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Mitte Juni hat die Moskauer Börse, die 2011 aus der Fusion von MICEX und die RTS hervorgegangen ist, ein Abkommen mit der Deutschen Börse geschlossen. Darin ist die Platzierung von Aktien der fünf größten deutschen Unternehmen Siemens, BMW, Volkswagen, Daimler und Deutsche Bank für Termingeschäfte auf der Moskau Börse geregelt. Es wird sich um sogenannte Non-deliverable Forward Contracts handeln. Bei diesen Verträgen ist keine Lieferung der Aktien vorgesehen, wie ein Vertreter der Moskauer Börse gegenüber Russland HEUTE mitteilte. Der Ausübungspreis wird anhand des Preises an der Eurex Exchange, die zur Deutschen Börse gehört, ermittelt.
Betrachtet man die üblichen Handelsparameter, wird dies ein hochspekulatives Instrument werden. Der Kontraktpreis wird in Euro gehalten, aber die Abrechnung erfolgt in Rubel. Das bedeutet, dass die Kursnotierung nicht nur von der Situation im Unternehmen selbst und dem Zustand der europäischen Wirtschaft abhängt, sondern auch vom Wechselkurs der russischen Währung gegenüber dem Euro.
Der Handelsstart ist für September geplant. „Wir erwarten keine fantastischen Umsätze von diesem Instrument. Wenn wir in ein bis zwei Jahren ein Niveau von ein bis fünf Millionen Euro pro Tag erreicht haben, ist das schon ein gutes Ergebnis“, erklärte der Direktor für Termingeschäfte der Moskauer Börse Roman Sulschik gegenüber Russland HEUTE.
Börsenvertreter hoffen darauf, dass die Termingeschäfte auf Aktien der deutschen Wirtschaftsgiganten ein wichtiges Instrument werden. Sie sollen es den Einzelkunden ermöglichen, ohne zusätzliche Kosten einen Zugang zum europäischen Markt zu erlangen. Die Diversifizierung der Portfolios von Privatinvestoren wird dadurch möglich, dass diese Termingeschäfte nicht mit dem russischen Markt korrelieren, wie die Moskauer Börse erläuterte. „Natürlich machen wir an dieser Stelle nicht halt. Wir werden das Portfolio unserer ausländischen Produkte noch erweitern“, fügte Sulschik hinzu, ohne jedoch die Pläne zu konkretisieren.
Für die Moskauer Börse ist das nicht die erste Erfahrung in der Organisation von Termingeschäften mit ausländischen Aktiva. Die Börse steht im Börsenverbund der BRICS-Staaten. In diesem Rahmen werden auf dem Terminmarkt bereits Termingeschäfte auf die Indizes dieser Länder gehandelt. Die Russen haben zudem ungewöhnliche Erfahrungen mit der Organisation des Terminhandels. So wurden in den 1990er-Jahren an der russischen Waren- und Rohstoffbörse Termingeschäfte darauf abgeschlossen, wer der nächste russische Präsident sein wird.
„Berücksichtigt man die Tatsache, dass der Handel durch Termingeschäfte und nicht mit den Aktien selbst realisiert wird, könnte mit dem gleichen Erfolg auch ein Abkommen mit einer asiatischen oder jeder anderen Börse abgeschlossen werden, um Informationen über die Kursnotierung zu erhalten. Solche Abkommen vergrößern die Chancen der Investoren, einen Gewinn zu erwirtschaften, indem sie auf den Wert der Basiswerte spekulieren oder aber die Risiken ihres Portfolios absichern. Damit ausgerechnet Aktien ausländischer Unternehmen an der Moskauer Börse in Umlauf gebracht werden, muss mit den Unternehmen, die ihre Papiere platzieren, gearbeitet werden und nicht mit der Börse“, bemerkte der Senior-Analyst von Investcafé Andrej Schenk. Er erinnerte daran, dass von den ausländischen Unternehmen die russischstämmige Firma Polymetall ihre Aktien an der Börse platziert hat. RUSAL plant, das Gleiche zu tun. „Berücksichtigt man, dass das Unternehmen seine Geschäfte in Russland tätigt und dort über den größten Teil seiner Aktiva verfügt, verwundert das nicht weiter“, bemerkte er.
Dass die deutschen Termingeschäfte in Umlauf gebracht werden, könnte der erste Schritt zur Anwerbung ausländischer Emittenten an der Moskauer Börse sein. Denn die russische Regierung will Moskau zu einem internationalen Finanzzentrum ausbauen. „Das ist eine Art Test, um das Interesse der Investoren in Russland an ausländischen Aktiva zu prüfen. Wenn die Unternehmen und ihre Aktionäre erkennen, dass die Investoren in Russland ein solches Interesse haben, werden sie möglicherweise über die Platzierung von Papieren auf dem russischen Markt nachdenken“, nimmt Schenk an.
Die Analystin des Unternehmens Alpari Anna Kokorjewa sieht die Situation etwas skeptischer. „Der Beginn des Handels mit Futures auf Aktien der fünf deutschen Unternehmen an der Moskauer Börse hängt mit der sinkenden Liquidität der Börse zusammen. Die Börse versucht so, die Liquidität auf dem Markt und die Aufmerksamkeit der Investoren zu erhöhen“, erklärte sie gegenüber Russland HEUTE.
Nach Einschätzung der Expertin sind die Papiere, die normalerweise an der Frankfurter Börse gehandelt werden, ausreichend liquide, stabil, transparent und „laufen“ gut. Im Durchschnitt betrage die Tagesvolatilität dieser Aktien 1 Euro, was deutlich über der Tagesvolatilität der russischen Unternehmen liegt. Nach Meinung der Analystin sollte dies das Interesse der Tageshändler hervorrufen, da sie damit ihre Einnahmen vergrößern können. Dagegen werden solche Spekulationen für die Kleininvestoren ein teures Vergnügen, glaubt Kokorjewa.
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