Das II. Internationale Investitionsforum des Gebietes Twer fand Ende Juni statt. Foto: Yuri Surin/jury-tver.livejournal.com/Tverigrad.ru
Vor noch nicht allzu langer Zeit war das nordwestlich von Moskau gelegene Gebiet Twer ein Synonym für das Ende der Welt, und dies obwohl die Stadt an der Verbindungsstraße von Moskau und Sankt Petersburg liegt. Im Jahr 2009 noch machte der Anteil ausländischer Direktinvestitionen an der lokalen Wirtschaft lediglich 1,81 Prozent aus. Und nach Aussagen einiger passionierter Autofahrer fand man hier die marodesten Straßen von ganz Zentralrussland.
Vor zwei Jahren jedoch bekam die Region eine neue Regierung, das Gouverneursamt übernahm Andrej Schewelew, ein ehemaliger Fallschirmjäger. Und obwohl die militärische Herkunft des neuen Gebietschefs eine konservative Politik vermuten ließ, machte das neue Regierungsteam die Bahn frei für eine verstärkte Zusammenarbeit mit ausländischen Investoren.
Dieser Kurs wirkte sich sehr positiv auf die regionalen Wirtschaftskennziffern aus. Im vergangenen Jahr zog das Wachstum der industriellen Produktion in Twer kräftig an und überstieg die gesamtrussische Wachstumsrate von 2,6 Prozent um das Dreifache. Die neue regionale Regierung übernahm das Erfolgsrezept von Kaluga, das ebenso wie Twer keine Öl- und Gasfelder in seinem Gebiet beherbergt. „Allein im letzten Jahr erreichten uns 155 Anfragen potentieller Investoren. Jedes Projekt, auch wenn es nur angedacht ist, wird mit nur einer Behörde als zentraler Ansprechpartner effektiv unterstützt. Die regionale Gesetzgebung ermöglicht es, Investoren erschlossenes freies Bauland anzubieten“, erklärte Schewelew Ende Juni in Twer auf dem II. Internationalen Investitionsforum des Gebietes Twer, zu dem über 300 Delegierte zusammenkamen. Und schließlich, so Schewelew stehe er persönlich jederzeit für Investoren zur Verfügung, um etwaige Probleme schnell lösen zu können.
An die hundert Verträge und Investitionsprojekte in der Region wurden während der zwei Tage des Investitionsforums abgeschlossen. Das gesamte Investitionsportfolio betrage schon über 3,8 Milliarden Euro, erklärt Schewelew.
„Früher wollte jedes Unternehmen in die Moskauer Technologieparks, heute stellt sich die Situation ganz anders dar. Die Wirtschaft zieht es in das Umland von Moskau, dort ist es rentabler“, erklärte auf dem Forum Jürgen Werz, Generaldirektor der German Management Group, deren Schwerpunkt die Entwicklung von Business-Parks ist. Hier in Twer realisierten laut Werz internationale Konzerne wie Hitachi, OTTO oder Knorr-Bremse ihre Projekte.
Der japanische Industriegigant Hitachi will in diesem Herbst in Twer ein Werk zur Fertigung von Baggermaschinen mittlerer Größe eröffnen, welche am russischen Markt am stärksten nachgefragt werden. „Wir haben über zwei Jahre lang nach einem Standort gesucht. Schließlich hing die Entscheidung für Twer vor allem mit der guten Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung zusammen“, so Sinossuke Issii von Hitachi Construction Machinery Eurasia, der russischen Hitachi-Tochter für Baumaschinen.
Twer setzt auf Industrieparks. Dazu gebe es keine Alternativen, erklärte der Vize-Premier des Gebietes Alexander Menschikow in seiner Rede auf dem Forum. „Defizite in der Infrastruktur und bei den öffentlichen Versorgungsunternehmen bremsen bis heute das Wirtschaftswachstum“, beklagte er. Gouverneur Schewelew versprach den Investoren, sich bezüglich einer einfacheren Zusammenarbeit mit den öffentlichen Unternehmen an die föderale Regierung zu wenden.
Grundsätzlich ist die geographische Lage der Region ein großer Vorteil, fünf Jahre nach der Krise von 2008 sind die Straßen in Twer und Umgebung aber immer noch in einem beklagenswerten Zustand. Wegen der häufigen Staus und schlechten Straßen muss man für die 160 km von Moskau nach Twer daher mit ungefähr vier Stunden Fahrtzeit rechnen, wenn man mit dem Auto fährt. Allerdings verkehrt zwischen Moskau und Sankt Petersburg ein Schnellzug mit Halt in Twer, der die Strecke in eineinhalb Stunden zurücklegt. Zuversichtlich kann eine im Rahmen des Forums unterzeichnete Vereinbarung mit der russischen Eisenbahn RZhD stimmen, die den Bau moderner Bahnhöfe in der Region zusicherte.
Nach Einschätzung von Vize-Premier Menschikow sind angesichts der offensichtlichen Stagnation des europäischen Marktes viele Unternehmen zu Investitionen in neue Märkte bereit, einige zögen auch Russland dafür in Betracht. Erschlossenes Bauland, vor allem in den Industrieparks, sei ein großer Standortvorteil gegenüber anderen Ländern. „Wir versuchen bereits während der Planung und Gründung dieser Parks interessierte Großunternehmen zu finden“, erklärte er.
In seinem Gebiet gebe es heute vier Industrieparks, drei weitere entstünden bis Jahresende. „An diesen Orten wollen sich bereits wichtige Unternehmen niederlassen“, verkündete Menschikow. Um einen Industriepark attraktiver zu machen, versuchten die Behörden, zusätzlich zum Bauland und der neugebauten Infrastruktur, auch solche Unternehmen anzusiedeln, die es durch ihre starke Marktposition für Zulieferer und andere Unternehmen lohnenswert machen, ebenfalls dort zu investieren. Dies belebe den Industriepark und bringe die erhofften Steuereinnahmen.
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