Dank der Kooperation mit GAZ wird Daimler mit seinem Sprinter keine Probleme beim Markteintritt in Russland haben, meinen die Experten. Foto: Reuters
Für den russischen Automobilmarkt ist 2013 nur ein mittelmäßiges Jahr. Noch in den Jahren 2011 und 2012 lag das Wachstum im Segment der leichten und mittleren Nutzfahrzeuge im deutlich zweistelligen Bereich. Nach einem stagnierenden Markt in den Monaten Januar und Februar brach im März 2013 der Neuwagenverkauf um vier Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres ein.
Gemessen am Gesamtmarkt schneiden die Kooperationspartner am Projekt Mercedes-Benz Sprinter T1N - der deutsche Automobilkonzern Daimler und der größte russischen Nutzfahrzeughersteller „GAZ" - besser ab. Laut Angaben der Association of European Businesses (AEB) setzte die
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GAZ-Gruppe im ersten Quartal dieses Jahres 17 000 Neuwagen in diesem Marktsegment ab. Das ist ein Zuwachs um zwei Prozent verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Der deutsche Autokonzern steigerte seine Verkaufszahlen sogar um 24 Prozent, wenngleich auf niedrigem Niveau. Denn der Zuwachs wurde lediglich durch 835 Neuverkäufe in diesen drei Monaten erreicht. Wie unterschiedlich die Marktpräsenz sein kann, zeigt der Vergleich mit einem anderen deutschen Wettbewerber in Russland: Die Volkswagen-Gruppe musste im selben Zeitraum zwar einen Einbruch ihrer Verkaufszahlen um vier Prozent hinnehmen. Dennoch verkaufte sie immer noch 3 466 Fahrzeuge im Segment Transporter/Light Commercial Vehicles (LCV).
Nun scheint es auch für Daimler richtig loszugehen. Im Vorjahr wurde im Rahmen des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg, bei dem Mercedes-Benz als Partner auftrat, zwischen dem deutschen Konzern und der GAZ-Gruppe ein wichtiges Abkommen unterzeichnet. Es sieht die Produktion von Mercedes-Benz Sprintern im GAZ-Werk Nischni Nowgorod vor. Laut Vertrag will Daimler mehr als 100 Millionen Euro in die Produktanpassung, die Produktion und das Vertriebsnetz investieren. Die GAZ-Gruppe will weitere 90 Millionen Euro in das Projekt stecken. Im Endausbau soll der Produktionsumfang 30 000 Transporter pro Jahr erreichen.
Ziel der Kooperation ist, den bewährten Mercedes-Benz Sprinter T1N sowie den Motor und weitere Komponenten des Mercedes-Transporters lokal zu fertigen. Derzeit werden im GAZ-Werk eine neue Montagestraße, Schweißanlagen und eine neue Lackiererei errichtet. Mit der Serienproduktion der Nutzfahrzeuge werde man bereits im zweiten Halbjahr 2013 beginnen, so Andrej Rodionow, Daimler-Repräsentant in Moskau. Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit planen die beiden Unternehmen auch die lokale Fertigung von Mercedes-Benz-Motoren am GAZ-Produktionsstandort in Jaroslawl.
In Russland wird es bald zwei Sprinter-Varianten geben: Der in Westeuropa sehr erfolgreiche Sprinter T1N der ersten Generation, der das mittlere Preissegment bedient, wird aus dem neuen GAZ-Werk kommen, während die neueste Sprinter-Generation ausschließlich in Düsseldorf hergestellt und direkt durch Daimler nach Russland exportiert werden wird. "Wir rechnen mit großen Verkaufszahlen," äußert sich Rodionow, "weil der Sprinter multifunktionell ausgelegt ist. Er eignet sich hervorragend als Kleinguttransporter, aber auch als Kleinbus für den Personenverkehr."
Dank der Kooperation mit GAZ werde Daimler mit seinem Sprinter keine Probleme beim Markteintritt in Russland haben, ist Andrej Schenk, Analyst bei Investcafe, überzeugt. „Wenn man bedenkt, dass die Produktionskapazität des Werks etwa 30 000 Fahrzeuge pro Jahr beträgt, dann könnte es dem Modell gelingen, im Laufe von drei Jahren ungefähr zwölf bis 13 Prozent des Marktsegments zu erobern; vorausgesetzt das Marktwachstum stabilisiert sich bei drei bis vier Prozent."
In diesem Jahr möchte Daimler wieder das Internationale Wirtschaftsforum in St. Petersburg, welches in der Zeit von 20. bis 22. Juni 2013 stattfindet, unterstützen. Ob geplant ist, weitere Kooperationsverträge zu unterzeichnen, ließ der deutsche Konzern bislang offen. Allerdings darf man davon ausgehen, dass der Stuttgarter Autobauer das Wirtschaftsforum nicht nur als bloße Gesprächsplattform betrachtet. Auf alle Fälle bliebe nach Beendigung des Forums ein großer Teil der zu diesem Zwecke bereitgestellten Vorführwagen in Russland, meint Rodionow. „Denn größtenteils werden die Wagen, die auf dem Forum ausgestellt werden, schon vor Beginn verkauft".
Rodionow weiter: „Seit langem bieten wir ein komplettes Portfolio an Produkten und Dienstleistungen für alle Aufgaben im Straßenverkehr an. Unser Pkw-Angebot umfasst mehr als 200 Modelle – vor allem Pkw der S- und E-Klasse, aber auch Kleinbusse." Außerdem sei Daimler der größte Nutzfahrzeughersteller der Welt - ein gutes Vorzeichen für die Partnerschaft mit GAZ.
Das Gorkier Automobilwerk (russische Abkürzung GAZ) wurde bereits in den Vorkriegsjahren einer der größten Autobauer in der Sowjetunion. Nach 1945 produzierte das Werk neben Nutzfahrzeugen die Oberklassen-Pkw Wolga und Tschaika. Während die Wolgas das Taxisegment dominierten, fuhren Parteinomenklatura und Staatsgäste im Tschaika vor.
Einen Meilenstein setzte der Automobilkonzern zu Anfang der 90-er Jahre mit dem ersten selbstentwickelten Transporter GAZel (deutsch Gazelle). Dieser Klein-Lkw beherrscht bis heute das Budget-Segment der leichten und mittleren Nutzfahrzeuge in Russland. Mittlerweile ist die GAZ-Gruppe auch der größte Nutzfahrzeugherstellers in Russland.
Die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern hat Tradition. Der Aufbau der eigenen Produktion in den 30-er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde erst durch die Kooperation mit dem amerikanischen Automobilhersteller Ford möglich. Mit Magna International wollte man bei Opel einsteigen, von Chrysler kaufte der Konzern Lizenzen und Produktionsanlagen. Die Investition in den britischen Kleintransporter-Hersteller Leyland DAF Vans rechnete sich nicht und wurde erst kürzlich an die chinesische Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) weiterverkauft.
Seit Ende 2010 laufen die Verhandlungen mit Daimler über die Kooperation im Transporter-Segment. Darüber hinaus arbeitet das Unternehmen mit General Motors sowie der Volkswagen-Gruppe bei der Montage des Škoda Yeti zusammen. Laut GAZ ermöglichen die neuen Produktionspartnerschaften die Modernisierung von 200 000 Quadratmetern Produktionsfläche. Das gesamte Investitionsvolumen der Gemeinschaftsprojekte soll bei 500 Millionen Euro liegen.
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