fifa ist eine Veränderung im Reglement der Weltmeisterschaft“, erklärt Oleg Gadjutschkin. Früher hat eine Gruppe von vier Mannschaften ihre Basis während der Gruppenphase in zwei Städten gehabt, sodass ihre Fans auch die ganze Zeit über dort bei ihnen geblieben sind. Doch nun ist jedes Gruppenspiel in einer anderen Stadt. „Man meint, diese Städte gewinnen nichts an der Ausrichtung der Weltmeisterschaft, weil viele Fans nur für einen halben Tag dorthin fahren, um sich das Spiel anzuschauen“, sagt der Experte. Ein solches Reglement sei zwar gut für die Transportunternehmen, die die Fans zu den Spielorten bringen, doch eher ungünstig für die einzelnen WM-Spielorte.
Wolgograd und Kaliningrad könnten die Verlierer sein
Laut Angaben der Zeitung „Kommersant“ könnten am ehesten die Stadien in Kaliningrad, Wolgograd oder Jekaterinburg aus dem WM-Spielplan genommen werden. Die Bauherren in Kaliningrad und Jekaterinburg haben den vorgegeben Etat gesprengt, in Wolgograd fehlt es noch immer an nötiger Infrastruktur hinsichtlich Transport und Gastronomie. Bezeichnend für die Situation sei, dass die Bauherren aller drei Stadien sehr große russische Unternehmer seien. Hinter dem Stadion in Wolgograd steht die Volga Group von Gennadi Timtschenko, hinter dem Stadionbau in Kaliningrad steht die Crocus Group von Aras Agalarow und hinter dem Stadion in Ekaterinburg steht Sinara-Development von Dimitri Pumpjanski. Das Unternehmen von Gennadi Timtschenko zeichnete für den Bau der South-Stream-Pipeline von Russland nach Europa und jenes von Aras Agalarow für den APEC-Gipfel 2012 in Wladiwostok verantwortlich.
Laut Timur Nigmatullin, einem Analytiker von Interfax, wirkt sich die Ausrichtung einer Weltmeisterschaft in der Regel positiv auf den Haushalt einer Stadt aus. „Sie führt zum Beispiel zum Anstieg des Bruttoregionalprodukts und einem Rückgang der Arbeitslosigkeit sowie der Aufstockung der regionalen Etats“, erklärt der Experte. Im Übrigen müsse man dabei nicht nur den Einfluss auf den Haushalt der Stadt berücksichtigen, sondern auch die Effizienz der Ausgaben der Stadt als Ganzes, wie Oleg Gadjutschkin ergänzt: „Die Aufmerksamkeit, die eine Fußballweltmeisterschaft genießt, macht diese zu einer sehr teuren Werbekampagne. Sie führt dazu, dass in der Stadt ein moderner Flughafen gebaut, die Straßen repariert und moderne Restaurants eröffnet werden. Wenn eine Stadt vor hat, künftig ein interessantes Ziel für Touristen zu sein, ist eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft für sie sehr wichtig“, so Gadjutschkin. Wenn man es von diesem Standpunkt aus betrachtet, gibt der mögliche Ausschluss von Wolgograd und Kaliningrad zu denken, denn beide Städte sind große Touristenzentren. Kaliningrad liegt in der russischen Exklave an der Ostseeküste und gilt als eines der wichtigsten Touristenziele im russischen Westen. Wolgograd, das früher Stalingrad hieß, ist der Ort einer der größten Kriegsschlachten der Menschheitsgeschichte, der Schlacht von Stalingrad. Von Juli 1942 bis zum Februar 1943 kamen dort ungefähr zwei Millionen Menschen ums Leben. Heute steht auf dem ehemaligen Schlachtfeld eine 85 Meter hohe Mutter-Heimat-Statue.
Laut Oleg Gajutschkin stehen die meisten Austragungsorte vor dem Problem der möglichen Weiternutzung der Stadien nach Ende der
Weltmeisterschaft. „Um die WM-Stadien auch nach der Weltmeisterschaft voll nutzen zu können, müsste es in den Städten gute Fußballvereine geben. Doch nicht nur in Wolgograd und Kaliningrad, sondern auch in Sotschi, Saransk oder Jekaterinburg gibt es diese nicht“, merkt der Experte an. Genau aus diesem Grund sind alle Stadien in Brasilien mit mobilen Tribünen ausgestattet worden. Während der Weltmeisterschaft konnten sie bis zu 60 000 Zuschauern Platz bieten, nun werden sie auf eine Kapazität von 40 000 Plätzen zurückgebaut. Zum Vergleich: Ein normales WM-Stadion in Russland ist für 30 000 bis 35 000 Besucher ausgelegt.
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