Der Mond: Erneut im Fokus der Wissenschaft

Igor Mitrofanow: De facto ist der Mond ein Kontinent der Erde. Foto: Getty Images / Fotobank

Igor Mitrofanow: De facto ist der Mond ein Kontinent der Erde. Foto: Getty Images / Fotobank

Warum der Erdtrabant wieder ins Fadenkreuz der Raumfahrtforschung rückt, erklärt im Interview Mondforscher Igor Mitrofanow.

Alexej Torgaschew, Russki Reporter: Vize-Premier Dmitrij Rogosin und der Chef der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, Wladimir Popowkin, haben vor kurzem erklärt, dass die russische Raumfahrt wieder den Mond ins Visier nehmen will. Was ist dran an der Mondstation?

Igor Mitrofanow, Leiter des Labors für Kosmische Gamma-Spektroskopie des Instituts für Weltraumforschung der Russischen Akademie der Wissenschaften: Für die Wissenschaft besteht kein Zweifel, dass der Mond das nächste Ziel der Weltraumforschung ist. De

facto ist er ein Kontinent der Erde. - Nur, dass er im Weltall liegt. Ich glaube, dass seine Erschließung noch im einundzwanzigsten Jahrhundert beginnt. Es wird bemannte Mondbasen geben, wie heute Forscherstationen in der Antarktis. Wir hatten früher bereits zwei Mondfahrzeuge mit großem Erfolg auf den Mond gebracht, die dort Gesteinsproben sammelten. Die noch in sowjetischen Zeiten gewonnen Erkenntnisse sind sehr wertvoll. Darauf können wir aufbauen.

Es ist bekannt, dass Russland die beiden Mondmissionen „Luna-Globe" und „Lunar-Ressource" plant. Wie ist deren Stand?

In Reaktion auf den erfolglosen Flug des Flugapparates "Fobos-Grunt", der auf seinem Weg zum Marsmond Phobos nicht aus dem Erdorbit herauskam, wurden zu Jahresbeginn einige wichtige Konzeptänderungen an den Mondmissionen vorgenommen. Das hat uns leider einen Rückstand zur ursprünglichen Programmplanung eingebracht. In den vergangenen Tagen konnten wir die Tests der technischen Prototypen der Instrumente für die Landemodule abschließen, und bald werden Systemtests erfolgen.

Nach den Planungen von 1997 soll die etwa 2.200 kg schwere Raumsonde im Jahr 2015 mit einer Sojus-Rakete zum Mond starten und ab 2016 den Erdtrabanten von der Umlaufbahn aus erforschen. Für 2017 ist dann die Landung der schwereren „Lunar-Ressource" im Gebiet des Südpols geplant. Sie wird das Arbeitspferd für die weitere Erforschung und Erschließung des Mondes werden. Die Sonde soll Gesteinsproben am Südpol des Mondes sammeln und analysieren. So können wir hier auf der Erde die Daten mit den schon vorliegenden aus den früheren Missionen vergleichen, die aus mittleren Breiten stammt. Momentan diskutieren wir die Gewinnung von Gestein aus einer Tiefe von zirka zwei Metern. Dabei muss die Bohnrung so erfolgen, dass auch alle flüchtigen Stoffe erfasst werden. Es könnte dort nämlich Wasser geben.

In der Wissenschaftlichen Produktionsvereinigung NPO "Lawotschkin" in Chimki nordwestlich von Moskau gibt es ein „Mond-Testgelände". Wozu wird es gebraucht?

Das Projekt einer voll funktionsfähigen Mondbasis ist dort auf lange Sicht angelegt. Vor vielen Jahren habe ich gelernt, wie Sergej Koroljow, der sowjetische Raketenpionier, vorging. Jedes einzelne Projekt betrachtete er als notwendige Voraussetzung für das nächste. Das "Mond-Testgelände" zeigt uns, worauf wir hinarbeiten, wenn wir unsere heutigen Projekte realisieren. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wir werden im "Luna-Globe" 2015 einen Radiosender einbauen, wie es ihn noch nie gab. Er wird auch dann weiterarbeiten, wenn der Apparat selbst seine Mission erfüllt haben wird.

Wofür ist das wichtig?

Bei der Auswahl der Landeplätze muss immer die Möglichkeit in Erwägung gezogen werden, dass man an diesem Ort langfristig auch eine Infrastruktur aufbauen kann. Eine erste, wenn auch kleine Investition in einen solchen Ort wäre die Installation eines Radiosenders. Falls sich die Umgebung des Landeplatzes später als interessant und geeignet erweist, könnte man zu einem späteren Zeitpunkt nämlich ein schwereres Mondfahrzeug dorthin dirigieren, das Gesteinsproben nimmt oder andere Tätigkeiten ausführt. In einer weiteren Etappe könnten Roboter dorthin verfrachtet werden, um eine zukünftige Mondstation mit Energie zu versorgen. Und falls sich dort auch noch eine Wasserquelle befinden sollte, könnten wir vor Ort Automaten zur Gewinnung und Elektrolyse des Wassers aufstellen. Dann hätten wir Wasserstoff und Sauerstoff zum Atmen.

Wäre es nicht klüger, die vorhandenen Mittel in die Entwicklung preiswerter Raumstationen zu stecken statt in Mondstationen? Das ist ja momentan alles noch sehr teuer.

Es ist unglaublich, wie lange sich Stereotype halten. Ich versuche mit aller Kraft, dagegen anzugehen. So eine Mondmission muss nämlich nicht teuer sein. Natürlich sind bei allen Programmen die Kosten zu berücksichtigen. Aber ein Mondrennen, wie in den 1960er Jahren, wird es nicht mehr geben. Die Projekte, über die ich spreche, werden einen Umfang von etwa zehn Mrd. Rubel (250 Mio. Euro) nicht übersteigen. Im Vergleich zu den erwartbaren Resultaten ist das nicht viel Geld. Man muss sich vergegenwärtigen, dass wir dieses Geld nicht einfach auf den Mond schießen. Sondern es entstehen hier auf der Erde neue Arbeitsplätze und eine neue Infrastruktur. Und wir gehen von neune wissenschaftlichen Erkenntnissen aus und rechnen mit dem Entwicklung völlig neuer Materialien.

Woher nehmen Sie Ihre Überzeugung?

Schon lange ist in Vergessenheit geraten, dass zum Beispiel das Internet ein "Nebenprodukt" des Apollo-Programms war. Die Technologie erwuchs aus den Gegebenheiten und Bedürfnissen der amerikanischen Mondmissionen. Heute braucht den Mond noch niemand. Aber wer weiß, das sieht gegen Ende dieses Jahrhunderts möglicherweise ganz anders. Dann könnte es sein, das dort alle Raumfahrtnationen ihre Präsenz zeigen wollen. Das Gleiche haben wir schon in der Arktis und in der Antarktis erlebt. Und der Mond ist eben nur ein anderer Kontinent.

Was glauben Sie, welche Nation wird im einundzwanzigsten Jahrhundert die erste sein, die erneut einen Schritt auf dem Mond tut?

Das ist eine Frage der Weltanschauung. Ich fände es gut, wenn es eine internationale Station am Südpol des Mondes gäbe. Das könnte das nächste große internationale Projekt nach der ISS werden. Dann wäre es völlig uninteressant, wessen Fuß als erster den Boden unseres Erdtrabanten erneut betritt.

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