Im September findet in Sankt Petersburg der G-20-Gipfel unter dem Vorsitz Russlands statt. Foto: Pressebild
Bei dem im September in Sankt Petersburg stattfindenden G-20-Gipfel soll nun endgültig eine Lösung für die größte Aufgabe der Weltgesellschaft, die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums, gefunden werden. Russland, das den Vorsitz der G-20 innehat, spricht sich hier in erster Linie dafür aus, eine Erhöhung des Investitionsvolumens zu diskutieren.
Derzeit laufen die Vorbereitungen auf den G-20-Gipfel auf Hochtouren: Die Behörden in Sankt Petersburg stellen im Eiltempo die Autobahn für die Gipfel-Teilnehmer fertig und versuchen, das Versprechen, dem Problem mit illegalen Einwanderern in der Stadt Herr zu werden, einzuhalten. Die Medien spekulieren indes, ob US-Präsident Barack Obama seinen Staatsbesuch in Russland nicht doch noch wegen der angespannten Situation bezüglich Edward Snowden absagt, und die führenden Politiker der Welt bereiten sich in umfassender Weise auf das Gipfeltreffen vor.
Die Gipfel-Tagesordnung steht fest
Eine der wichtigsten Etappen in den Vorbereitungen auf den G-20-Gipfel war das Treffen der Finanzminister und Zentralbank-Chefs der G-20 Ende
Juli, das im Eigentlichen auch die Akzente der Gipfel-Tagesordnung definierte. Die Finanzminister kündigten im Abschlusskommuniqué ihres Treffens drei Aktionspläne an: Ein Plan widmet sich den Möglichkeiten einer Erhöhung von langfristigen Investitionen, einer der Bekämpfung von Steuerflucht und der dritte, dem gleichsam auch die größte Bedeutung zugewiesen wurde, stellt den Sankt Petersburger Aktionsplan dar. Dieser soll bis September erarbeitet und auf dem Gipfel präsentiert und geprüft werden. Der allumfassende Aktionsplan, wie es in dem Kommuniqué hieß, soll durch die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen ein ausbalanciertes Wirtschaftswachstum anregen.
Den Schwerpunkt in den Gesprächen beim G-20-Gipfel wird demnach die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums bilden, da diese nicht nur Europa, das mit einer anhaltenden Rezession kämpft, und die USA, die mit einer stetig steigenden Arbeitslosigkeit konfrontiert sind, beunruhigt, sondern auch die Entwicklungsländer. Deren Wirtschaftswachstum hat sich nämlich spürbar verlangsamt. „Im Fokus des Gipfels wird die Stagnation des Wirtschaftswachstums in den größten Entwicklungsländern sein, die in den letzten Jahren zu beobachten war. Diese ist zum einen mit zyklischen Prozessen verbunden und zum anderen mit fehlenden Strukturreformen", so Nariman Behravesh, Chefökonom für Makroökonomie des Beratungsunternehmens IHS Global Insights.
Im Juli hatte der Internationale Währungsfonds IWF seine Prognose für das Weltwirtschaftswachstum im Jahr 2013 von 3,3 Prozent auf 3,1 Prozent gesenkt. Die Prognose für die Industrieländer wurde damals allerdings nicht überarbeitet und blieb somit auf dem nicht gerade hohen Niveau von 1,2 Prozent. Den Entwicklungsländern prognostizierte der IWF zudem ebenfalls ein eher ernüchterndes Bild. Das BIP von China werde demnach nicht um acht Prozent wachsen, sondern nur um 7,8 Prozent, das von Brasilien um 2,5 Prozent (vorher drei Prozent) und das von Indien um 5,6 Prozent anstelle von 5,7 Prozent.
Auch in Russland läuten überall die Alarmglocken: Im Juli ist der Einkaufsmanagerindex (PMI) der russischen Fertigungsindustrie erstmals wieder seit August 2011 unter 50 Punkte auf das schlechteste Niveau seit Dezember 2009 gesunken. Sowohl der IWF als auch die Weltbank hatten sich noch zuvor pessimistisch über die russische Wirtschaft geäußert und die Prognosen für das Wachstum des BIP im Jahr 2013 auf jeweils 2,5 und 2,3 Prozent gesenkt.
Fokus auf eine Erhöhung des Investitionsvolumens
Russland hat nun als Vorsitzender der G-20 den Fokus zur Ankurbelung des Weltwirtschaftswachstums auf die Erhöhung des Investitionsvolumens gesetzt. So betonte auch Jewsej Gurwitsch, Chef der Wirtschaftsexpertengruppe, dass „in den allgemeinen Themenbereich der
Ankurbelung der Wirtschaft zwei Hauptaufgaben fallen: Erstens, wie der Entwicklungsmotor, also der Investitionsprozess, gestartet werden kann, und zweitens, wie die Risiken durch eine Reform der internationalen Finanzarchitektur und durch eine Prävention von Ungleichgewichten, die zu einer neuerlichen Krise führen könnten, gemindert werden können."
Jaroslaw Lisowolik, Chefökonom der Deutschen Bank, ist daher der Meinung, dass die Hauptaufgabe der G-20-Mitgliedsstaaten darin bestehe, Institutionen zu schaffen, die diese Investitionen effektiv einsetzen können. Laut Angaben von Dmitri Polewy, Wirtschaftsexperte der ING Bank, sei es notwendig, einerseits die Kontrollen hinsichtlich der Effektivität von Investitionen zu verstärken, andererseits die Politik der Mitgliedsstaaten zu verändern, um Investoren besser unterstützen zu können.
Weitere wichtige Themen des kommenden G-20-Gipfels sind die Abschaffung von Übersee-Oasen und die Abstimmung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerflucht. Jaroslaw Lisowolik hält es hier für „besonders wichtig, dass gewisse Länder nicht außen vor bleiben und so einen Teil der Kapitalflüsse zu sich abzweigen".
Steuerflucht und Korruption wird der Kampf angesagt
Der Kampf gegen Steuerumgehung und Steuerflucht ist zudem stark mit den Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption verbunden, die ebenfalls auf dem bevorstehenden Gipfel behandelt werden sollen. Der entsprechende Aktionsplan, dessen Erarbeitung unter dem G-20-Vorsitz Russlands begonnen wurde und von seinem Nachfolger Australien fortgeführt wird, sieht die Abstimmung von Maßnahmen in den Bereichen Sicherstellung der Unabhängigkeit von Antikorruptionsbehörden, Bekämpfung von Geldwäsche und Einnahmen aus korrupten Handlungen und Einschränkungen hinsichtlich der Versetzung von Staatsbeamten, denen Korruption angelastet wird, vor. Die Politiker sind zudem der Meinung, dass die Wirtschaft im Kampf gegen Korruption nicht außen vorgelassen werden dürfe.
Eine Reihe an Themen, die die führenden Politiker der Welt am Gipfel nicht umgehen können, wie unter anderem die oben genannten, wurden Russland als „Erbe" der G-20-Vorsitze anderer Staaten hinterlassen. Zum Teil stellen diese eine Fortsetzung der Reform der internationalen Finanzarchitektur und Finanzregulierung dar. So wurde die
Quotenüberarbeitung des IWF zugunsten der Entwicklungsländer bereits 2010 von den 20 Staaten angenommen, doch die Tatsache, dass diese Reform bis dato auf Eis liegt, beunruhigt in erster Linie die BRICS-Staaten.
Das Thema Währungskriege, das auf den Treffen der G-20 in den Jahren 2011 und 2012 häufig diskutiert wurde, hat indes ein wenig an Aktualität
verloren. Bevor Moskau den Vorsitz der G-20 übernommen hatte, löste der Konflikt zwischen China und den USA allgemeine Besorgnis aus, ebenso wie die Währungsinterventionen Brasiliens. Die Lockerung von Chinas Geld- und Kreditpolitik, die eine merkliche Schwächung des Yen-Kurses mit sich brachte, zog jedoch keine ernsthafte Kritik vonseiten der Politiker nach sich, die an den vorherigen Gipfeln teilgenommen hatten – was faktisch bedeutet, dass den Ländern erlaubt wird, eine lockere Währungspolitik zur Lösung des Hauptproblems, der Stimulierung des Wirtschaftswachstums, anzuwenden.
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