Gründerin des Internet-Shops TrendBrands.ru Anastasija Sartan. Foto: Kommersant
Die Inhaberin des Internet-Shops TrendBrands.ru Anastasija Sartan verließ sich blind auf ihren Ring mit dem „großen Brillanten". Sie hätte nicht gezögert, ihn zu verkaufen, wenn sie nach dem Start in die Selbstständigkeit ihre Mitarbeiter nicht mehr hätte bezahlen können, erinnert sie sich. Doch der Ring blieb verschont: Bereits im ersten Jahr, 2011, gelang es der Firma, Investitionen in Höhe von 750 000 Euro von den russischen Fonds Ru-Net und Kite Ventures an Land zu ziehen.
Gerade hat TrendsBrands.ru die zweite Investitionsrunde abgeschlossen. Geschäftspartner wurde der französische Fonds Ventech, der für seine Anschub-Investitionen in russische Internetprojekte bekannt ist. Die Franzosen haben neben TrendsBrands.ru bereits das Hotelbuchungsportal Otkogo und den Spieleentwickler für soziale Netzwerke Pixonic im Portfolio.
20 Kleidungsstücke machen eine Kollektion
Vor drei Jahren arbeitete Anastasija Sartan noch als Kellnerin in New York. In ihrer Freizeit half die kreative junge Frau befreundeten Modedesignern und ihren ausländischen Einkäufern bei der Auswahl ihrer Ware. Als Sartan
nach Moskau zurückkehrte, beschloss sie, Mode für russische Hipster zu verkaufen, und brachte Freunden, die damals einen Showroom in der Kurskaja-Straße hatten, 20 Kleidungsstücke. Die Kleidung ging schnell weg, Anastasija brachte mehr. Innerhalb von einem Jahr eröffneten die Partner zwei weitere Showrooms in St. Petersburg und Kiew sowie zwei Online-Plattformen.
Doch dann zerstritten sich die Freunde und Sartan ging ihren eigenen Weg. Vom letzten Geschäft hatte sie noch Tische, einige Notebooks und 7 500 Euro übrig. Damit startete sie den Online-Modeshop TrendBrands.ru. Die junge Geschäftsfrau sah schnell, dass ein Angebot von Lables wie D&G oder Prada mit diesem Budget nicht möglich war.
Deshalb beschloss sie, ein Sortiment preiswerter und wenig bekannter Labels zusammenzustellen und wählte dabei die modischsten aus, um ihren Klienten nicht die Marke, sondern vielmehr modische Trends zu verkaufen. Noch dazu machte sie die Neu- und Wiedereinkäufe ihres Sortiments nicht wie üblich zwei Mal pro Jahr, sondern ergänzte es jeden Monat durch etwas Neues.
Diese Vorgehensweise gibt der Geschäftsfrau bis heute ein Alleinstellungsmerkmal. Der Shop ist ein Paradies für Hipster: Sneaker, Sweatshirts, Plateauschuhe, Hemden, Röhrenjeans – alles stilvoll und sehr modern. Dabei übersteigt die durchschnittliche Rechnung im Shop keine 115 Euro. Und der Durchschnittspreis für ein Kleidungsstück beträgt 75 Euro.
Shopping ohne Anprobe
Noch immer begegnet man in Russland Online-Modeshops mit Skepsis, da man Kleidung im Internet nicht anprobieren könne. Mittlerweile halten aber so gut wie alle erfahrenen Akteure des Online-Handels den Einzelhandel für das Geschäft mit den momentan größten Perspektiven im russischen Netz.
„Die Verkaufsaussichten von Mode im Internet könnten nicht besser sein", sagt Maria Sawina, Marketingleiterin bei Utinet.Ru. „In diesem Segment gibt es sehr gute Margen und darüber hinaus ist ein Preisvergleich schwierig. Die Wahrscheinlichkeit von Spontankäufen ist sehr hoch."
Wsewolod Strach, Betreiber des Internet-Shops „Sotmarket", stimmt ihr zu: „Die Marge kann hier tatsächlich 300 Prozent erreichen. Im Vergleich dazu ist die Marge im Elektronikbereich mit sechs bis acht Prozent einfach zum Heulen. Zwar liegt die Rückgabequote im Modeeinzelhandel mit ca. 50 Prozent sehr hoch, aber bei solchen Margen können sich die Modeshops das problemlos leisten."
Die Rückgaben lassen sich leicht erklären: Die Kunden wollen eine große Zahl von Kleidungsstücken anprobieren, bevor sie schließlich ein oder zwei auswählen – dementsprechend bestellen sie zehn, probieren sie an und lassen dann acht mit dem Kurier gleich wieder zurückgehen.
Obwohl TrendsBrands.ru schon im ersten Jahr seiner Gründung Investitionen an Land zog, sind die Geschäftsfrau Sartan und andere Anbieter auf dem Online-Modemarkt überzeugt, dass der Modeeinzelhandel auch ohne Weiteres durch die eigenen Gewinne expandieren könnte. Der Reinerlös des Internet-Giganten Asos, den TrendsBrands für einen potenziellen Konkurrenten hält, weil die Firma schon lange plant den russischen Markt zu erobern, betrug im letzten Jahr 35 Mio. Euro. Sartan rechnet bis 2015 mit einem Umsatz von 45 bis 60 Mio. Euro. Nach Meinung von Experten könnte der Wert von TrendsBrands momentan auf drei bis 4,5 Mio. Euro geschätzt werden.
Die Hipster machen das Kraut nicht fett
Die zweite Investitionsrunde schloss TrendsBrands.ru Anfang Februar 2013 ab. Als Investor trat der französische Fonds Ventech auf den Plan, der 2,3 Mio. Euro in die Firma steckte. Michail Ukolow, Partner des Internetshops Utinet.Ru, zufolge verheißt das Engagement des Fonds dem Projekt große Perspektiven, denn es handle sich bei ihm um einen zuverlässigen, erfahrenen und sehr professionellen Investor. Es ist geplant, die Gelder für eine Erweiterung des Sortiments auszugeben. Diese Entscheidung unterliegt einer einfachen Geschäftslogik: Wenn das Sortiment auf diesem Markt nicht breit genug und dabei nicht in mindestens drei Größen erhältlich ist, kann man wohl kaum mit einem Giganten wie Wildberries konkurrieren.
Zudem entfallen ungefähr 80 Prozent des Verkaufs in Sartans Online-Shop auf die Metropolen Moskau und St. Petersburg. Aber nur 20 Prozent entfallen auf die Regionen, weil das Sortiment von TrendsBrands.ru eine typische Hipstermode ist und in den Regionen, wo man den westlichen Modestil noch nicht so pflegt, nicht immer verstanden wird. Zieht man die stetig wachsende Nachfrage außerhalb der beiden Metropolen in Betracht, ist diese Verteilung nicht gerade günstig.
„Sotmarket" hat bereits seine Angebotspolitik angepasst, sodass mehr als 80 Prozent des Verkaufs auf die Regionen entfallen. Genauso verhält sich auch der nächste Konkurrent zu TrendsBrands.ru, Wildberries, der Standards beim E-Commerce im Modebereich setzt. Eben deshalb muss sich Sartans Firma deutlich vergrößern und ihr Angebot korrigieren, um auch den Geschmack der Kunden aus anderen Städten zu treffen. Und dort plant Sartan auch neue Marketingaktionen wie beispielsweise das Ausrichten von Stadtfesten mit Cocktails und DJs, die ihr schnell eine loyale Käuferschaft unter den modebewussten Provinzlern verschaffen soll. Allerdings befürchten Kenner, dass der Geldsegen der Firma kaum ein Jahr reichen wird. Die Zukunft der Firma wird wohl unmittelbar davon abhängen, ob sie es schafft, Geschmack und Bedarf der Provinzdandys zu befriedigen.
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