Ein russisches Projekt stellt eine animierte Lehrerin vor

Wladislaw Gusew, Entwickler der App "Utschilka". Foto: Pressebild

Wladislaw Gusew, Entwickler der App "Utschilka". Foto: Pressebild

Lehrreich, modern und weniger sozialer Druck als in der Schule: Das virtuelle Lehrangebot steigt immer weiter an. Ein russisches Projekt stellt nun sogar eine animierte Lehrerin vor den Schüler.

Die App „Utschilka", mit deren Hilfe Kinder das Einmaleins lernen können, wurde beim Wettbewerb „Chain Reaction" im Bereich Bildung zum besten Start-up-Projekt des Jahres 2013 gekürt.

Momentan existiert weder in Russland noch im Ausland ein ähnliches Projekt. Das Besondere: Die Entwickler – Projektleiter Wladislaw Gusew und Aleksandr Leonow, Generaldirektor von Next Step Entertainment – stellen dem Kind eine animierte Lehrerin zur Seite.

„Die Idee entstand nach dem Besuch eines von Digital October durchgeführten Start-up-Wochenendes. Innerhalb von 24 Stunden wurden 125 Projekte vorgestellt – nichts als Nachahmungen westlicher oder russischer Ideen. Wir waren die Experten, das hat uns geschockt", erzählt Wladislaw Gusew gegenüber Russland HEUTE.

 

Stressfreies Lernen mit Agnessa Iwanowna

Die Entwickler haben einen kreativen Ansatz gewählt. Das Projekt besteht aus zehn Lektionen, durch die man von der Lehrerin Agnessa Iwanowna geführt wird. Sie verkörpert exakt das Bild, wie man sich in Russland eine Lehrerin vorstellen kann: eine strenge und trotzdem herzliche Frau mittleren Alters mit Dutt und Brille, die zwar damit drohen kann, jemanden „zu Brei zu zerstampfen" oder ihn „einem wilden Bären zum Fraß vorzuwerfen", dies aber natürlich niemals wirklich tun würde.

Wie der Lehrer aussehen sollte, wurde von Drittklässlern einer Moskauer Schule bestimmt. Zur Auswahl standen Außerirdische, ein Roboter, eine Eule und sonstige außergewöhnliche Charaktere – doch die überwiegende Zahl der Kinder entschied sich für eine gewöhnliche Lehrerin. Vielen Nutzern könnte auch ihre Stimme sehr bekannt vorkommen, denn hierfür wurde die Schauspielerin Irina Grischina verpflichtet. Diese lieh bereits dem kleinen Jungen und seinem mechanischem Ebenbild in der immer noch beliebten sowjetischen Fernsehserie „Prikljutschenija elektronika" („Der elektronische Doppelgänger", 1979) ihre Stimme.

Die App nutzt ein ausgeklügeltes Spracherkennungssystem, um den virtuellen Klassenraum so realistisch wie möglich erscheinen zu lassen. Die

elektronische Lehrerin kann die Schüler nicht nur mit ihrem Namen ansprechen, sondern sogar einen vollwertigen Dialog mit ihnen führen. Eine Lektion dauert ca. 90 Minuten und am Ende des Kurses erhalten die Eltern per E-Mail eine Urkunde und ein kleines Glückwunsch-Video zugesandt. Falls ihre Zeit es nicht anders zulässt, müssen diese also nicht mehr tun, als die E-Mail zu öffnen.

„Wir haben hier etliche neue Features eingebaut, die es früher nicht gab. Einer der größten Fortschritte gegenüber anderen Lernprogrammen ist, dass es sich um eine animierte Lehrerin handelt. Das Kind hat so zwar einen ‚lebendigen' Ansprechpartner, wird aber durch das Aussehen weniger unter Druck gesetzt als in der Schulklasse oder bei einem Nachhilfelehrer. In einer Schulklasse sind Kinder aus Angst etwas Falsches zu sagen oftmals gehemmt. Hier kann das Kind, wenn es eine falsche Antwort gegeben hat, noch einmal nachdenken und die Frage wiederholen. Drei Versuche stehen ihm jeweils zur Verfügung. Das kann ihm dann eventuell auch ein wenig die Angst im Klassenraum nehmen", erklärt Aleksandr Leonow.

 

Mehr Möglichkeiten und weitere Programme in Planung

Das Unternehmen Next Step Entertainment wurde im Jahr 2011 allein mit dem Eigenkapital der Entwickler gegründet. Eineinhalb Jahre haben die Entwicklungsarbeiten an der App gedauert, seit Ende März 2013 ist sie nun auf dem Markt. Mittlerweile ist sie sowohl für iOS als auch für Android verfügbar und kann im App Store oder über Google Play heruntergeladen werden. Der Unterricht bei Agnessa Iwanowna kostet 2,29 Euro.

„Wir sind mit den Ergebnissen, die wir mit Agnessa Iwanowna erzielt haben, zufrieden. Uns ist klar, dass man damit nicht schnell Geld verdienen kann – es wird irgendwann so weit sein, aber erst nach einiger Zeit", so die Entwickler. Die App soll künftig noch erweitert werden – mit neuen Lehrern und weiteren Fächern, darunter Geschichte, Physik, Geografie, Literatur und Fremdsprachen. Daneben sollen die Fächer auch in anderen Sprachen angeboten werden.

„Und danach werden wir an einer Augmented Reality arbeiten", fügt Leonow hinzu. „Viele reden darüber, doch niemand weiß, was man sich genau darunter vorzustellen hat", sagt er und erklärt: „Wenn beispielsweise

auf einer Tafel eine Gleichung steht, können Sie mithilfe eines Smartphones die Lösung errechnen lassen, ohne ein Zeichen eintippen zu müssen. Oder Sie stehen in einer Behörde und haben keine Ahnung, wie Sie zu einem bestimmten Büro kommen sollen. Als Unterstützung könnte die Augmented Reality virtuelle Wegweiser bereitstellen und mithilfe der Kamera Ihres Smartphones hätten Sie Ihr Ziel schnell erreicht."

Seit seiner Gründung vor zwei Jahren hat das Unternehmen noch eine weitere App entwickelt: „LastPost", damals eine Art Tagebuch des Nutzers für die Zeit bis zum prophezeiten Weltuntergang am 21. Dezember 2012. Dieser konnte hier, wie in einem Endzeitfilm, jeden Tag notieren, was er erlebt hat. Weiterhin plant das Unternehmen einen weltweiten Service für Besitzer von Haustieren, einen medizinischen Dienst und ein Unterhaltungsprojekt, das in einem Monat auf den Markt kommen soll – die Details darüber werden aber noch streng geheim gehalten.

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