Anatolij Tymoschtschuk: „Die Politik kann sich am Sport ein Beispiel nehmen“

Anatolij Tymoschtschuk nimmt an der Eröffnungszeremonie des Finales des Fußballprojekts "Football for friendship" in Berlin teil.  Foto: Pressebild

Anatolij Tymoschtschuk nimmt an der Eröffnungszeremonie des Finales des Fußballprojekts "Football for friendship" in Berlin teil. Foto: Pressebild

Im Gespräch mit RBTH spricht der ukrainische Fußballer Anatolij Tymoschtschuk, einer der bekanntesten Spieler der russischen Premjer-Liga und ehemaliger Mittelfeldspieler von FC Bayern München, über die Bedeutung des Sports für gegenseitiges Verständnis, auch und insbesondere in schwierigen Zeiten.

In diesem Sommer nahm Anatolij Tymoschtschuk, einer der bekanntesten Spieler der russischen Premjer-Liga, am Programm „Football for Friendship" teil. Das Fußballforum, Höhepunkt des sozialen Projekts, fand vom 4. bis 7. Juni im Vorfeld des Endspiels der Uefa Champions League statt. Im Interview mit RBTH erzählt Tymoschtschuk, der mit der Mannschaft aus seiner Heimatstadt Luzk in die deutsche Hauptstadt gereist war, von der Entwicklung des Jugendsports und von motivierenden Erfolgsgeschichten.

RBTH: Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland wird viel von der Weiterentwicklung des Breitensports für Kinder und Jugendliche gesprochen. Inwiefern können erfahrene Spieler eine Inspiration sein für Kinder, die gerade mit dem Sport anfangen?

Tymoschtschuk: Da das Fußballtraining für Profispieler viel intensiver ist als das für Kinder, halten wir (bei seinem Verein Zenit Sankt Petersburg, Anm. d. Red.) kein gemeinsames Training ab. Durch meine persönlichen Erfahrungen bei der Teilnahme an speziellen Kursen für Kinder weiß ich jedoch, dass solche Trainingseinheiten den jungen Sportlern dabei helfen, die Anforderungen des Profisports besser zu verstehen. Zudem werden sie dadurch zu größeren Leistungen im Training und im Spiel angespornt.

Nicht jedes Kind hat das Zeug zum Profifußballer, aus ganz verschiedenen Gründen. Aber beim Fußballspielen entstehen positive Gefühle und Erinnerungen, die im Gedächtnis bleiben. Ich versuche immer, interessante soziale Projekte zu unterstützen. Für die Entwicklung eines Kindes ist es sehr wichtig, zusätzliche Möglichkeiten zur Begegnung mit Gleichaltrigen aus anderen Ländern zu bekommen, etwas Neues zu lernen und viele neue Eindrücke zu gewinnen.

„Football for Friendship“ ist ein internationales soziales Fußballprojekt, das seit 2013 von dem russischen Unternehmen Gazprom im Rahmen des karitativen Programms „Gazprom for Children“ veranstaltet wird.

In diesem Jahr fand das Fußballforum für Kinder zum dritten Mal statt. Mannschaften aus 24 europäischen und asiatischen Ländern trafen vom 4. bis 7. Juni in Berlin aufeinander. Das Endspiel, in dem das Kinderteam von Rapid Wien gegen die Konkurrenz des FC Zürich aus der Schweiz gewann, wurde in der Nähe des Brandenburger Tors im Stadtzentrum ausgetragen.

Franz Beckenbauer, selbst Fußballer-Legende und Botschafter des Projekts, hieß die Teilnehmer persönlich willkommen. Beckenbauer zufolge ist das wichtigste Ziel des Turniers, universelle Werte wie gegenseitigen Respekt und Toleranz zu fördern. Das soll sich auch in einem besonderen Pokal, dem Nine Values Cup, widerspiegeln, der im Rahmen des Forums überreicht wurde. In diesem Jahr ging er an den FC Barcelona, der damit für seine verschiedenen Initiativen zur Förderung des Jugendfußballs sowie dessen Unterstützung junger Fußballer aus Entwicklungsländern geehrt wurde.

Zum Abschluss des Turniers durften alle Kinder am 6. Juni das Finale der Uefa Champions League zwischen dem FC Barcelona und Juventus Turin im Berliner Olympiastadion live im Berliner Olympiastadion erleben.

 

Ist die Teilnahme berühmter Sportler ein Erfolgsrezept für solche Projekte?

Jeder von uns ist anders. Man muss versuchen, sich selbst zu verstehen lernen, das eigene Potenzial zu erkennen und die Stärken und besten Eigenschaften zu fördern. Berühmte Sportler stehen für Erfolgsgeschichten, die junge Menschen dazu motivieren können, voranzukommen und sich weiterzuentwickeln, um ihr Leben besser, attraktiver und gesünder zu gestalten.

Die Mannschaft aus Ihrer Heimatstadt nimmt bereits zum zweiten Mal am Projekt „Football for Friendship" teil. Kann die Teilnahme des ukrainischen Teams an diesem russischen Projekt Ihrer Meinung nach das gegenseitige Verständnis in der aktuell angespannten politischen Situation fördern?

Ich finde, dass man Fußball und Politik strikt voneinander trennen sollte. Beim Fußball stehen sich zwei Mannschaften 90 Minuten lang gegenüber und spielen um den Sieg. Die ukrainische Mannschaft hat die Gelegenheit erhalten, an einem internationalen Turnier teilzunehmen. Genauso haben russische Teams das Recht, sich an ukrainischen Turnieren und Projekten zu beteiligen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Fußballweltmeisterschaft, bei der Mannschaften aus Argentinien und England, Frankreich und Deutschland, Russland und der Ukraine aufeinandertreffen können. Vielleicht ist der Fußball ein sehr gutes Vorbild für Politiker – ein Vorbild für das Verhältnis zweier Nationen.

Wird die Fußballweltmeisterschaft in Russland der Entwicklung des Sports, insbesondere des Jugendsports vor Ort, einen zusätzlichen Schub verleihen?

Ich habe an der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland teilnehmen dürfen (mit der ukrainischen Nationalmannschaft, Anm. d. Red.) und kann deshalb bestätigen, dass danach selbst in einem traditionellen Fußballland wie Deutschland die Popularität des Fußballs zugenommen hat. Zum ersten Mal in der Geschichte wird ein Fußballturnier dieser Größenordnung in Russland stattfinden. Es ist eine ausgezeichnete Gelegenheit, nicht nur Russland der ganzen Welt zu präsentieren, sondern auch das Interesse aller Einwohner des Landes am Fußball zu wecken.

Anatolij Tymoschtschuk besuchte die Fußballschule von Wolyn Luzk in der Westukraine und machte sich von 1998 bis 2007 als Mittelfeldspieler bei Schachtar Donezk einen Namen.

Im Jahr 2007 kaufte der russische Verein Zenit Sankt Petersburg das Ausnahmetalent für 14,5 Millionen Euro – damals die größte jemals gezahlte Ablösesumme im russischen Fußball. Mit Sankt Petersburg gewann Tymoschtschuk den Uefa Cup und den Uefa Super Cup.

2009 wechselte er zu Bayern München und gewann in der Folge die Champions League und zwei deutsche Meisterschaften.

2013 kehrte Tymoschtschuk zu Zenit zurück. Er ist Kapitän der ukrainischen Nationalmannschaft und Rekordnationalspieler seines Landes.

In diesem Sommer läuft der Vertrag des 36-Jährigen aus. Was er danach plant, hat er uns nicht verraten.

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