Nach der Übernahme von TNK-BP ist der russische Staatskonzern Rosneft nun der größte Ölproduzent der Welt. Foto: ITAR-TASS
Im Juni 2003 wurde die Gründung von TNK-BP, einem Joint Venture der britischen BP und des AAR-Konsortiums (Alfa Group – Access Industries – Renova), feierlich bekannt gegeben. In Anwesenheit des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des britischen Premierministers Tony Blair
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unterzeichneten der Miteigner der Alfa Group, Michail Fridman, und der BP-Vorstandsvorsitzende Lord John Browne das Abkommen. Das Joint Venture nahm seine Tätigkeit zwei Monate später auf.
Sein zehnjähriges Jubiläum wird es allerdings mit einem anderen Eigentümer begehen. Rosneft erwarb jeweils 50 Prozent der TNK-BP-Aktien von BP und ААR. Rosneft erhielt die Erlaubnis sämtlicher Wettbewerbsbehörden, einschließlich der Kartellaufsichtsbehörden Russlands und der Ukraine sowie der Europäischen Kommission. BP streicht für ihren Anteil 13,3 Milliarden Euro sowie 12,84 Prozent der Rosneft-Aktien ein, während AAR 21,8 Milliarden Euro erhält. Der Staatskonzern zahlt beiden Aktionären außerdem Zinsanteile in Höhe von 780 Millionen Euro. Diese waren seit Ende des vergangenen Jahres, als die vorläufigen Verträge unterzeichnet wurden, aufgelaufen.
Der Rosneft-Vorstandsvorsitzende Igor Setschin stattete heute der Londoner BP-Zentrale einen offiziellen Besuch ab. BP wurde mit einem Anteil von 19,75 Prozent der zweitgrößte Rosneft-Aktionär nach dem russischen Staat. Nach Angaben des Staatskonzerns wird das fusionierte Unternehmen pro Tag rund vier Millionen Barrel (206 Millionen Tonnen im Jahr) fördern, das ist das größte Volumen der Welt. Seine Reserven belaufen sich eigenen Angaben zufolge auf 28 Milliarden Barrel. Nach Schätzungen der Bank of America Merrill Lynch werden der Ertrag des Joint Venture für 2013 bei 124,6 Milliarden Euro und das EBITDA bei 25,6 Milliarden Euro liegen.
Rosneft habe bereits ein Komitee zur Integration von TNK-BP gegründet und will diese innerhalb eines Jahres abschließen, teilte der Berater des Rosneft-Vorstandsvorsitzenden Arkadi Samochwalow mit. Nach Abschluss der Verhandlungen werden hohe Manager, mit dem geschäftsführenden Direktor German Chan an der Spitze, TNK-BP verlassen. Einer Quelle zufolge soll das Unternehmen vom ersten Rosneft-Vizepräsidenten Eduard Chudanaitow geleitet werden, der zurzeit für den Fusionsstab zuständig sei. Auch Wedomosti hatte aus Rosneft-nahen Kreisen bereits von dieser Option erfahren. Des Weiteren sollen einem Konzernvertreter zufolge die Leiter wichtiger Rosneft-Tätigkeitsbereiche die gleichen Sparten auch bei Rosneft betreuen.
TNK-BP wird es in naher Zukunft möglicherweise nicht mehr geben. Aber es werde schwierig sein, das Gemeinschaftsunternehmen zu leiten, ohne ihm die TNK-BP Holding hinzuzufügen, meint der Leiter der analytischen Abteilung der Finanzfirma Otkrytije Kapital, Alexander Burganski. Denn ungefähr fünf Prozent gehören Minderheitsaktionären, der Rest sei im Besitz der TNK-BP Limited, die Rosneft erworben hat. „Die TNK-BP Holding übernimmt die Rolle der größten Rosneft-‚Tochter'. Sie wird etwa 40 Prozent der Produktion des Joint Venture erzielen und jährlich um 7,8 Milliarden Euro des operativen Cashflows beisteuern", sagt Burganski. Das Guthaben von über vier Milliarden Euro, das das Unternehmen bereits angesammelt habe, könne in Form von Dividenden ausgezahlt werden. Aber in Zukunft empfehle es sich, zu einer Einheitsaktie überzugehen, erläutert der Analyst. Dies sei kein Problem für den Staatskonzern, denn die ehemaligen Vermögenswerte von YUKOS seien längst zu Rosneft-Filialen geworden.
Insgesamt wird der Deal allerdings zur Verschlechterung fast aller wesentlichen Rosneft-Indikatoren führen. Die operativen Produktionskosten des Staatsunternehmens dürften pro Barrel von 2,3 auf 2,9 Euro und die Verarbeitungskosten von 2,4 auf 2,5 Euro steigen, da die Mehrheit der Fundstätten von TNK-BP schon ziemlich erschöpft sei, gibt Dmitri Lukaschow von der Investmentfirma Solid zu bedenken. Der Anteil der Erdölverarbeitung werde in dem Gemeinschaftsunternehmen von 48,5 auf 45 Prozent sinken. Bei TNK-BP machte dieser Indikator nur 40,1 Prozent aus.
Der wichtigste von der Fusion ausgehende Synergieeffekt sei jedoch durch die Senkung der Verwaltungs- und Managementkosten von TNK-ВР zu erwarten, erklärt Lukaschow. Beispielsweise hätten sich diese Kosten nach dem Erwerb von Sibneft durch Gazprom um fast die Hälfte verringert (von 1,4 Milliarden Euro für 2005 auf 817 Millionen Euro für 2008).
Und schließlich liege das Verhältnis der Nettoschulden zum EBITDA von Rosneft am Anfang des Jahres 2013 bei 1,2, während es nach dem Erwerb von TNK-BP 2,2 erreichen dürfte, meint der Analyst von Solid. Doch dazu werde es nicht wegen der hohen Schuldenlast von TNK-BP kommen, sondern wegen der Aufnahme erheblicher Mittel durch Rosneft für die Transaktion. Der Wert dieser Transaktion habe rund 35 Milliarden Euro betragen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Wedomosti.
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