Das Max-Planck-Institut unterstützt den Bau eines neuartigen Gamma-Teleskops in Sibirien, das einzigartige Einblicke in die Astrophysik ermöglicht. Foto: ITAR-TASS
Die rasante Entwicklung von Halbleiter-Technologien und optischen Geräten ermöglicht eine immer bessere Erforschung des Weltalls. Und dies nicht nur mithilfe von orbitalen und interplanetaren Satelliten, sondern auch dank der Infrastruktur auf der Erde. Die Rede ist von Teleskopen.
In drei Jahren soll auf dem astrophysikalischen Versuchsgelände der Universität Irkutsk im südöstlichen Sibirien dank internationaler Zusammenarbeit ein einzigartiges Weltraumteleskop die Arbeit aufnehmen. In dem Komplex sollen kosmische Gammastrahlung erforscht und hochenergetische Teilchen aus dem Weltall registriert werden.
„Diese Station wird weltweit ihresgleichen suchen", erklärt der Rektor der Irkutsker Universität, Alexander Argutschinzew. „Sie wird superschnelle Teilchen aus dem Kosmos erfassen. Im Tuntinskij-Tal wird es die Möglichkeit geben, Teilchen zu erforschen, die noch um ein Vielfaches schneller sind als jene im berühmten ‚Large Hadron Collider' im Europäischen Kernforschungszentrum CERN."
Das Gamma-Teleskop unterscheidet sich von normalen Teleskopen dadurch, dass es anstelle des bekannten Teleskoprohres ein System optischer Stationen zur Erfassung geladener Teilchen nutzt, welche durch den Zusammenprall kosmischer Strahlung mit der Atmosphäre entstehen. Seine Detektoren sind in einem Abstand von 100 Metern zueinander angeordnet, das Gesamtgebiet soll hierbei bis zu 100 Quadratkilometer messen.
Gegenwärtig ist im Tuntinskij-Tal ein unter anderem aus russischen und deutschen Astrophysikern bestehendes Team tätig, das 175 hochsensible Lichtsensoren verwendet, die auf einem Areal mit einer Fläche von drei Quadratkilometern verteilt sind. Eine solche Anordnung der Geräte ermöglicht eine höhere Messgenauigkeit im Bereich der Sonder-Beobachtungen kosmischer Strahlung, als es traditionelle Teleskope mit einer vergleichbaren Charakteristik gewährleisten können. In drei Jahren entsteht dort die weltweit größte Ansammlung optischer Sensoren, die der Erforschung kosmischer Strahlung dienen. Die Zahl der optischen Detektoren wird dann von 175 auf 1000 Stück erweitert. Die Gesamtfläche soll in etwa zehn Quadratkilometer betragen.
Das neue Gamma-Teleskop Tunka-HiSCORE, dessen Bau von deutschen
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Wissenschaftlern und Fachleuten aus dem Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München unterstützt wird, soll über eine Empfindlichkeit verfügen, die zehnmal so groß wie die seines Vorgängers ist. Erstmals wird es möglich sein, bisher kaum bekannte Objekte zu erforschen, zum Beispiel die so genannten Pevatronen – energiereiche Quellen für die Gammastrahlen, die ein Vielfaches mehr an Energie produzieren als zum Beispiel die Photonen des sichtbaren Lichts.
Deutschland stellt die Gerätetechnik für das Teleskop und übt die Bauaufsicht aus. Der Großteil der Projektkosten von 70 Millionen Euro wird mithilfe von Fördermitteln finanziert, die die Irkutsker Forscher im April dieses Jahres eingeworben haben.
Die Wissenschaftler hoffen, im laufenden Jahr eine aus 20 Detektoren bestehende Versuchsanlage bauen zu können. Bis zum Jahre 2015 soll dann das Teleskop mit einer Fläche von einem Quadratkilometer fertig gestellt sein.
„Der Vorteil dieser Anlage für Russland", unterstrich Alexander Argutschinzew, „ist offensichtlich. Die hiesigen Wissenschaftler müssen nicht mehr ins Ausland reisen, um an Teilchenbeschleunigern zu arbeiten. Sie können dadurch nicht nur den organisatorischen Aufwand vermeiden, der dadurch normalerweise auf sie zukommt, sondern sparen auch jede Menge Zeit, denn die Warteliste der Wissenschaftler für einen Beschleuniger ist so lang, dass sie normalerweise in Monaten, wenn nicht sogar in Jahren angegeben wird."
Das oben erwähnte Teleskop ist dabei bereits das zweite System dieser Art in Sibirien. Eine weitere Erdstation mit einem Laser-System wird 2014 auf Grundlage des German-Titow-Laserzentrums im Altai entstehen. Das Hochleistungsteleskop mit einer Masse von 100 Tonnen, das auf einem Berggipfel in einer Höhe von 650 Metern errichtet wurde, soll die Verfolgung von Weltraumobjekten mit einer Geschwindigkeit von drei Grad pro Sekunde und einer Einstellgenauigkeit von ungefähr zwei Bogensekunden ermöglichen.
Laut öffentlichen Quellen erfasst das Altai-Teleskop Weltraumobjekte geringer Abmessung und Überwachungssatelliten. Selbst bei fehlendem Sonnenlicht können Objekte im Infrarotbereich beobachtet werden. Zudem werden Objekte mit einer niedrigen Umlaufbahn ohne die sonst üblichen Winkelreflektoren zu lokalisieren sein. Auch eine Laser-Lokalisierung des Mondes zur Ermittlung des Einflusses des Mond-Erde-Systems auf die Umlaufbahn der GLONASS-Satelliten ist möglich.
„Auf eine Entfernung von zweihundert Kilometern kann man noch das Bild eines Gegenstandes von der Größe einer Streichholzschachtel erkennen",
bemerkte der stellvertretende Chef-Konstrukteur der wissenschaftlichen Produktionsgemeinschaft Sistemy prezisionnogo priborostrojenia, Jewgenij Grischin. „Außerdem ist das System in der Lage, ein fotometrisches Signal mit einem Durchmesser von zwei bis drei Zentimetern aus einer Entfernung von 36 000 Kilometern zu empfangen", unterstrich er.
Neben dem Aufspüren der sich im Orbit befindlichen und von Menschenhand geschaffen Objekte, ermöglicht die leistungsstarke Gerätetechnik des neuen Teleskops die Beantwortung derjenigen Fragen, die mit der Erforschung des fernen Weltraums zusammenhängen. Auch können Weltraummüll und Meteoriten in der unmittelbaren Nachbarschaft des russischen Weltraumkomplexes und der IKS identifiziert und deren Laufbahn verfolgt werden.
Nach Meinung von Militärexperten ist die einzige mit diesem russischen Teleskop vergleichbare Anlage die US-amerikanische Station AEOS, die zurzeit auf Hawaii gebaut wird.
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