Sollte das Verbot nicht aufgehoben werden, werden auch Athleten aus Wintersportarten von der Sperre betroffen sein.
Kirill Kallinikov/RIA NovostiSir Philip Craven, Chef des Internationalen Paralympischen Komitees IPC, gab am gestrigen Sonntag die Suspendierung des Nationalen Paralympischen Komitees Russlands und den Ausschluss russischer Athleten von allen internationalen Wettkämpfen bekannt. Damit können rund 270 russische Sportler nicht bei den Paralympischen Spielen in Rio vom 7. bis 18. September antreten.
Craven hat russischen Sportfunktionären vorgeworfen, am Aufbau eines Systems zur Vertuschung von Verstößen gegen die Dopingbestimmungen beteiligt zu sein. Der IPC-Chef stütz sich dabei auf einen Bericht der unabhängigen Wada-Kommission unter der Leitung Richard McLarens. Darin ist unter anderem von einem Austausch von 27 Dopingproben paralympischer Sportler bei den Paralympischen Spielen 2014 in Sotschi die Rede. Vor zwei Jahren hatte Russland 13 Gold-, elf Silber- und neun Bronzemedaillen gewonnen und den ersten Platz der Medaillenwertung belegt.
Der McLaren-Report bestätigte zudem die skandalösen Behauptungen Grigori Rodtschenkows, dem ehemaligen Chef des Moskauer Anti-Doping-Labors, der im Interview mit der Zeitung „The New York Times“ erklärt hatte, in Russland sei zwischen 2011 und 2015 ein staatliches System zur Vertuschung positiver Dopingproben zum Einsatz gekommen.
Der am 18. Juli in Toronto veröffentlichte McLaren-Bericht gilt als vorläufig. Bislang sind keine Sportler des russischen Paralympics-Teams persönlich wegen Dopings disqualifiziert worden.
Das IOC und das IPC sind zwei verschiedene Organisationen, die Entscheidungen unabhängig voneinander treffen dürfen. Das IOC hatte beschlossen, sich nicht nach dem Prinzip der kollektiven Verantwortung zu richten: Der Chef des Olympischen Komitees, Thomas Bach, bezeichnete eine Pauschalsperre aller russischen Athleten als Nuklearoption und die betroffenen sauberen Athleten als Kollateralschäden, und delegierte die Entscheidung an die nationalen Sportverbände.
Das IPC hingegen wertete Russlands Verstöße als derart massiv, dass für das Paralympische Komitee nur eine Pauschalsperre als angemessene Maßnahme in Frage kam. Dabei sprach Philip Craven den sauberen russischen Athleten sein Bedauern aus, und sagte, sie seien vom russischen Staat auf dramatische Weise im Stich gelassen worden.Die Differenzen in den Positionen des IOC und IPC können auch von den Unterschieden in ihren Organisationsstrukturen herrühren. Der paralympische Sport ist stärker zentralisiert, sodass das IPC eine für alle Verbände verbindliche Entscheidung treffen kann, wohingegen das IOC weniger Vollmachten hat, und bei seinen Entscheidungen stets Rücksicht auf die Verbände nehmen muss, von denen viele gegen die Suspendierung russischer Sportler waren.
Das IPC erhebt keine Vorwürfe gegen konkrete Sportler, sondern gegen die russischen Sportfunktionäre. „In dieser Situation geht es nicht um Athleten, die das System betrügen, sondern um ein staatlich betriebenes System, das die Athleten betrügt“, sagte Philip Craven am Sonntag. Deshalb hat das IPC keine einzelnen Athleten, sondern das gesamte Paralympische Komitee Russlands suspendiert. Der erste internationale Wettkampf, bei dem die Athleten nicht antreten dürfen, sind die Paralympics in Rio. Sollte das Verbot nicht aufgehoben werden, werden auch Athleten aus Wintersportarten von der Sperre betroffen sein.
Juristische Unterstützung erhalten russische Sportler von der Föderalen Anwaltskammer. Der Vize-Präsident des Verbands, Konstantin Dobrynin, erklärte im Interview mit R-Sport, dass es Rechtsmittel gegen die IPC-Entscheidung gebe: „Wir haben es hier mit einer Verletzung der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen zu tun.“ Das Dokument verbiete jede Form der Diskriminierung, erklärte Dobrynin. „Die Konvention verpflichtet die Unterzeichner-Staaten – die zugleich IPC-Mitglieder sind – zum effektiven Rechtschutz gegen jedwede Diskriminierung.“
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