Sankt Petersburg: Wirtschaftselite unter sich

Der russische Präsident Wladimir Putin auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg. Foto: RIA Novosti

Der russische Präsident Wladimir Putin auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg. Foto: RIA Novosti

In seinem zweiten Bericht vom Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg beklagt unser Autor Dirk Besserer den zu elitären Charakter dieses Megaereignisses. Insbesondere der Mittelstand müsse künftig mehr Beachtung finden.

Einmal im Jahr herrscht in Sankt Petersburg Ausnahmezustand. Beim Internationalen Wirtschaftsforum SPIEF trifft die russische Politik- und Wirtschaftselite auf internationale Investoren. Das Megaereignis existiert schon seit 1997. In den letzten Jahren ist die Veranstaltung was die Zahl der Teilnehmer, über 2500, und die wirtschaftliche Potenz der Gäste angeht, konkurrenzlos. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Wladimir Putin ihre Vorträge halten, sitzt eine Marktkapitalisierung von über tausend Milliarden Dollar in Halle 7 des Lenexpo Geländes.

Projektoren spielen über die 30 Meter breite Bühne Kurzfilme ein. Die Minister der Schlüsselressorts und ihre Vertreter sitzen im Block A1. Hier sitzen ebenfalls ausländische Würdenträger, Oligarchen, Gouverneure und die Vorstände internationaler Top-Investoren. Weniger wichtige Investoren sitzen dahinter im Block C. Ausgewählte Medienvertreter bekommen ihren Platz im Block D auf der rechten Seite zugewiesen. Wer nicht das rot-rote Namensschild hat, darf sich die Rede auf den Monitoren in den Foyers anschauen.

Überhaupt, das Namensschild. Es ist so etwas wie die Eintrittskarte in eine besondere Welt. Es regelt wer Zutritt in die verschiedenen Zonen erhält, wer am Kulturprogramm und am Gouverneursempfang teilnehmen darf, wer Zugang zu den Lounges und Restaurants- und vor allem- wer eine der eleganten Mercedes Limousinen mit Fahrer erhält. Es gibt rote, blaue, gelbe, graue und grüne Namensschilder. Die roten zum Beispiel sind für Redner und VIPs, die blauen für die Begleiter, die gelben sind für Journalisten.

Die großen russischen Staatsunternehmen haben eigene Informationsstände errichtet: Sberbank, Rosneft, Gazprom, Rosnano und die russischen Eisenbahnen sind nur einige dieser wirtschaftlichen Giganten. Der weltgrößte Aluminiumhersteller Rusal wie auch Mercedes haben gleich einen ganzen Pavillon auf das Messegelände gebaut, ebenfalls die Stadt Sankt Petersburg. Auf dem Flughafen Pulkovo stehen die Privatjets in Reihen neben der Rollbahn.    

 

Wirtschaftselite unter sich

Das Forum ist ein Schaulaufen der Wirtschaftselite, von der es reichlich gibt. Zu ihnen gehören Loyd Blankfein, CEO und Präsident von Goldman Sachs, Pascal Lamy, Generaldirektor der Welthandelsorganisation, Angel Gurria, Generalsekretär der OECD. Russland steht für einen Wachstumsmarkt. Präsident Wladimir Putin erklärte den Ausbau der Infrastruktur zum Hauptziel. Über 200 Milliarden muss Russland jährlich in die Modernisierung investieren. Public-Private-Partnerships sind ausdrücklich erwünscht. Die massiven und ernsthaften Anstrengungen sind zu sehen, mit der Russland von seinem gegenwärtigen Exportanteil an Rohstoffen und Energieträgern von 75 Prozent wegkommen will.

Die deutsche Wirtschaftsdelegation, angeführt von den Vorständen von Siemens, Deutscher Bank, SAP und EON, ist den ganzen Freitag mit der Bundeskanzlerin und Präsident Putin unterwegs. Komplettiert wird das Teilnehmerfeld aus Deutschland durch Persönlichkeiten, die schon jahrelang im Russlandgeschäft unterwegs sind und in Moskau ihre Unternehmen und Verbände repräsentieren.  

Eine Schlüsselsitzung des Forums, die von Alexander Ivlev von der Unternehmensberatung Ernst & Young gemeinsam mit dem russischen Minister für wirtschaftliche Entwicklung Andrey Belousov moderiert wird, ist der Attraktivität Russlands als Investitionsstandort gewidmet. Auf ihr erklärt der Minister, dass diejenigen Unternehmen die bereits im Land seien, weiter expandieren wollten. Problematisch gestalte sich die Gewinnung neuer Partner, insbesondere innovativer Unternehmen des Mittelstandes.

Dazu jedoch ist das Wirtschaftsforum zu elitär angelegt. Mittelständische Unternehmen werden sich kaum nach Sankt Petersburg verirren, wenn Sie denn überhaupt eingeladen werden. In Deutschland machen diese Unternehmen aber über 90 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Und Russland benötigt dringend unternehmerische Initiative aus diesem Sektor – inländische wie ausländische.    

Wenn im nächsten Jahr das neue Kongresszentrum, errichtet von Gazprom, fertig gestellt ist und das neue Programm vorbereitet wird, sollten die Initiatoren auch daran denken, Inhalte mit mehr internationalen und jungen, globalen Talenten zu besetzen. Eine Kunst, die der große Bruder, das Weltwirtschaftsforum in Davos, vorzüglich vorgelebt hat.

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