Die russischen Gaslieferungen nach Europa können liberalisiert werden. Foto: Kommersant
Am Sonntag teilte die Nachrichtenagentur Finmarket unter Verweis auf einen Mitarbeiter im russischen Energieministerium mit, dass die Behörde Empfehlungen ausarbeite, wie die russischen Gaslieferungen nach Europa gestaltet werden können. Dies solle Anwendung finden in dem Fall, wenn die neuen Pipelineprojekte Gazproms, wie zum Beispiel Nord Stream und vor allem South Stream, mit den Anforderungen des dritten Energiepakets
der Europäischen Union nicht in Einklang gebracht werden können. Das dritte Energiepaket der Europäischen Union sieht vor, den Energiemarkt für Strom und Gas weiter zu liberalisieren, Eigentümerstrukturen zu entflechten, die Trennung des Netzbetriebs von Versorgung und Erzeugung zu erreichen sowie Verbraucherrechte zu stärken. Die Agentur zitiert den Entwurf eines Berichts, der ihren Angaben zufolge an den Vize-Premierminister für den Energiesektor, Arkadij Dworkowitsch, gerichtet ist.
In dem Dokument heißt es, man könne rein formal einen Schutz seiner Investitionen erreichen und darauf bestehen, dass das dritte Energiepaket nicht rückwirkend angewendet wird. Außerdem könne man fordern, dass es keinen Einsatz bei bereits realisierten oder aber auch begonnenen Projekten in Ländern findet, in denen die neue europäische Gesetzgebung noch nicht im vollen Umfang Anwendung findet. Doch Brüssel habe nicht vor, irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Deshalb sei es notwendig, „neue, ungewöhnliche Wege zu finden, um die russischen Interessen im europäischen Rechtsraum zu lobbyieren".
Einer davon „könnte die Einbeziehung von mit Gazprom juristisch nicht abhängigen russischen Wirtschaftseinheiten in die Realisierung von Gasprojekten in Europa sein", schreibt die Agentur unter Verweis auf das Dokument. Dabei geht es darum, dass die Betreiber der Erdgasleitungen in die Europäische Union die Hälfte ihrer Netz- bzw. Pipeline-Kapazitäten außenstehenden Gaslieferanten zur Verfügung zu stellen haben. Die Zulassung unabhängiger russischer Produzenten für die neuen Gazprom-Pipelines könnte, zumindest teilweise, das Problem ohne Einbeziehung ausländischer Wettbewerber lösen.
Im russischen Energieministerium dementiert man die Ausarbeitung solcher Initiativen. Die Pressesprecher des Präsidenten und des Premierministers, Dmitrij Peskow und Natalja Timakowa, sowie der Vertreter des Stellvertretenden Ministerpräsidentenen Dworkowitsch enthielten sich eines Kommentars auf diese Frage. Doch eine der Regierung nahestehende Quelle der Zeitung Kommersant teilte mit, dass ein solcher Lösungsansatz im Entwurf vorliege, auch wenn dieser noch nicht ausformuliert und „vertraulich" sei.
Hoffnung auf ein Stück vom großen Kuchen der Gasexporte nach Europa mittels der Erdgasmagistralen können sich NOVATEK und Rosneft machen, die sich bereits auf dem Gebiet des Flüssigerdgases (LNG) engagieren. Vertreter dieser Konzerne lehnten bislang eine Stellungnahme zu diesem Thema ab. Allerdings hat man bei NOVATEK schon des Öfteren sein Interesse an einer Expansion auf den europäischen Markt geäußert, und Günther Oettinger, EU-Kommissar für Energie, verkündete im Mai 2011 unumwunden: „Ich würde mich freuen, auf dem europäischen Gasmarkt jemanden wie zum Beispiel NOVATEK zu sehen." Ende 2011 sagte Wladimir Putin, dass „zu einem bestimmten Zeitpunkt" unabhängige russische Produzenten an die Gasexportpipelines herangelassen werden, zumal die europäischen Kollegen „uns dazu drängen".
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kommersant.
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