Sieben Fragen über russische Hooligans

Sind die gewaltbereiten Fußballfans Marionetten von Wladimir Putin?

Sind die gewaltbereiten Fußballfans Marionetten von Wladimir Putin?

AP
Vor allem die russischen Fans füllen die Schlagzeilen zur Europameisterschaft 2016. Was treibt sie dorthin? Sind sie vielleicht sogar Marionetten von Wladimir Putin? Diesen und anderen Fragen ist RBTH nachgegangen.

1. Seit wann gibt es in Russland Hooligans?

Die erste organisierte Gruppierung entstand im Umfeld des Moskauer Fußballvereins Spartak noch zu sowjetischen Zeiten, im Jahr 1972.

In den neunziger Jahren gründeten sich sogenannte „Firmen“, Organisationen radikaler Fans, die vor Gewaltanwendung für die Ehre ihres Klubs nicht zurückschreckten. Auch hier waren Spartak-Fans mit der Gründung von „Flint’s Crew“ im Jahr 1994 Vorreiter. Im gleichen Jahr entstand im Umfeld des Klubs ZSKA die Gruppierung „Red Blue Warriors“.

„Das sind junge Männer, die in gefährlichen Situationen in 99 Prozent aller Fälle in Aktion treten. Das schreibt ihnen ihr Fan-Kodex vor“, erzählt Andrej Malossolow, der Gründer der „Red Blue Warriors“, in einem Gespräch mit RBTH. „Sie können in ihrem eigentlichen Leben friedliebende Personen sein und unauffälligen Bürojobs nachgehen. Wenn aber ein Spiel beginnt, werden sie in positivem Sinn verrückt. Die Aufgabe der Ultraradikalen ist es, ihren Klub oder ihre Nation zu verteidigen, und natürlich die Ehre. Das sind Leute, die anpacken. Wenn es Krieg gibt, ziehen diese Männer in die Schützengräben“, sagt Malossolow.

2. Wie kamen russische Hooligans zur EM?

Etwa 15 000 russische Fans reisten zur EM 2016 nach Frankreich. Rund 10 000 von ihnen kauften ihre Tickets über die Uefa-Lotterie. Ein Jahr vor dem Turnier konnte jeder, der wollte, ein Ticket beantragen. Die Sieger, die ihr Ticket gleichwohl bezahlen mussten, wurden ausgelost. Weitere 5 000 Tickets verteilte der Allrussische Fanverband (WOB). Ungefähr 400 Hooligans seien aus diesem Pool bedient worden, verriet eine anonyme Quelle RBTH.

„Genau diese Jungs lieferten sich am Alten Hafen von Marseille Schlägereien mit englischen Fans und durchbrachen die Polizeisperren im Stade Vélodrome. Es wäre falsch, sie als Rädelsführer der Straßenkämpfe zu bezeichnen. Sie griffen ihre Gegenspieler nicht an, sie überließen das den Engländern. Einige nahmen die Herausforderung an, die meisten Engländer aber suchten das Weite“, sagt die Quelle, die überzeugt ist, dass die Aktionen der Ultras im Stadion provoziert wurden. „Das ganze Spiel über wurden die russischen Fans von den Engländern beleidigt, irgendwann war das Maß voll.“

3. Stimmt es, dass Wladimir Putin die Fans persönlich unterstützt?

Dafür gibt es keine Belege. Eine offizielle Stellungnahme zum Verhalten der Fans gab der Pressesprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow ab. Er verurteilte die Vorfälle und ermahnte die Fans, die französischen Gesetze zu respektieren.

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4. Warum bestrafte die Uefa nur Russland, obwohl an den Schlägereien auch englische Fans beteiligt waren?

Die Uefa ist nur zu Prüfung von Ereignissen innerhalb eines Stadions berechtigt. Die Gewalteskalationen von Marseille vor dem Turnier fallen nicht unter die Rechtsprechung dieses Verbands. Konkret disqualifizierte die Uefa das russische EM-Team auf Bewährung für das Eindringen russischer Hooligans in den Block der englischen Fans.

5. Warum wurden drei russische Fans mit einer Freiheitsstrafe von zwölf bis 24 Monaten bestraft?

Vor einem Gericht in Marseille wurden drei russische Fans wegen Beteiligung an den Ausschreitungen am Hafen von Marseille verurteilt. Viele internationale Medien berichteten, es gebe keine Beweise für die Teilnahme der Russen an den Schlägereien. Der russische Sportminister Witali Mutko erklärte, russische Anwälte hätten sich bereits in die Verfahren der verurteilten Fans eingeschaltet.

6. Würden die Fans auch in Russland randalieren?

Die dramatischste Gewalteskalation unter Federführung russischer Fans ereignete sich im Juni 2002. Nach dem verlorenen Gruppenspiel bei der Weltmeisterschaft gegen Japan kippten betrunkene Fans Autos um, zerschlugen Schaufensterscheiben und lieferten sich Massenschlägereien im Moskauer Stadtzentrum. 75 Menschen wurden verletzt, 49 so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Ein junger Mann erlag seinen Verletzungen.

Zuletzt sorgten gewaltbereite Fans im Anschluss an ein Vereinsspiel von Zenit gegen Dynamo am 11. Mai 2014 in Sankt Petersburg für Schlagzeilen. Am Ende des Spiels, das Dynamo mit 2:4 für sich entschied, durchbrach ein Teil der Fans die Absperrungen und stürmte aufs Fußballfeld. Einer der Fans lief auf Wladimir Granat, einen Verteidiger von Dynamo, zu und schlug ihm ins Gesicht. Der Spieler erlitt eine schwere Gehirnerschütterung.

7. Wie geht Russland gegen Hooligans vor?

Im Januar 2014 trat das sogenannte Fan-Gesetz in Kraft. Es verbietet das Mitführen von Alkohol und Feuerwerkskörpern in Stadien, provozierende und obszöne Sprechchöre sowie beleidigende Banner. Verstöße gegen diese Vorschriften werden mit Bußgeldern von bis zu 15 000 Rubel (200 Euro) geahndet. Auf wiederholtes Zuwiderhandeln stehen eine Strafe und 15 Tage Arrest oder das vollständige Verbot des Besuchs von Fußballspielen für die Dauer von sieben Jahren.

Erst kürzlich verabschiedete die Duma außerdem ein Gesetzespaket über eine schwarze Liste von Fans, denen der Besuch von Fußballspielen verboten wird.

Neues „Fan-Gesetz“: Volle Härte gegen Hooligans

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