Foto: AFP / East News
Der staatliche russische Ölkonzern Rosneft steht kurz vor einem Mrd.schweren Deal mit der Volksrepublik China. Der staatlich kontrollierte chinesische Ölkonzern China National Petroleum Corporation (CNPC) will Rosneft einen Kredit über 30 Mrd. Dollar im Gegenzug für die Ausweitung von dessen Öllieferungen gewähren. Rosneft kommt das Darlehen sehr gelegen, muss der Erdölförderer doch rund 55 Mrd. Dollar schultern, um den Zukauf der drittgrößten russischen Ölfirma TNK-BP zu stemmen. Dabei geht es Rosneft nicht schlecht.
Der Reingewinn des größten russischen Ölförderers Rosneft wuchs von 2012 um 7,2 Prozent und erreichte damit einen historischen Höchstwert von elf Mrd. Dollar. Vorstandsvorsitzender Igor Setschin, früherer einer der Stellvertreter des russischen Premierministers und seit Mai 2012 auf diesem Posten, verkündete für alle Bereiche wachsende Erfolge.
Daraufhin legte die Aktie an der Londoner Wertpapierbörse LSE um 41 Prozent zu. Der Marktwert der Gesellschaft wurde somit auf 90 Mrd. Dollar gesteigert. "Allerdings", so Setschin kürzlich bei einem Treffen mit Wladimir Putin, "dürfte der reale Wert von Rosneft eher bei 120 Mrd. Dollar liegen." Wenn Igor Setschin recht hat, könnte Rosneft hinsichtlich der Kapitalisierung in den nächsten Jahren zum größten russischen Unternehmen Gazprom (115 Mrd. Dollar) aufschließen.
Ausweitung der Kampfzone
In den vergangenen beiden Jahren zeigte sich Rosneft offen für Kooperationsprojekte mit russischen und ausländischen Unternehmen, um riesige neue Ölfelder auf dem arktischen Festlandsockel zu erschließen. Das erste Projekt sollte im Januar 2011 mit British Petroleum (BP) starten. BP sollte drei Felder in der Karasee zur Ausbeutung erhalten und mit Rosneft einen gegenseitigen Aktientausch im Umfang von 16 Mrd. Dollar vornehmen. Doch der Tausch kam nie zustande, woraufhin die amerikanische ExxonMobil in das Geschäft einsprang.
Später wurden auch die italienische Eni und die norwegische Statoil zu Partnern von Rosneft bei der Exploration des arktischen Schelfs. Inzwischen hat Rosneft rund 40 Lizenzen vergeben, um gemeinsam mit Kooperationspartnern die bereits bestehenden Schelf-Lagerstätten auszubeuten. Mehr oder weniger stark ist das Unternehmen dabei Vorwürfen ausgesetzt, dass es gegen billiges Geld nationale Ressourcen verhökere. Andrej Polischtschuk, Analyst der Raiffeisenbank, nimmt den Ölriesen in Schutz: „Rosneft geht auf dem Schelf strategisch klug vor, indem es die Risiken mit ausländischen Unternehmen teilt." Die Partner würden die geologische Erkundung und Exploration finanzieren und die notwendigen modernen Technologien bereitstellen; dafür bekäme der Staatskonzern einen Anteil am Gewinn.
Boomendes Gasgeschäft trägt zum Umsatzsprung bei
Doch nicht nur mit Öl macht Rosneft sein Geschäft. Das Unternehmen plant, sein Gasprogramm auf 100 Mrd. Kubikmeter pro Jahr auszuweiten. 2012 einigte es sich mit Itera, einer internationalen Gruppe von Unternehmen, die zu den größten unabhängigen Herstellern und Händlern von Erdgas gehört, über den Erwerb von 51 Prozent an einem Joint-Venture der beiden Gesellschaften. Dieser Deal brachte Rosneft Sondereinnahmen in Höhe von 2,2 Mrd. Dollar. Auch im gewöhnlichen Geschäft konnte Rosneft 2012 auf höhere Fördermengen und gestiegene Ölpreise verweisen. Der Umsatz ist um 13 Prozent auf 100 Mrd. Dollar geklettert. Der Reingewinn nahm um sieben Prozent zu und erreichte mit 11,4 Mrd. Dollar einen neuen historischen Rekord. Allerdings halbierten sich die Barmittel des Konzerns wegen hoher Investitionen auf fast 1,5 Mrd. Dollar. In der ersten Jahreshälfte will Rosneft den 55 Mrd. Dollar schweren Zukauf der drittgrößten russischen Ölfirma TNK-BP perfekt machen. Damit würde Rosneft sich vor ExxonMobil setzen und nicht nur zum weltgrößten Ölkonzern, sondern auch - nach Umsatz - zum größten Unternehmen der Welt avancieren.
Im vergangenen Jahr begann der russische Energiemulti, sich aktiv nach Abnehmern für sein Gas umzusehen. Im Oktober 2012 unterzeichnete er einen umfassenden ToP-Vertrag mit Inter RAO, einem der größten Produzenten von Elektroenergie. Auf dieser Grundlage wird der Ölkonzern ab 2016 für den Zeitraum von 25 Jahren bis 900 Mrd. Kubikmeter Gas liefern. Der Hersteller übernimmt beim Take-or-Pay-Vertrag (ToP) die Verpflichtung, Gas bis zu einer bestimmten Menge pro Jahr zu liefern. Im Gegenzug verpflichtet sich der Abnehmer, die festgesetzte Menge auch dann zu bezahlen, wenn er sie nicht zur Gänze bezieht. Solche ToP-Verträge zwischen Gasproduzenten und Großabnehmern mit Laufzeiten von 25 Jahren sind in der Branche durchaus üblich. Allerdings dringt über die genaue Ausgestaltung der bilateralen Abmachungen kaum etwas an die Öffentlichkeit.
Rosneft setzt zudem darauf, dass der russische Staat das Exportmonopol für Gas auf längere Sicht nicht halten kann, weil die EU mit ihrem Dritten Energiepaket droht. Dieses verlangt die unternehmerische Trennung von Herstellung und Vertrieb von Energierohstoffen. Bisher genießt Gazprom noch das alleinige Recht, Gas zu exportieren. "Das wird so nicht bleiben", gibt sich Witali Krjukow, Analyst bei IFD Kapital, überzeugt. „Da sich Gas aus der Arktis sehr gut exportieren lässt, werden auch andere Unternehmen als Gazprom früher oder später die Erlaubnis erhalten, Flüssiggas (Liquid Petroleum Gas, LPG) im Ausland abzusetzen.“
Einverleibung der TNK-BP
Zur größten Transaktion des letzten Jahres gestaltete sich der Erwerb der Anteile von BP und dem russischen Konsortium AAR an der Ölfirma TNK-BP. Sie ist ein Joint Venture der drei Unternehmen British Petroleum (BP), Access/Renova Group und der Alfa Group und gehört mit über 50.000 Beschäftigten sowie einem Umsatz von über 60 Mrd. Dollar zu den Großen der Branche. Bekannt geworden ist das Unternehmen 2009, als der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder Aufsichtsratsmitglied wurde. Inzwischen hat er jedoch sein Mandat niedergelegt. Man erwartet, dass die Konsolidierung bis zum Ende des ersten Halbjahres 2013 abgeschlossen sein wird. Insgesamt 55 Mrd. Dollar soll der Spaß kosten.
Rosneft verzichtet auf Zwischenhändler
Im vergangenen Jahr kam der Staatskonzern auf die Idee, seine Ölhändler härter anzufassen. So verlor Gunvor, ein 80-Mrd-Dollar-Unternehmen, das auf Zypern ins Handelsregister eingetragen ist und dessen Gründer und Miteigentümer der russische Geschäftsmann Gennadi Timtschenko ist, im September eine Ausschreibung für den Verkauf von Öl und Erdölprodukten von Rosneft. Über Jahre hinweg war Gunvor stets der Hauslogistiker für Rosneft. Doch vor dem Hintergrund der wachsenden Nachfrage nach russischem Öl entschied sich das Staatsunternehmen offenbar für wirtschaftlich attraktivere Angebote. Statt Gunvor konnten sich die Rohstoffhändler Vitol, Glencore und Shell in Szene setzen. Das war den neuen Partnern derart wichtig, dass sie sich einverstanden erklärten, bei der Finanzierung des Kaufs von TNK-BP-Akktien mitzuwirken: Die Lieferung von 67 Mio. Tonnen Erdöl wurde gegen Vorkasse beschlossen.
Nun noch eine eigene Bank
Rosneft braucht für seine vielfältigen Transaktionen langfristige Finanzierungen, gleichzeitig sind immer viel Barmittel zu verwalten. Aus diesem Grund will das Unternehmen ein eigenes Finanzinstitut gründen. Die Rosneft-Bank wird mit Einlagen aus den Finanzbeständen des Unternehmens gegründet, die heute noch bei der Allrussischen Bank zur Entwicklung der Regionen liegen. Die neue Finanzstruktur wird dem Unternehmen nach eigener Einschätzung ermöglichen, internationale Großprojekte zu verwirklichen sowie die Systeme des Handels mit Erdöl und Erdölprodukten zu optimieren.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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