Im Jahr 2013 wird es Russland kaum gelingen, den Witschaftserfolg von 2012 zu wiederholen, meinen die Experten. Foto: PhotoXPress
Die Russen waren schon immer geneigt, Risiken einzugehen, was sich im Jahr 2012 erneut bestätigte. Die Gefahr einer weiteren globalen Wirtschaftskrise und immer wieder neue Berichte über Probleme in einzelnen europäischen Ländern verschreckten die Russen nicht: Statt auf bessere Zeiten zu warten, gaben sie ihr Geld aus, und das wirkte sich sehr positiv auf die Dynamik des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Die Verbrauchernachfrage sei im vergangenen Jahr der Hauptmotor des Wirtschaftswachstums in Russland gewesen, so Maxim Wassin, Senior Analyst bei der National Rating Agency.
Einer der auffälligsten Indizes des vergangenen Jahres ist die konstante Wachstumsrate im Bereich der Automobilverkäufe. Zweistellig war nach vorläufigen Schätzungen auch das Umsatzwachstum bei Haushaltsgeräten und -elektronik, einschließlich Computer- und Bürotechnik sowie Mobiltelefone.
Angaben von Rosstat zufolge hat Russland es geschafft, hinsichtlich des Wirtschaftswachstums die Führungsrolle unter den G8-Staaten und den zweiten Platz innerhalb der BRICS-Länder einzunehmen. Das Bruttoinlandsprodukt Russlands steigerte sich demnach um 3,4 Prozent. Das wird in einem Ende Februar von Rosstat veröffentlichten Bericht hervorgehoben, der sich auf Angaben des Internationalen Währungsfonds, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Eurostat und auf die operativen Daten der nationalen Statistikämter stützt.
Für die G8-Gruppe, die Großbritannien, Deutschland, Italien, Kanada, Russland, USA, Frankreich und Japan umfasst, wurde ein solches Ergebnis durchaus erwartet. Der drastische Rückgang des russischen BIP in der Krise von 2008/2009 ist zwar für viele unvergessen, aber dieses Mal hatte Moskau das Glück auf seiner Seite. Denn die europäische Krise wuchs sich nicht zu einer Systemkrise aus. Es kam zu keiner nennenswerten Verringerung der Öl-, Gas- und Metallpreise, wie Wassin anmerkte. Nicht zuletzt war es auch vorteilhaft, dass keine restriktive Politik geführt wurde. Der Refinanzierungssatz stehe seit 2009 auf einem unverändert niedrigen Niveau, was, verglichen mit den Krisenjahren 2008/2009, eine stärkere stimulierende Wirkung auf die Wirtschaft habe, kommentierte die Analystin Jelena Schischkina von der Investmentfirma Zurich Capital Management.
Die übrigen Podiumsplätze in der G8 erreichten die USA mit einem BIP-Wachstum von 2,2 Prozent und Japan mit 1,9 Prozent. Die deutsche Wirtschaft legte um 0,7 Prozent zu, die des Vereinigten Königreichs blieb auf dem Stand von 2011, während die italienische und französische um 2,3 bzw. 0,1 Prozent schrumpften. Rosstat macht keine Angaben zum Gesamtjahr der kanadischen Wirtschaft, doch im dritten Quartal kam es dort zu einem Wachstum von 1,5 Prozent.
In der BRICS-Gruppe fiel die „Goldmedaille" traditionsgemäß China zu, dessen Bruttoinlandsprodukt im Jahresvergleich um 7,8 Prozent stieg. Aber nach den Ergebnissen des vergangenen Jahres dürfte Russland Indien, Südafrika und Brasilien überholt haben. Allerdings stützt sich Rosstat im Hinblick auf Indien und Brasilien auf die Daten des dritten Quartals von 2012, in dem sich das Wachstum auf 3,2 bzw. 1 Prozent belief. Den vierten Platz in der Gruppe erreichte Südafrika, wo das Wirtschaftswachstum bei 2,6 Prozent lag.
Fast alle befragten Analysten wiesen darauf hin, dass sich ein anderes Bild hätte ergeben können, wenn die Erdölpreise nicht auf dem ziemlich hohen Niveau geblieben wären. Seit der Krise von 2008/2009 stiegen sie um 150 Prozent. „Der einzige Grund dafür, dass Russland nicht in den Rezessionsabgrund gestürzt ist, liegt in den Preisen für Energierohstoffe. Denn trotz aller Versprechungen oder, um es mit der Politik zu sagen, trotz aller strategischen Pläne, die Einnahmen aus dem Ölhandel auf 5,6 Prozent des BIP zu senken, ist ihr Anteil bislang mindestens zweimal so hoch", erklärte der Analyst Artjom Dejew vom Finanzunternehmen AForex.
Andererseits erwies sich Russland nach der Bilanz von 2012 als Nachzügler hinsichtlich des Inflationsniveaus (6,6 Prozent). Unter den G8-Staaten stiegen die Preise in Russland am schnellsten, und in der BRICS-Gruppe wurde es nur von Indien übertroffen, wo sich die Preise im Jahresvergleich um 11,2 Prozent erhöhten. Allerdings muss hier erwähnt werden, dass Rosstat bei der Erstellung dieser Statistik keine Angaben über die Südafrikanische Republik zur Verfügung hatte.
Im Jahr 2013 wird es Russland kaum gelingen, den Erfolg von 2012 zu wiederholen. Am Ende des vergangenen Jahres war in einer ganzen Reihe von Sektoren ein Rückgang der Produktions- und Vertriebsquoten zu verzeichnen. Das russische Wirtschaftswachstum verlangsame sich weiter, und der Prozess werde sich in den nächsten Quartalen bemerkbar machen, gab die Analystin Schischkina zu bedenken.
„Es gibt nicht viele, sondern eher wenige fundamentale Wachstumsfaktoren. Das Wirtschaftsministerium prognostiziert einen Anstieg des ausländischen Investitionsvolumens, weil das Land prinzipiell Perspektiven habe, doch gegenwärtig übertrifft der Kapitalabfluss bereits die Prognosen des Ministeriums und nähert sich der Marke von 47 Milliarden Euro. Dies belegt auch die Kapitalimport/-export-Statistik der Zentralbank. Und eine Änderung des aktuellen Trends ist nicht zu erwarten", erläuterte die Analystin.
Die National Rating Agency rechnet für 2013 mit einem Rückgang der russischen BIP-Wachstumsrate auf 2,5 Prozent. „Die Beibehaltung der Rate ist nur bei einer für Russland außerordentlich günstigen Konjunktur auf dem Weltmarkt für Kohlenwasserstoffe möglich", versichert Wassin.
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