Experten diskutierten im russischen Saransk Infrastruktur und Marketinglösungen für die WM-2018 Spielstätten. Foto: Pressebild
Vom 17. bis 19. September fand in der Stadt Saransk, etwa 650 Kilometer von Moskau entfernt, ein Expertenforum statt, an dem Insider und Spezialisten für Sportgroßveranstaltungen teilnahmen. Dieses Mal stand die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland im Mittelpunkt. Saransk ist einer von elf Austragungsorten. RBTH war vor Ort und hat Teilnehmer zu wichtigen Aspekten befragt, die Russland bei den Vorbereitungen beachten sollte.
Herausforderung Verkehr
Eine der größten Herausforderungen wird das höhere Verkehrsaufkommen während der Weltmeisterschaft sein. Die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi waren hierzu bereits ein Härtetest. Zur Fußball-WM 2018 stehen nun gleich elf russische Städte vor der Aufgabe, eine große Zahl von Besuchern zu bewegen. „Die Verkehrsverhältnisse in Russland sind vergleichbar mit denen in Brasilien, Austragungsort der WM 2014", erklärt der deutsche Logistikexperte Stefan Schmied. Schmied kennt sich aus, er hat als Verkehrsexperte die Fifa schon bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika beraten. „Russland braucht zur WM wegen der vielen zusätzlichen Besucher mehr Busse und Züge sowie ein ausgereiftes Informationssystem", meint Schmied. Russland verfüge zwar bereits über ein gut ausgebautes Schienennetz, das aber mit neuen Zügen noch besser genutzt werden könnte, sagt Schmied. Das sei ein Vorteil, ebenso wie die Nähe zu Europa. Er empfiehlt, die Straßen auch in englischer Sprache zu beschildern.
Hotelbauten: Niemand will weiße Elefanten
Ausreichend Unterkünfte zu schaffen, ist eine weitere wichtige Aufgabe für die russischen Austragungsorte. Dazu sollten Hotels modernisiert und auch neu gebaut werden. Dabei müsse jedoch darauf geachtet werden, dass nicht zu viele neue Anlagen errichtet werden, erklärten die Experten. „Die Erfahrungen in Sotschi haben gezeigt, dass zu ambitionierte Pläne anschließend zu einem großen Problem für die Wirtschaft der Region
werden können", gibt Jekaterina Janut, die bei der Unternehmensberatung EY (ehemals Ernst&Young – Anm. d. Red.), für die Bewertung von Immobilien zuständig ist, zu bedenken.
„In Sotschi betrug die Auslastung der Hotels selbst während der Spiele im Februar 2014 nur knapp 50 Prozent", so Janut. Jetzt sei die Situation trister. „Der Bedarf der einzelnen Städte muss genau geplant werden, dabei müssen die Vorgaben der Fifa berücksichtigt werden", sagt die Expertin. Nur so könnten „weiße Elefanten" vermieden werden, also Bauwerke, die anlässlich eines bestimmten Ereignisses errichtet werden, für die es aber keine sinnvolle und nachhaltige Anschlussverwendung gibt. „Klassische Beispiele dafür finden sich in Athen, wo nach den Olympischen Sommerspielen 2004 viele Bauwerke ungenutzt blieben", betont Janut.
Langfristige Konzepte für nachhaltigen Erfolg
Doch selbst wenn alle Rahmenbedingungen stimmen, die Sportstätten und die Verkehrsinfrastruktur funktionieren und angenommen werden, ist ein nachhaltiger Erfolg noch nicht garantiert. Dazu bedarf es langfristiger Strategien. Jede Stadt, in der ein WM-Spiel ausgetragen wird, muss sich überlegen, wie sie sich ihren Gästen präsentieren möchte. „Um von der Weltmeisterschaft wirklich zu profitieren, muss man für jede Stadt nicht nur ein Kommunikationskonzept für die Zeit der Weltmeisterschaft haben, sondern die Entwicklung für 15 bis 20 Jahre um das Ereignis herum planen", erklärt Winfried Nass, Kommunalberater und von 2001 bis 2005 Leiter des Organisationskomitees der Fußball-WM 2006 in Deutschland. „In Frankfurt beispielsweise haben wir bereits im Jahr 2000 begonnen, die Stadt attraktiver zu gestalten und umzubauen, und wir sind damit erst nach der WM 2006 fertig geworden", erzählt Nass.
Saransk ist einer von elf Austragungsorten der WM-2018. Foto: Pressebild
Mike Lee, ein britischer Spezialist für strategische Kommunikation im Bereich Sport, der für die Werbung der Stadt Belo Horizonte im Zuge der Vorbereitungen auf die WM in Brasilien 2014 zuständig war, ist der Ansicht, dass der Erfolg des Gastgeberlandes zum Großteil auf kreativen Kampagnen der einzelnen Austragungsorte basiere. Lee weist darauf hin, dass in vielen Ländern nur einzelne Städte alle Aufmerksamkeit auf sich zögen, nicht nur in Russland: „In Großbritannien steht London im Fokus. In Brasilien schauen alle nur nach Rio oder São Paulo." Russland sei reich an Geschichte und Kultur, findet Lee. Es habe viele verschiedene Traditionen, eine kulinarische Vielfalt, ethnische Minderheiten und vieles mehr, was sich lohne, zu entdecken. „Darauf hinzuweisen, das können die einzelnen Städte und Regionen am besten", ist Lee überzeugt.
Stadtwerbekonzepte nach Gruppenspielen ausrichten
Bei der Zusammenstellung eines einzigartigen Kulturprogramms sollten aber auch die finanziellen Möglichkeiten bedacht werden, merkt Paul Freudensprung, ein Experte für Urbanistik und Logistik aus Spanien, an. „Es gibt keine Strategie von vorherigen Weltmeisterschaften in Deutschland und Brasilien, die gänzlich auf Russland passen würde", sagt er. Doch man könne davon profitieren, dass im Zuge der Fußball-Weltmeisterschaft ohnehin mehr Menschen ins Land kämen. Für diese könnten einfach planbare Events veranstaltet werden wie beispielsweise Autogrammstunden
mit ehemaligen Fußballspielern oder Musikfestivals, sagt Freudensprung.
Der Spanier weist darauf hin, dass eine konkrete Planung ohnehin erst Sinn habe, wenn die einzelnen Partien und ihre Spielorte ausgelost wurden. Die Auslosung der Gruppenspiele findet allerdings erst Ende 2017 statt. „Manche Spiele sind Publikumsmagneten, andere eher nicht", weiß Freudensprung. Beispielweiseie Anhänger einer Partie zwischen Frankreich und Niederlanden hätten andere Ansprüche und Bedürfnisse als die von Slowenien und Paraguay, entsprechend müssten auch die Rahmenveranstaltungen geplant werden. „Das ist ein sehr wichtiger Aspekt", erklärt Freudensprung. Die Herausforderung liege darin, resümiert der Experte, kurzfristig auf die Auslosungsergebnisse reagieren zu können.
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